Wie der Leopard zu seinen Flecken kam

Wie der Leopard zu seinen Flecken kam
Tödliche Überraschung für diesen Pavian... Foto: John Dominis

In afrikanischen Erzählungen heißt es, der Leopard habe seine Beute nicht mehr teilen wollen und angefangen, sie in Bäumen zu verstecken, weil sich Schakal und Hyäne nie für seine Großzügigkeit erkenntlich zeigten. Die Leopardin habe zudem schockiert feststellen müssen, dass der Hase ihre Jungen fraß. Eine der bekanntesten Fabeln vom Anfang der Zeit ist jedoch ‚Wie der Leopard zu seinen Flecken kam‘ aus der Sammlung der ‚Nur so Geschichten‘ (Just So Stories) von Rudyard Kipling. In dieser Fabel erläutert der Autor die Vorzüge der Tarnung: Der Leopard, der zu jener Zeit ein sandgelb-bräunliches Fell trug, perfekt angepasst an die Savanne, habe mit seinem Jagdgesell, dem Äthiopier, im dunklen Urwald jagen müssen – und da sei er natürlich aufgefallen wie eine Sonnenblume vor einem geteerten Zaun. Der Äthiopier habe ihm daher Rosetten aus fünf Punkten auf sein Fell gemalt, die der Leopard heute noch trägt.

An dieser Fabel ist viel Wahres. Forschungsergebnissen zufolge haben sich Zeichnung und Färbung der Großkatzen im Laufe der Evolutionsgeschichte herausgebildet, um sich in ihrer Tarnung an ihren Lebensraum anzupassen. In seinem von Bäumen geprägten Habitat kann der Leopard besser im Spiel von Licht und Schatten untertauchen, wenn er Flecken hat.

Auch viele andere interessante Fakten über Leoparden gehören nicht zum Allgemeinwissen.

Der Name ‚Leopard‘ setzt sich aus den griechischen Wörtern leōn (Löwe) und pardos (Panther) zusammen, denn in der Antike wurde angenommen, der Leopard sei eine Kreuzung der beiden. Es wird vermutet, dass die Gattung Panthera, zu der auch Löwe, Jaguar und Tiger gehören, ursprünglich aus Asien stammt. Vorfahren von Leopard und Löwe wanderten einst nach Afrika weiter. Der letzte gemeinsame Vorfahr dieser großen Katzen soll vor rund 6,37 Millionen Jahren gelebt haben. Der Leopard kommt in der Kunst, in der Mythologie und im Volksgut vieler Länder vor, wo er einst heimisch war – vom antiken Griechenland bis Rom. Schwarze Panther (in Afrika nicht üblich) sind melanistische Leoparden oder Jaguare, das heißt, sie haben eine ausgeprägt dunkle Pigmentierung.

So kraftvoll wie der Leopard ist, so scheu ist er und vermeidet Konfrontation. Wollte man ihm menschliche Eigenschaften zuschreiben, würde man meinen, er habe einen Minderwertigkeitskomplex, weil er sich seine Beute häufig von Löwen und Hyänen abspenstig machen lässt. Wenn er nicht den Vorteil von Deckung und Überraschung nutzen kann, verschwindet er meist rasch im Blattwerk – ein flüchtiges Bild von Kraft und Eleganz.

Nicht von ungefähr ist der Leopard die am weitesten verbreitete (von Asien bis Afrika), die anpassungsfähigste und erfolgreichste Art unter den Großkatzen: Situationen mit hohem Risiko werden von Leoparden nach Möglichkeit gemieden, lieber gehen sie auf Nummer Sicher. Zwar sind sie opportunistische Jäger und ernähren sich abwechslungsreich, von Insekten ebenso wie von Antilopen, aber als Beute suchen sie sich vorwiegend Tiere mittlerer Größe in einer kleinen Herde aus, so dass die Verletzungsgefahr gering ist. Es ist ein Trugschluss, dass Paviane die Lieblingsspeise von Leoparden seien. Sie sind ihnen viel zu laut und gefährlich, als dass sie gewohnheitsmäßig Jagd auf Paviane machen wollten. Auch der kampflose Verzicht auf die Beute dient dazu, Verletzungen zu vermeiden.

Leoparden sind als vollendete Kletterkünstler bekannt, die es fertigbringen, eine mehr als 50 kg schwere Beute auf einen Baum zu schaffen, den sie als Zufluchtsstätte und Speisekammer benutzen. Jeder hat Bilder von einem Leoparden gesehen, der sich gemütlich auf einem Ast ausgestreckt hat und alle Viere baumeln lässt. Hingegen ist kaum bekannt, dass Leoparden auch hervorragende Schwimmer sind. Panthera pardus überrascht seine Beute durch Heimlichkeit. Wenn der erste Versuch erfolglos ist, lässt er es häufig darauf beruhen. Dabei ist der Leopard äußerst geschmeidig und kann kurzfristig Geschwindigkeiten bis zu 60km/h erreichen.

Da der Leopard ein Einzelgänger ist, würden sich Männchen und Weibchen möglicherweise nicht gerade begegnen, wenn der Zeitpunkt zur Paarung optimal ist. Daher gibt es keine spezielle Paarungszeit, und der Eisprung wird durch die Paarung ausgelöst.

Meisterliche Tarnung und eine verschwiegene Existenz haben das Überleben von Leoparden gesichert. Gelegentlich findet man seine Fährte, aber man bekommt ihn selten zu Gesicht. Der Leopard bleibt unnahbar – wie eine Erscheinung, ein Traum, eine Vision. Wenn man zwischen Bäumen, in den Bergen oder im Fischfluss Canyon wandert, mag sich bisweilen das etwas beunruhigende Gefühl einstellen, dass man aus der Höhe beobachtet wird – von einem Leoparden, der perfekt mit seinem gefleckten Hintergrund verschmilzt.

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