Auf dem offenen Wagen neben uns saß eine Gruppe Schweizer und schnatterte ohne Pause in enormer Lautstärke. Wir werden wohl nie verstehen, warum man sich in einer solchen Situation lautstark über das Essen oder andere banale Dinge unterhalten muss, anstatt einfach mal in Stille den Moment zu genießen. Irgendwann wurde es Ruth zu viel, und sie wies die Plappermäuler mit zugehörigem Lehrerinnen-Autoritäts-Ich-Dulde-Keine-Widerrede-Blick
darauf hin, sich doch BITTE ein wenig leiser zu unterhalten. Folgsam benahmen sie sich tatsächlich besser. Anscheinend waren aber nicht nur die Schweizer, sondern auch ihr Auto so eingeschüchtert, dass der Motor des Safariwagens wenige Minuten später nicht mehr anspringen wollte. Ein anderer Fahrer wurde herbeigefunkt, der mit seinem Auto anschieben musste. In einiger Entfernung tauschte die komplette Reisegruppe unter den wachsamen Blicken der beiden Löwen die Wagen.
Als immer mehr per Funk verständigte Gruppen eintrafen, verschwanden die Löwen endgültig im hohen Gras. Nun wurde ihnen der Trubel hier wohl doch zu groß. Wir waren rundum glücklich, weil wir sie lange beobachten konnten und vor allem deshalb, weil wir sie selbst entdeckt hatten.
Sehr zufrieden mit diesem tollen Safarierlebnis kehrten wir auf dem schnellsten Weg an einer Herde Wasserböcke vorbei zum Campingplatz zurück.
Vorher trugen wir uns noch ganz stolz auf der Sichtungstafel am Xakanaxa-Gate ein:
Zwergspint
Zusammen mit Nadia und Felix frühstückten wir ausgiebig mit Müsli und Brötchen. In der Mittagspause wurde gespült und gefaulenzt. Ruth lag in der Hängematte. Schließlich gingen wir duschen und brachen zu einer Nachmittagsfahrt auf.
Wir blieben jedoch nicht lange, da wir zum einen fast keine Tiere sahen, und zum anderen auch keine Lust hatten, sehr weit zu fahren. So kehrten wir früh ins Camp zurück. Dort hatte sich bei einem der vorderen Stellplätze ein Zwischenfall mit einem einzelnen Elefanten ereignet. Der Elefant hatte sich wohl an den Essensvorräten einer geführten Gruppe zu schaffen gemacht, Milchtüten und Bierdosen geknackt und ausgetrunken und war aggressiv geworden, als man versucht hatte, ihn zu vertreiben. Schließlich war es den zur Hilfe eilenden Rangern mit Autos und Schüssen gelungen, dafür zu sorgen, dass das Tier den Campingplatz verlässt. Nun herrschte große Aufregung, und die Frage stand im Raum, ob der Elefant zurückkehren würde. Nadi war sehr verunsichert und der Meinung, dass wir hier nicht bleiben könnten, da mittlerweile die wildesten Gerüchte über den Elefanten kursierten. Gemeinsam liefen Ruth und Nadi zu den Ablutions, um den entsprechenden Guide selbst zu interviewen. Dieser war völlig aufgebracht. So etwas habe er in 20 Jahren noch nicht erlebt. Und er war sich sicher: Dieser Elefant sei nicht normal, er werde diese Nacht zurückkommen, sich rächen und sogar töten! Seine komplette Reisegruppe war gerade dabei, ihre Zelte abzubauen, um diese Nacht aus Sicherheitsgründen im Duschhäuschen zu verbringen. Dies war nicht gerade das, was die Mädels hatten hören wollen.
Nadi war nun keinesfalls beruhigt, ganz im Gegenteil! Die Bemerkung, dass man bei 20 Jahren Berufserfahrung doch eigentlich wissen müsse, dass man keine Essensvorräte für wilde Tiere erreichbar im Camp herumliegen ließe, tat der überaus fähige Guide nur mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. Wir müssten selbst wissen, was wir tun. Er werde jedenfalls kein Risiko eingehen.
Um Xakanaxa jetzt noch zu verlassen, war es bereits zu spät, denn es wurde schon bald dunkel.
Auf dem Weg zurück zu unserem Stellplatz beobachteten Ruth und Nadi eine Gruppe von Südafrikanern, die mit fünf Autos unterwegs waren. Sie hatten diese in Kreisformation geparkt, einen Zaun darum aufgebaut und waren nun gerade dabei, einen kleineren, zweiten Elekto-Zaun zu errichten. Hmmmm! Nadi war mit den Nerven am Ende. Auch Ruth war nicht mehr ganz so mutig. Was war denn hier los? Die einen schlafen lieber in der stinkigen Toilette, die anderen verschanzen sich in einer doppelt gesicherten Wagenburg.
Wie beruhigend war doch die Meinung zweier Südafrikaner, die in ihrem kleinen Bodenzelt schon seit mehreren Tagen hier campierten. Als die beiden Mädels aufgeregt diskutierend an ihnen vorbeiliefen und ihnen vom merkwürdigen Verhalten der anderen Camper berichteten, fingen sie lauthals an zu lachen. Die Leute im Duschhäuschen müssten sie unbedingt fotografieren gehen, das würde ihnen sonst niemand glauben. Die Elefanten seien jeden Abend und jede Nacht da, jedoch noch nie aggressiv gewesen. Und nein, sie hätten keine Angst in ihrem winzigen Bodenzelt zu übernachten.
Nach einer kurzen Lagebesprechung – viele Möglichkeiten hatten wir ja nicht – bewerteten wir die Voraussage des Guides als übertrieben. Zu Nadias Beruhigung stellten wir die beiden Autos etwas dichter aneinander zwischen zwei große Bäume. Die beiden Südafrikaner kamen noch kurz vorbei und boten uns einen Jägermeister zur Beruhigung an. Obwohl Ruth solch ein Zeug überhaupt nicht mag, nahm sie das Angebot dankend an. Sieh mal einer an, da wird sich doch niemand Mut antrinken wollen?!
Nachdem wir lange über die Gefahr diskutiert hatten, die von dem möglicherweise aggressiven Elefanten ausgehen kann, war es dunkel geworden, und wir hatten keine Lust mehr zu grillen. So machte Ruth einen sehr leckeren Wurstsalat.
Wir sind nun seit einer Woche mit Nadia und Felix unterwegs und merken, dass die beiden den Urlaub nicht uneingeschränkt genießen können. Einerseits ist Nadias Erkältung noch immer nicht auskuriert, längere Autofahrten strengen sie sehr an, manchmal hat sie noch Fieber und fühlt sich permanent schlapp. Andererseits hat sie auch immer wieder große Angst vor den wilden Tieren hier im Park und kann daher nachts nicht gut schlafen. Ständig ist sie wach und horcht auf das kleinste Geräusch. Wir haben ein schlechtes Gewissen, weil wir den beiden zu diesem Urlaub geraten haben und davon ausgegangen sind, dass wir mit unserer Erfahrung sämtliche Probleme, die den beiden begegnen würden, lösen könnten. Nun machen wir uns Sorgen, dass wir Nadia und Felix vielleicht zu viel zugemutet haben. Hoffentlich können wir ihnen in den nächsten Tagen doch noch zu einem schönen Urlaub verhelfen.
Kilometer: 46