Sonntag 30.04.17
Der letzte komplette Tag ist angebrochen. Auf den Gamedrive am Morgen kann ich mich richtig freuen, denn ausser mir fährt nur noch eine Freundin des Hauses mit. Die fotografiert auch leidenschaftlich, ich muss mir also keine Gedanken machen, ob wir irgendwo zu lange stehen bleiben. Zu Beginn der Tour bleibt es noch ziemlich ruhig, aber zumindest das Wetter zeigt sich an diesem Sonntagmorgen von seiner besten Seite. Über uns im Himmel kreisen zwei Vögel, der eine attackiert plötzlich den anderen, dann landen sie in unserer Nähe auf zwei verschiedenen Bäumen. Es ist ein Raubadler, der einen Weissrückengeier verfolgt. Scheinbar denkt der Adler, der Geier wäre ein Futterkonkurrent. Während wir die zwei Vögel beobachten, kommen andere Fahrzeuge vorbei und halten an. Der Adler fühlt sich gestört und fliegt weiter, der Geier traut sich nicht und bleibt sitzen
Weil ich nichts Besseres zu tun habe, halten wir ab und zu an und ich fotografiere Impalas, ENDLICH MAL
Wir biegen ab zum Ufer des Chobe. Hinter einer Biegung sitzt ein Fisheagle auf dem Boden. Wir halten sofort an und ich zücke die Kamera. Zunächst bleibt er sitzen, mustert uns ganz genau, dann startet er und erhebt sich in den Himmel. Das ist das, was ich mir von ihm gewünscht habe. Ich kann tatsächlich ein paar schöne Bilder aus nächster Nähe machen. Nur 5 Fahrminuten weiter finden wir ein Adlerpaar oben im Baum. Aha! Heute ist also mein Fisheagle-Tag! Ich schiesse ein paar Bilder, dann startet zunächst Nummer 1, etwas später Nummer 2. Und wieder bin ich mit den Ergebnissen fast zufrieden. Nur mein Objektiv könnte etwas grösser sein, sonst ist alles annehmbar.
Wir treffen auf ein anderes Auto. John kennt den Guide und bekommt die Information, dass hinter Serondela Löwen gesichtet wurden. Also fahren wir kurz entschlossen dorthin. Nicht weit vom Rastplatz entfernt sehen wir zahlreiche Büffel im Buschland verstreut. Hmmm… wo Büffel sind, da sind auch ziemlich oft die Löwen. Wir fahren hin und her, finden sogar Löwenspuren, aber die Katzen bleiben unauffindbar. Vermutlich ist es jetzt zu heiss und die Jäger haben sich tief in den Schatten der Büsche gelegt. Also kehren wir wieder um. Links und rechts von uns sehen wir Büffel um Büffel, es dürften mehr als 200 Tiere sein. Naja, bei dieser Hitze hätten die Löwen sowieso nicht gejagt und schlafende Löwen sind ja nicht unbedingt das Ziel meiner Wünsche.
Also vergnüge ich mich wieder an den nicht ganz so spektakulären Sichtungen: Eine Gabelracke im Flug, ein zorniger Impalabock, Mutter und Kind Impala, die sich ablecken, Blue Waxbills und Feuerfinken, eine kleine Gruppe von Grünmeerkatzen. Die Zeit vergeht heute wie im Flug und bald ist es schon nach 11:00, also sollten wir langsam in Richtung Gate aufbrechen. Auf dem Rückweg finden wir mehr als 10 Giraffen, die sich wegen der Mineralien im Boden hier aufhalten.
Dann fahren wir endgültig zurück. Ja, ich habe meinen Spass gehabt an diesem Vormittag. Aber jetzt knurrt mein Magen, ich freue mich auf das Lunch; gleichzeitig erfasst mich eine gewisse Traurigkeit, denn der letzte Gamedrive auf dieser Tour neigt sich dem Ende zu. In früheren Zeiten bin ich noch einmal am Vormittag vor unserem Flug raus in den Park gefahren, aber man wird ja älter und muss sich den Stress nicht mehr antun, denn das hiess: Gegen 11:00 Rückkehr in die Lodge, frisch machen, um gegen 12:00 zum Airport zu fahren.
