THEMA: Reisebericht: Drei Wochen Äthiopien mit dem Rotel
09 Feb 2020 09:49 #579577
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01.12.2019 Gondar
Im ersten Morgenlicht kann ich längere Zeit zwei Erzraben vor am Nachbargebäude beobachten.



Zwei unserer Nachtwächter wärmen sich auch im ersten Sonnenlicht.



Nach dem Frühstück fahren wir über die Hochebene weiter Richtung Gondar.







In der ländlich geprägten Region sehen wir immer wieder viele Gläubige in ihren weißen Festtagsgewändern auf dem Heimweg von den nächtlichen Andachten in den Kirchen aufgrund des Feiertages.







Immer wieder beeindruckend: Die äthiopischen Baugerüste.

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09 Feb 2020 10:23 #579582
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Nach gut 2 Stunden erreichen wir Gondar. Unser erstes Ziel ist die wegen ihrer Wandmalereien berühmte Kirche Debre Berhan Selassie. Die Malereien stammen aus dem 17 Jahrhundert und diese Kirche ist die einzige nicht von den Anhängern des Mahdi zerstörte Kirche in Gondar. Nach dem Fall von Karthoum 1885 kam es auch am Grenzgebiet zwischen Sudan und Äthiopien immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Mahdisten und Äthiopiern, die mal von der einen, mal von der anderen Seite ausgingen. 1887 eroberten die Mahdisten schließlich Stadt und Region Gondar für kurze Zeit. Hierbei kam es auch zur Zerstörung fast aller Kirchen.
Am Eingang der Kirche stehen bewaffnete Wachen.



Die Kirche wird rund um die Uhr bewacht, da in den letzten Jahren von Moslems mehrere Brandanschläge auf diese verübt wurden. Wir werden wieder einer Leibesvisitation unterzogen und dürfen dann das von Mauern und Türmen umgebene Kirchengelände betreten.







Mit unserem örtlichen Guide betreten wir die Kirche und staunen ob der Pracht und Vielzahl der Malereien. Alle vier Wände sowie die Decke sind komplett bemalt. Die Malereien wurden auf Stoffe/Leinwände aufgebracht und diese dann an die Wände geklebt.


(Hier am unteren Absatz der Wand erkennt man dies gut)

Unser Guide erklärt uns die Bedeutung jedes einzelnen Bildes, während der anwesende Priester tief und fest auf seinem Stuhl halb sitzend, halb liegend schläft. Auch er hat die ganze Nacht hindurch aufgrund des Marien-Feiertages gebetet.
An der Stirnseite des Raumes ist zentral die heilige Dreifaltigkeit abgebildet, auf die während des Gottesdienstes die Priester schauen.



Die Gläubigen stehen sich dabei, getrennt nach Männern und Frauen, im Raum gegenüber. Die Männer schauen dabei auf die Längsseite der Kirche mit den Abbildungen des Leben Jesu, während die Frauen auf die Wand mit den Darstellungen des Lebens der Maria blicken.
Bei den Malereien im Gondarstil sind böse bzw. unwissende oder ungläubige Menschen stets im Profil mit nur einem Auge dargestellt. So ist zum Beispiel beim letzten Abendmahls nur Judas so dargestellt.



Wir sehen auf den Wänden unter anderem den abgeschlagenen Kopf von Johannes, der nach der äthiopischen Legende von Gott mit Flügeln versehen wurde und so noch Jahre weiter das Christentum verbreitete.



Auf der Marienseite sehen wir den heiligen Thomas, der zur Zeit von Marias Tod in Indien weilte und so nicht persönlich bei ihrer Himmelfahrt anwesend sein konnte, auf einer von Gott gesandten Wolke, die in doch noch zu Marias Himmelfahrt trug.


(Rechts oben Maria umringt von 5 Engeln und Thomas auf der Wolke.)

Wir hören auch, das sich laut der äthiopischen Version Maria bis zu ihrem 15. Lebensjahr in einer Klosterschule aufhielt und schwanger aus dem Kloster kam. Später soll sich Maria auch einige Zeit in Äthiopien aufgehalten haben.
Besonders beeindruckt die reich verzierte Decke, die komplett mit geflügelten Engelsköpfen bemalt ist.





Weitere Eindrücke der Malereien, die alle vier Innenwände zieren. Leider konnte ich mir zur Bedeutung nicht alles merken, was wir unserem Guide in Gondar dazu erklärt bekamen. :(

















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09 Feb 2020 10:28 #579583
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Nach der Besichtigung fahren wir ins Zentrum zur Mittagspause. Wir mögen nicht im Lokal sitzen und laufen einige Zeit in einem großen Bogen durch die Straßen bis hin zu den Außenmauern des Gemp, den wir nachmittags besichtigen werden. Dann kaufen wir uns eine Flasche Wasser, machen es einigen äthiopischen Senioren nach und setzen uns auf eine Bank unter den Bäumen vor einem kleinen, parkähnlichen Restaurant mit Blick auf die Piassa mit dem Standbild von Kaiser Theodor II. (1818-1868), der heute aufgrund seines tragischen Kampfes gegen die Engländer als Nationalheld Äthiopiens gefeiert wird.



