weiter der 16. August; ein Game-Drive mit Höhen und (Un)tiefen
Nachdem der Telefon-Deal über die Bühne gegangen ist, gilt es zu klären, in welcher Kombination wir die Ausfahrt gestalten wollen. Face hat einen normalen PKW - und nur noch wenig Benzin. Unsere Autos sind ja nur jeweils Zweisitzer, aber Bele erklärt sich bereit, auf dem Notsitz hinten Platz zu nehmen-- auf der notdürftig abgepolsterten Werkzeugkiste. Muckels fahren uns in ihrem Wagen hinterher, und über Funk werden wir die wichtigsten Infos, die wir von Face bekommen, weiter geben.
Gegen 15.00 Uhr fahren wir los, zunächst direkt am Khwai entlang. Gerne überlasse ich Face den Fahrersitz und geniesse es sehr, einmal nicht selbst zu Fahren und mich nur aufs Spotten zu konzentrieren.
Gleich finden wir ein Paar Wattled Cranes, und Face erklärt, daß sie in Botswana zu den "Endangered Species" gehören. Gefällt mir schon mal sehr gut, daß wir auch für Vögel halten.
Leider gelingt mir kein Foto, auf dem beide Vögel "heads-up" zu sehen sind.
Bald kommen wir zu einer Stelle, wo ein toter Elefant unüberriechbar im niedrigen Wasser vor sich hin morchelt, und wir zählen runde zwanzig Krokodile, die entweder im Wasser liegen oder am Ufer ein Sonnenbad nehmen. Da sind ein paar gewaltige Echsen dabei.
Wir biegen ab in dichten Mopanebusch, denn Face will zuerst zur aktuell bewohnten Den der Wild Dogs. Wir passieren einen See, und hier hat es einiges an Wassergeflügel.
Graureiher und kleine Panzerechse
Great White Pelican im Schlichtkleid.
Ein African Spoonbill patroulliert direkt vor uns im schönsten Licht das flache Ufer und wirft hin und wieder einen Drop ein.
Dann reissen wir uns los, Face will zu seinen Lieblingstieren. Wir kurven auf immer kleineren Wegen durch immer dichter werdenden Mopanebusch, und plötzlich liegt einer der alten Hunde vor uns im Sand und schläft.
Mein erster Wild Dog. Natürlich mache ich ein paar Bilder von dem schläfrigen Tier, aber so richtig unbändige Freude mag nicht aufkommen, denn wir stehen hier quasi auf einer Wendeplattform, extra in den Busch gehauen, um Sicht auf den aktuell bewohnten Bau der Hunde zu haben. Und nach uns fährt ein Wagen nach dem Anderen diesen Platz an, bald gibt es kein Vor oder Zurück mehr.
Wir stehen noch nicht lange, da kommt ein grosser Teil des Rudels von der erfolgreichen Jagd zurück, und die Aufpasser begrüssen die Heimkehrer ganz freudig. Face ist über das Sozialverhalten der Tiere bald mehr aus dem Häuschen als ich, denn eigentlich sehe ich nicht allzu viel, es spielt sich alles auf der rechten Seite ab, und auch der kopfstarke Nachwuchs, der winselnd Futter erbettelt, ist nur schemenhaft zwischen Mopanesträuchern zu erkennen. Die Mutter verzieht sich, sehr zum Leidwesen unseres Guides, in noch tieferen Busch mit den zwölf Welpen, während die anderen Hunde sich bald erschöpft in den Schatten legen.
Bald kommt von Ruth ein Funkspruch, daß sie praktisch hinter uns stehend gar nichts sehen können, und ob wir nicht weiter fahren wollen. Das ist aber gar nicht so einfach, denn die schmale Zufahrt ist total zugeparkt. Erst als ein paar Safari-Autos mühsam gewendet haben, können wir hier endlich weg. Wir fahren über die Hauptstrasse ein ganzes Stück Richtung Khwai Village, und Face zeigt uns an einer Lagune eine neue, gerade im Bau befindliche Lodge, bei der die Sango-Brüder involviert sind. Das ist ganz sicher ein sehr schöner Platz, aber ohne Lodge gefällt er mir deutlich besser.
Wir biegen ab Richtung Flugplatz, passieren diesen und kommen an eine neue Brücke, die allerdings etwas schmal geraten ist. Face beschliesst, die alte Furt nebenan zu benutzen, und schon tauchen wir ins Wasser ein. Aber Face kennt sein Revier, bald tauchen wir auch wieder auf und stehen am anderen Ufer.