Um die Mittagszeit sind vier neue Gäste aus einem Nachbarland Botswanas eingetroffen. Sie befinden sich auf einer Motorradtour und machen jetzt in der Garden Lodge Station. Wir betrachten uns die Typen und als wir erfahren, dass sie den Boatcruise am Nachmittag gebucht haben, sind wir nicht wirklich begeistert, denn wir ahnen schon, was kommen wird. Ruth will mich heute begleiten, denn es wird der letzte Sunset auf dem Chobe sein, morgen um diese Zeit sitzen wir schon im Flieger nach Johannesburg – wenn er denn pünktlich abfliegt. Während wir noch im Garten einen Eiskaffee trinken und süsse Häppchen essen, wird das Boot beladen. Dafür sind Tefo und John eingeteilt, denn auf den Ausflug mit diesen Gästen brauchen wir zwei grosse Coolerboxen.
Um 15:00 legen wir ab und steuern zunächst die Chobe Rapids mit den Vogelkolonien an. Dort ist viel los, immer wieder sehen wir Nimmersatte mit Zweigen im Schnabel. Sobald sie landen wollen, gehen die Nachbarn in Abwehrhaltung, denn es ist ziemlich eng auf den Büschen der Insel.
Zehn Minuten später fahren wir Richtung Parkeingang. Das ist der Moment, in dem die anderen Gäste vier Flaschen Bier und eine Flasche Wein ordern. Ist schon klar, wir sind ja auch schon fast eine halbe Stunde unterwegs
John registriert uns im Office, dann tuckern wir gemächlich am Ufer entlang. Hinter einem umgefallenen Baumstamm lugt ein Büffelkopf hervor. Fast in der Mitte der Hörner sitzen zwei Oxpecker, das Bild nehme ich natürlich mit.
Ein Wasserbock und einige Vögel sind zu sehen, sonst bleibt es ruhig an diesem Sonntagnachmittag. Johns scharfe Augen erspähen einen Elefanten im Wasser. Er ist ein gutes Stück entfernt, also beschleunigen wir, um ihn noch zu erwischen, bevor er sein Bad beendet hat. Kurz vor unserem Ziel stellt John den Motor ab und wir treiben auf den grauen Riesen im Wasser zu. Der dreht sich zwar zu uns, frisst aber gemütlich weiter. Dabei reisst er ein Büschel Sumpfgras mit dem Rüssel ab und zieht es erst durchs Wasser, bevor er es sich ins Maul stopft. Natürlich werden diese Szenen auch akustisch untermalt, denn es plätschert und gurgelt, während der Eli mit seinen Reinigungsaktionen beschäftigt ist.
Unser Halt ist für die „Motorradgang“ Grund genug, wieder eine Runde Bier zu ordern, auch der Wein ist gleich alle, aber unser Guide John hat ja glücklicherweise genügend Nachschub eingepackt. Wir fahren weiter, zunächst ist es wieder ruhig, erst eine Viertelstunde später treffen wir auf eine kleine Elefantenherde direkt am Wasser. Mit dabei sind drei kleinere Rüsseltiere, die sich im Wasser sauwohl fühlen und einige lustige Verrenkungen machen
Wir drehen ab und steuern eine Gruppe Hippos an, einige Halbstarke fühlen sich tatsächlich von uns herausgefordert und reissen die Mäuler auf, na das ist doch immerhin etwas. Jetzt kämpfen sie sogar spielerisch miteinander. Diese Kämpfe sind allerdings nicht mit denen der grossen Bullen zu vergleichen, denn da geht es dann wirklich zur Sache und nicht selten fliesst Blut oder sie fügen sich sogar schwere Verletzungen zu.