Er war eine schillernde Persönlichkeit der äthiopischen Geschichte. Als Sohn eines Statthalters sollte er zunächst Priester werden, floh dann wegen einer blutigen Familienfehde in die Berge, wo er Anführer einer Räuberbande wurde. Später selbst zum Statthalter ernannt, besiegte er in rascher Folge etliche lokale Machthaber in der Region um Gondar und wurde schließlich 1855 selbst zum Kaiser von Äthiopien gekrönt. Er stabilisierte und modernisierte das Land und stemmte sich vehement gegen jede Einflussnahme seitens des Osmanischen Reiches oder Englands über Äthiopien. Als er 1862 in einem Schreiben die englische Königin um Beistand beim Kampf gegen die Osmanen bat, blieb dieses Schreiben unbeantwortet. Erbost über diese Missachtung seiner Person nahm er einige Europäer, darunter Missionare und Gesandte, als Geiseln. Die Engländer schickten letztlich ein Expeditionsheer zur Befreiung der Geiseln. Theodor verschanzte sich in der Bergfestung Magdala. Kurz vor der Erstürmung durch die Engländer nahm er sich das Leben, um der Schmach der Gefangennahme zu entgehen. Er wurde am Tag nach der Erstürmung mit allen Ehren beerdigt. Das Expeditionsheer zog sich mit den befreiten Geiseln zurück, nicht ohne alle ihnen hier in die Hände gefallenen Wertgegenstände des Kaiserhauses als Beute mit zu nehmen. Die Stücke befinden sich wohl noch heute in britischen Museen und deren Depots. Einer unserer lokalen Guides hat uns bei den Besichtigungen am Nachmittag auf die Frage, ob denn Gegenstände aus der Kaiserzeit Gondars erhalten seinen, nur lakonisch geantwortet: „Wissen wir nicht. Fragt mal die Engländer.“
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09 Feb 2020 10:51 #579589
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Nach der Mittagspause fahren wir die kurze Strecke zum Eingang des Gemp, des Palastbezirkes von Gondar. Nach Jahrhunderten erbitterter kriegerischer Konflikte, die auf die Zagwe-Dynastie mit ihrer Hauptstadt Lalibela folgten und die salomonischen Herrscher veranlassten ohne feste Residenzstadt durch das Reich zu ziehen um immer wieder vor Ort persönlich die politische Stabilität zu sichern, wurde von Kaiser Fasilidas (1632-1667) ab 1636 Gondar zur neuen Hauptstadt des Reiches ausgebaut. Im Jahrhundert vor Fasilidas war es den äthiopischen Kaisern, auch mit Hilfe der Portugiesen gelungen, den Griff der muslimischen Sultanate ( z.B. Sultan Adal in Region Harar) nach dem abessinischen Hochland nach langen, erbitterten Kämpfen abzuwehren. Infolge dieser verlustreichen Kämpfe waren beide Parteien so geschwächt, das aus Kenia eine große Expansionsbewegung der Oromo stattfinden konnte, welche sich im Süden, Osten und dem Zentrum des heutigen Äthiopiens ansiedelten.
Mit König Fasilidas begann eine neue Blütezeit Äthiopiens, die unter der Herrschaft seiner Familiendynastie bis zum Ende der Regierungszeit der Kaiserin Mentewab 1755 anhalten sollte und während derer nach und nach etliche Gebiete des heutigen Äthiopiens erobert wurden. Danach kam es aufgrund von Streitigkeiten und Rivalitäten in der Herrscherfamilie zu einem Jahrhundert der feudalen Zersplitterung, die dann eben von Theodor II. beendet wurde. In dieser Zeit musste das Kaiserreich weite Teile des Oromo-Gebietes wieder aufgeben und mehrere Königreiche der Oromo entstanden. Diese wurde dann erst Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts von Kaiser Menelik II. , den Helden von Adua, neu annektiert. Menelik II. war es auch, der weite Teile des heutigen Südens Äthiopiens mit der Region Kaffa und das Gebiet der Afar eroberte und so das heutige Staatsgebiet von Äthiopien entscheidend mitgestaltete.
Wir betreten durch das Wember-Tor den Palastbezirk, in dem die Herrscher im Lauf der Jahrhunderte nach und nach Palast um Palast hinzugefügt haben. Natürlich nicht ohne die übliche Leibesvisitation. Der Gemp wird von einer 900 Meter langen Stadtmauer mit 12 Türmen umschlossen. Sofort fällt der Blick des Besuchers auf das Schloss von Kaiser Fasilidas, das eher an eine trutzige schottische Burg erinnert.



Über eine große Freitreppe steigen wir zum Eingang empor.