Uwe bleibt nichts Anderes übrig als möglichst unserer Spur nach zu fahren. Es gelingt problemlos.
Während der Fahrt fragt uns Face natürlich, was wir schon so gesehen haben, etwa Löwen? Ja, eine Löwin in Savuti. Ja, wie sieht´s mit einem Mähnenlöwe aus? Nein, Fehlanzeige. Gut, dann fahren wir jetzt zu einem Mähnenlöwe.
Jo, iss klar. Ich glaube gerne, daß Face sich hier auskennt, aber ob er weiss, wo sich die einzelnen Tiere jeweils aufhalten? Wir kurven off-road durch Grasland zu einer Stelle, wo schon zwei weitere Fahrzeuge stehen, und Face sagt: "Da liegt er." Ich sehe erst mal nichts, aber dann gewahre ich an einer plattgedrückten Stelle einen vollgefressenen Löwenkuder, der flach atmend auf der Seite liegt.
Face erzählt uns die Geschichte von diesem prächtigen Mähnenlöwe, der vor fünf Tagen bei einem Kampf mit einem Büffel schwer verletzt wurde, man hat die Befürchtung, daß er ein Auge eingebüsst hat. ( Das hat sich im Nachgang gottlob nicht bewahrheitet ). Trotzdem hat er vor drei Tagen ein Zebra gerissen und hier an Ort und Stelle komplett aufgefressen. Er ist sehr phlegmatisch, der Kopf ist geschwollen, das ganze Tier sieht ungesund aus. Am Wochenende soll endlich der Tierarzt aus Maun kommen und den Löwen untersuchen.
Mich beelendet der Anblick vom König der Tiere, ich habe nicht einmal ein Foto gemacht.
Wir fahren los, denn als nächstes will uns Face einen Hyänenbau zeigen. Ich kann ja gut verstehen, daß uns Face seine Heimat und die hier lebende Tierwelt möglichst komplett zeigen will, aber dieses Abhaken von Prädatoren ist überhaupt nicht nach meinem Geschmack.
Burchell´s Glossy Starling
Und so freue ich mich innerlich still und leise, als bei Hyänens Niemand zuhause ist. Nee, stimmt nicht ganz. Als wir direkt neben dem Eingang halten, explodiert dieser plötzlich, eine Sandfontäne steigt auf, und ein paar Warzenschweine stieben aus dem Bau und mit aufgestellten Antennen davon.
Wir fahren weiter durch die Conservancy und geraten mitten in eine Elefantenherde. Das Drohen von ein paar jungen Bullen findet Face lustig und fährt mitten durch die Herde. Ich hätte auch gerne eine Weile hier gestanden und ihnen zugeschaut, aber wir müssen weiter, denn wir haben ein paar Laute gehört, wie wenn eine Antilope ihr Leben aushaucht. Wir finden aber nichts.
Wir kommen auf eine grosse Wiese, wo wiederum Elefanten im Fraß stehen. Face trifft einen Kollegen, wir trinken einen Sundowner, denn die Sonne ist gerade dabei, sich für heute zu verabschieden. Langsam steigt feiner Nebel über der nassen Wiese auf. Auch ein paar Mossies steigen auf und versuchen zu landen, nun aber schnell die langen Hosenbeine angebaut und das Hemd runter gekrempelt.
Nachdem es dunkel geworden ist, holt Face einen Handscheinwerfer raus, nun gilt es einem Leoparden. Ich verstehe jetzt auch, daß wir diesen komischen Geräuschen nach gefahren sind, denn wir sind hier im Revier einer führenden Leopardin, die wohl sehr kooperativ ist. Wir sind aber nicht die Einzigen mit dieser Idee, überall sieht man Lichtkegel durch den lockeren Wald wandern, und immer wieder treffen wir auf andere Tourautos, mit deren Fahrer sich dann Face jeweils unterhält. Allein, den Leo finden wir nicht, und ich bin kein bisschen traurig darüber.
Endlich verlassen wir das leoverlassene Waldstück und nehmen wieder Kurs auf den Khwai.