Die vier Biker haben inzwischen jeweils die dritte Flasche Bier in der Hand, der Wein wird noch so „nebenbei“ getrunken. Wir befinden uns wieder in der Nähe des Ufers. Jetzt kommt die unvermeidliche Frage: „John, wo ist denn hier die Toilette? Wir müssen mal!“ Was für eine doofe Frage! Auf diesem Boot gibt es natürlich keine Toilette, aber wer so viel Alkohol in sich reinschüttet, der hat natürlich zwangsläufig irgendwann ein „gewisses Bedürfnis“. John ist das Ganze etwas unangenehm, denn im Park ist ja aussteigen verboten. Auf der anderen Seite möchte er nicht, dass die Biker sich an den Bootsrand stellen und ins Wasser pinkeln. Erstens fahren ja auch noch andere Boote herum und zweitens fällt am Ende noch einer von denen ins Wasser und wird von Crocs attackiert. Auch wenn Ruth und ich das als gar nicht so schlimm empfinden würden, John hat natürlich die Aufgabe, alle Gäste wieder wohlbehalten in die Lodge zu bringen.
Zehn Minuten später – die Mitfahrer haben sich wieder gemeldet – hat John eine passende Stelle am Ufer mit einem einzelnen Baum gefunden. Durch den ergiebigen Regen in den letzten Monaten ist auch am Chobe der Bewuchs sehr dicht, deshalb muss unser Guide genau schauen, wo er seine Gäste ans Ufer lässt. Man weiss ja nie, was sich hinter dem nächsten Busch befindet.
Ein paar Minuten später ist die Gruppe wieder vollzählig im Boot, wir können weiter fahren. Inzwischen ist es 17:00 und damit etwas kühler geworden. Das nutzen die Paviane, um ans Ufer zu kommen und zu trinken. Natürlich sind auch viele Affenkinder dabei, die am Ufer entlang toben, das sind selbstverständlich schöne Motive für mich. Nicht weit entfernt liegen Krokodile mit geöffnetem Maul direkt am Wasser. Sie sind zwar nicht allzu gross, aber ich bin trotzdem erstaunt, wie nahe manche Paviane an den Reptilien vorbei gehen. Einer bleibt stehen und es sieht aus, als würde er überlegen, ob er das Croc mal am Schwanz ziehen soll. Na das Bild hätte ich natürlich gerne geschossen, aber dafür scheint dem Affen dann doch der Mut zu fehlen.
Fast an der gleichen Stelle, an dem wir vorgestern die drei Giraffen beobachtet haben, tauchen sie auch heute wieder auf. Es scheint wohl einer der Favoritenplätze zu sein. Ich mache noch einige Bilder, dann wird es schon wieder Zeit, Richtung Parkausgang zu fahren. Um kurz vor 18:00 halten wir an und richten das Boot aus. Am Himmel befinden sich so gut wie keine Wolken, es ist also alles für einen perfekten Sundowner angerichtet. Meine Frau und ich geniessen diese Zeitspanne ganz bewusst, immerhin müssen wir jetzt 6 lange Monate warten, bevor wir den nächsten Sundowner auf dem Chobe Fluss zelebrieren können. Das ist eine wahnsinnig lange Zeitspanne für uns!
Wir beobachten das Farbenspiel, bis die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist, der Himmel hat sich golden eingefärbt. Wir lassen den Park hinter uns und fahren Richtung Lodge. Auch diese Situation nehmen wir ganz tief in uns auf. Die Lodges gleiten in der Dämmerung an uns vorbei, alle Lichter sind an und viele Gäste sitzen bereits an den Tischen, um noch einen Sundowner mit Blick auf den Fluss zu sich zu nehmen. Manchmal winken sie, wir winken zurück. Immer wieder überholen uns Wasservögel auf dem Weg zu ihren Schlafplätzen und zeichnen sich als schwarze Scherenschnitte gegen den golden eingefärbten Himmel ab. Dreht man sich um, dann kann man noch einmal den glühenden Horizont betrachten, die lauwarme Luft umstreift den Körper, während das Boot in mittlerer Geschwindigkeit die Wellen anderer Boote kreuzt. Das alles zusammen erzeugt ein Hochgefühl, das sich nur schwer beschreiben lässt. Manchmal kann ich nicht anders, ich breite die Arme aus und fühle mich einen Moment wie ein Reiher, der ganz knapp über der Wasseroberfläche dahin gleitet. Am Ufer taucht der Anlegesteg der Garden Lodge auf, wir haben unseren letzten Boatcruise endgültig beendet.