Die Innenräume sind alle leer. Wir bewundern die Holzbalkendecke, die mit Rundbögen gestalteten Durchgänge, den offenen Kamin und die teils noch im Original vorhandenen schweren, eisenbeschlagenen Holztüren.







Auch die Äthiopier identifizieren sich sehr mit der Geschichte ihres Landes - und machen Selfies im Königsschloss. :)


(Der Schreiber dieses Reiseberichts musste dann auch noch für eine Selfie mit der junge Dame herhalten. Merke: Äthiopische Touris sind genauso fotoversessen wie wir. B) )

Daneben war einst ein Bau von Johannes I., von dem allerdings kaum noch etwas übrig geblieben ist. Als nächstes kommen wir zum Palast von Iyassu I. (1682-1706).



Hier ist leider sowohl die Zwischendecke des einst mehrstöckigen Palastes wie auch das Dach des großen Saals zerstört.



Im daneben liegenden kleineren Raum ist die Dachkonstruktion mit ihren Steinbögen aber noch vorhanden und lässt uns erahnen, wie eindrucksvoll dieser Palast einst war.



Blick auf den seitliche Ausgang des kleineren Raumes des Palastes.



Blick auf Rückseite das Schloss des Fasilidas.





Rückseite des Palast von Iyassu I.



Und beide Paläste nebeneinander. Rück- und Vorderansicht.



Letzte Änderung: 16 Feb 2020 10:06 von CrocV.
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09 Feb 2020 11:09 #579596
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Wir laufen einige Meter durch das parkartige Gelände und kommen zur Festhalle des Kaisers Dawid III. (1716-1721), von der ebenfalls nur noch die eindrucksvollen Außenmauern erhalten sind.





Vorbei an den Löwenkäfigen, in den die Herrscher stets mehrere Exemplare des Königs der Tiere hielten kommen wir zum Sauna- und Badehaus.







Der Wellness-Oase der damaligen Herrscher. Hier sind nur noch die Grundmauern und der unterirdische Teil mit den Feuerkammern für die Sauna erhalten. Weiter geht es zur sehr großen und langgezogenen Festhalle des Kaisers Bekaffa (1721-1730) und den daneben liegenden, ebenfalls sehr lang gezogenen Pferdeställen des royalen Gestüts.







Rechts daneben liegt schließlich noch das Schloss der Kaiserin Mentewab (1730-1755).



Quasi in der Mitte des Gemp umringt von den Palästen der Herrschen befinden sich noch zwei kleinere Bauten: Das kaiserliche Archiv und die Bibliothek.


(Kaiserliches Archiv)



(Links Bibliothek, rechts Schloss Fasilidas)

Zum Abschluss der Besichtigung kaufen wir bei einem Aufseher der Anlage zwei sehr schöne Ansichtskarten. Eine absolut erwähnenswerte Sache, denn Ansichtskarten sahen wir nur selten angeboten in den drei Wochen. Und wenn dann waren Karten mit schönen Motiven und guter Fotoqualität die absolute Ausnahme.

Mit einem letzten Blick auf das Schloss von Fasilidas verabschieden wir uns vom Gempp.

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09 Feb 2020 11:20 #579597
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Dann ging es mit dem Rotel weiter durch den Verkehr in Gondar zum „Bad des Fasilidas“.



Hierbei handelt es sich wohl um einen Sommerpalast, der mitten in ein Wasserbecken gebaut wurde und heute malerisch von alten Bäumen mit mächtigen Wurzeln umringt daliegt. Als wir darauf zulaufen, bietet sich uns ein eindrucksvoller Anblick, denn dutzende große Vögel kreisen in der Thermik über dem Schloss.





Der Bau wurde entweder von Kaiser Fasilidas oder seinem Enkel Iyassu I. erbaut. Das Wasserbecken wird heutzutage einmal im Jahr über einen kleinen Kanal mit Wasser aus dem nahen Fluss gefüllt. Was immerhin eine ganze Woche dauert. Und dann wird hier das Timkat-Fest gefeiert, in dem tausende Gläubige sich mit dem von den Priestern geweihten Wasser reinigen oder gleich ganz hineinspringen.







Durch die mächtige Wurzeln der umstehenden Bäume, die teils über, teils durch die Umrandungsmauer wuchern, erhält das ganzen Areal das Flair eines vergessenen, verwunschenen Platzes.







Da der Nachmittag bereits weit fortgeschritten ist, fahren wir durch Gondar über mehrere steile und sehr enge Spitzkehren hoch zu unserem Übernachtungsplatz beim Goha Hotel.
Das Goha Hotel liegt in traumhafter Lage über der Stadt. Neben einem Swimming Pool gibt es noch einen großen Springbrunnen mit leuchtendem Farbenspiel.



Im letzten Abendlicht kreisen unzählige Vögel über der Stadt. Wir genießen diese traumhafte Aussicht zum Abschluss des heutigen Tages.



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