Plötzlich haben wir drei grosse, reflektierende Augenpaare im Scheinwerferlicht. Ob Face es wirklich verstanden hat, daß zumindest Uwe und ich uns über diese Sichtung mehr freuen als über irgend welche Katzen. Aber Face sagt selbst, daß man die Nightjars nicht allzu oft am Boden sitzen sieht. Nun hat also auch Uwe seine zweite Top Species auf der Liste.
Square-tailed Nightjar, oder Gabunnachtschwalbe
Wir kommen an den Khwai River, und Face überlegt laut, ob er da durchfahren soll. Ich finde, das sieht verdammt tief hier aus, und Ruth gibt per Funk durch, daß das Navi etwas von "unpassierbarer Stelle" anzeigt. Face bemerkt zwar, daß Tracks-for-Africa oft nicht wirklich up-to-date ist, trotzdem beschliesst er, eine andere Stelle zu probieren. Wir kurven eine Weile durch lockeren Wald und kommen an eine neuerliche Furt. Face hält kurz an, schaltet den Allrad und die Untersetzung zu, und schon fahren wir ins schwarze Wasser ein. Mir wird ganz anders, als plötzlich buchstäblich das Licht ausgeht, denn das Wasser spült über die Motorhaube, und von den Scheinwerfern sieht man Nichts mehr. Das Wasser geht bis knapp unter mein Fenster, dann haben wir die tiefste Stelle passiert, die Lichter tauchen wieder auf und spenden Licht, wir sind auf der anderen Seite. Nun müssen die Muckels noch unsere Spur treffen, nicht ganz einfach in einer tiefschwarzen afrikanischen Nacht.
Uwe hält kurz an, und dann fährt er los. Von aussen sieht das Ganze echt spooky aus, das Auto taucht ein, die Scheinwerfer beleuchten die Bugwelle, und gleich drauf sind die Scheinwerfer aus, nurmehr zwei kleine Funzeln pflügen durchs trübe Wasser wie von einem U-Boot. Endlich tauchen die Scheinwerfer wieder auf, alles geht gut. Mir fällt ein Stein vom Herzen, denn den Anruf hätte ich ungern getätigt bei Savanna, daß wir ein Auto versenkt haben. Ganz klar, ich selbst wäre hier nie im Leben durch gefahren, nicht bei Tag, und bei Nacht noch viel weniger.
Nun erheitern uns einige Springhasen, die vor und neben uns dahinhoppeln, leider bleiben sie keine Sekunde ruhig sitzen.
Plötzlich explodiert vor uns am linken Rand des Scheinwerferkegels ein Hippo, schmeisst sich rum, sprintet mit einer für solch eine Masse Tier nicht vorstellbaren Geschwindigkeit über die Pad und versinkt in den Fluten laut platschend. Aufregend, so ein nächtlicher Game-Drive.
Wir steigen aus, und ein grosser Vogel gleitet über uns hinweg, ein Uhu. Er baumt auf, und Face spielt den Beleuchter, so können wir mehr oder weniger erfolgreich ein paar Fotos machen.
Wenigstens kann sich Bele nun ihren Milchuhu mal in voller Grösse und Schönheit ansehen, auch wenn bei Tag natürlich die rosa Lidschatten besser rauskommen.
Es geht weiter kreuz und quer, und erst, als wir wieder an dem toten Eli im Fluß vorbei kommen, weiss ich wieder, wo wir sind. Face leuchtet übers Wasser, und überall funkeln die Augen von Krokodilen. Einige Echsen fressen am Kadaver.
Einmal blitzen ganz oben in einem grossen Baum ein paar grosse Augen auf, und Face sagt, es sei ein Bushbaby. Hab ich auch noch nicht gesehen, aber mehr als die grossen, reflektierenden Augen bekommen wir von dem Tier auch nicht zu sehen.
Nach knapp sechs Stunden sind wir wieder im Camp, ein mehr als ereignisreicher und denkwürdiger Game-Drive kommt zu seinem Ende. Auch wenn manches nicht so geklappt hat, wie Face sich das vorgestellt hat, es war eine einmalige und wirklich eindrückliche Erfahrung, im besten Sinne des Wortes.
Wir verabschieden uns, und nach einem Abendessen, an das ich keine Erinnerung mehr habe, mache ich noch ein paar Versuche mit Sternenfotografie. Das beruhigt die immer noch angespannten Nerven.
Gegen halbelf Uhr ist der Tag dann gar, und wir kriechen in unsere jeweiligen Appartements.
Gute Nacht.
Viele Grüße,
Matthias