Wir machen uns frisch, dann laufen wir mit Gabi ins Old House, denn hier werden wir heute Abend essen. Zum Glück gibt es Bream, ich esse diesen Fisch – wenn er frisch ist – wirklich gerne. Als wir nach dem Dinner zur Lodge zurückkommen, sitzen Jens und Thoralf in der Lobby. Das ist natürlich eine nette Überraschung, denn wir werden sie vermutlich erst wieder im November treffen. Also plaudern wir noch eine Zeitlang, dann geht es ins Zimmer. Ich kann nicht anders, ich muss mich noch für einige Minuten auf unseren Balkon setzen und über die beleuchtete Wiese Richtung Fluss schauen. Ein paar Fledermäuse schwirren durch die Nacht, das fahle Mondlicht hat sich durch die Wolken gekämpft und alles strahlt eine sanfte Ruhe aus, die nur durch gedämpfte Stimmen gestört wird. Natürlich ist die Stimmung hier am Rande des Städtchens Kasane nicht die gleiche, wie tief im Okavango Delta oder am Rand der Goha Hills, aber trotzdem entlockt mir die Situation einen tiefen Seufzer, fast so wie bei einem der magischen Sonnenuntergänge in der Wildnis. Dann wird es endgültig Zeit, ins Bett zu gehen.
Montag 01.05.17
Der Tag ist schnell erzählt. Wir stehen auf wie immer und ich schliesse mich den Mädels an. Wir packen die Hundemeute ins Auto und fahren hinaus an den Rand des Kasane Airports. Wilde Tiere lassen sich heute allerdings während unseres Spaziergangs nicht blicken. Zurück in der Lodge, wird der Koffer gepackt, den lassen wir bis November in Gabis Haus. Die Seesäcke werden ebenfalls gepackt, und dann vertreiben wir uns den Vormittag. Um kurz vor 12:00 gibt es noch einen Snack für uns, dann folgt die Abschiedszermonie. Bald darauf fahren wir zum Airport. Vermutlich wird es das letzte Mal sein, dass wir hier im alten Gebäude einchecken und in dem kleinen Warteraum sitzen müssen, denn im Juli soll ja endgültig das neue Terminal eröffnet werden.
Der Airlink Flieger hat zwar eine knappe Stunde Verspätung, wir bleiben aber locker, denn in Joburg ist immer noch Zeit genug, um einzukaufen und zu entspannen. Bei einem Weisswein warten wir auf das Boarding für den SAA Flug nach Frankfurt. Natürlich sind wir traurig, dass die Tour irgendwie rasend schnell vorbei gegangen ist. Sie war sehr abwechslungsreich, manchmal richtig toll, manchmal (bei Regenwetter) leicht nervig, aber ein richtig doofer Tag war eigentlich nicht dabei. Unsere Traurigkeit wird abgeschwächt, sobald wir unseren Blick nach vorne richten. Im November / Dezember sind wir 8 Wochen in Botswana
Das hört sich für mich richtig gut an! Also sitze ich hier im Airport, mit einem weinenden, aber gleichzeitig auch mit einem lachenden Auge.
Mixed Emotions eben
Ich bedanke mich bei allen Lesern, Kommentatoren / innen und "Danke" Drückern. Möge allen, die demnächst ins südliche Afrika aufbrechen, das Sichtungsglück hold sein.
Sehnsuchtsvolle Grüsse
Walter