Kleiner Nachtrag: Wir haben an diesem Tag nur sehr wenige Fotos gemacht, da Ruth ihre Eindrücke während der Fahrt nicht bildlich mit dem Fotoapparat, sondern schriftlich festgehalten hat:
Der Weg ist das Ziel
Besonders spannend ist das Leben am Straßenrand. Früh morgens marschieren Jungen und Mädchen in ihren weiß-blauen Schuluniformen fröhlich miteinander plaudernd zur Schule. Man hat nicht den Anschein, als hätten sie es besonders eilig, auch wenn sie zielstrebig wie Ameisen dieselbe Richtung einschlagen. Männer in feinen Anzügen stehen telefonierend am Straßenrand, andere sitzen halb liegend in einer Schubkarre und beobachten vor sich hindösend das Geschehen. Es gibt sehr schlanke, junge Mädchen mit den unterschiedlichsten Zöpfchenfrisuren, die knallenge Jeans, Handtäschchen und modische Tops tragen. Dazwischen wuseln klapperdürre Hunde, Hühner und Ziegen, die an Abfällen herumschnüffeln. Einige Jungen bieten frische Langusten oder (weniger frischen?) Fisch an einem langen Holzstecken baumelnd an. Andere haben bis zu drei Hühner mit den Köpfen nach unten hängend an jeder Lenkerseite ihres Fahrrads angebunden und versuchen, durch Herumwedeln mit den Armen oder Pfiffe auf ihre noch lebendige Ware aufmerksam zu machen. Ziegen werden auf Fahrradgepäckträger geschnallt und ebenso verkauft wie winzige Ferkel. An Bäumen hängen an Seilen Plastiktüten, die im Wind flattern und auf den Verkauf von Cashewnüssen hinweisen sollen. Alternativ springen lebensmüde Verkäufer vor das herannahende Auto und erst im letzten Moment, bevor sie überfahren werden, wieder von der Fahrbahn.
Apfelsinen, Süßkartoffeln, Ananas, Bananen, Mais und Tomaten liegen zu kleinen Türmchen aufgehäuft auf wackeligen, schnell aus ein paar Holzlatten zusammengezimmerten Verkaufständen oder direkt neben der Straße und warten auf Käufer. Straßenhändler bringen auf einfachen Karren oder Pickups ihre Vorräte an Kokosnüssen und sammeln sie auf riesigen Haufen am Rand der Straße. In und vor kleinen Shops, die auseinanderzufallen drohen, werden afrikanische Stoffe, unterschiedlichste Kleidungsstücke und Schuhe, Maschinen- und Autoteile, Süßigkeiten, Bündel aus Gras, Brennholz, Handys, Fenster, Spiegel und Sofagarnituren angeboten. Holzschnitzereien und Korbwaren stehen neben jungen Männern in knallig bunten T-Shirts. Man kann sich in winzigen Wellblechhüttchen die neuesten Frisuren verpassen lassen. Ziegen und Geflügel oder das, was von ihnen übrig ist, baumelt an Bäumen oder wird dem vorbeifahrenden Autofahrer vor die Scheibe gehalten. Überall scheinen die aufdringlich gelbe Reklame von mcel oder das knallrote Logo von vodacom durch das Gedränge der Leute am Straßenrand. Überdimensionale Schilder warnen vor Aids. Kleine Kinder mit noch kleineren an der Hand tragen ihre allerkleinsten Geschwister im Beutelchen auf dem Rücken. Mummies in bunte, wildgemusterte Tücher gehüllt haben bunte Hüte oder farbige Stoffe um den Kopf geschlungen und unterhalten sich. Sie tragen fast alle ebenfalls ein Baby in einem Tragetuch vor, neben sich oder auf dem Rücken. An den Brunnen herrscht reges Treiben. Meist noch recht kleine Kinder und Frauen pumpen wie wild Wasser und transportieren es in großen gelben oder blauen Kanistern auf dem Kopf balancierend in ihr Dorf. Ebenso werden riesige Bündel aus Brennholz, Gras, Zuckerrohr, Wäsche sowie Stühle, Rollkoffer und Werkzeuge transportiert.
Auch an den Flüssen herrscht Hochbetrieb. Kleidungsstücke werden im seichten Wasser gereinigt und zum Trocknen in den nahe am Fluss wachsenden Büschen ausgebreitet. Weiße Reiher sehen jungen Leuten, die sich den Staub abwaschen, beim Baden zu.
An einfachen Holzständen werden eingemachte Tomaten oder Gemüse mit der Aufschrift „Peri Peri“ verkauft. Es gibt Honig in kleinen Gläschen und immer wieder die Möglichkeit, aus den nett nebeneinander aufgereihten Plastikkanistern mithilfe eines Trichters und eines langen Schlauches seine Benzinvorräte aufzubessern.
Kleinbusse und Transporter blinken in nicht nachvollziehbarer Weise, stehen, rollen und wechseln die Fahrbahn nach ihren eigenen Regeln und sind mit einer Unmenge an Leuten und Gepäckstücken beladen. Auf den Ladeflächen und Sitzen stehen, quetschen, drängeln und klammern sich die Menschen dichtgedrängt. In jeder Ortschaft steigen einige ein oder aus. Bündel mit Obst, Gemüse, Wäsche und anderen Dingen werden hinauf- und hinuntergereicht, Türen, Möbel und Balken auf den Dächern der Fahrzeuge festgeschnallt und den Fahrern gleich noch ein paar Orangen als Wegzehrung angeboten.
Mit großen Buschmessern befreien einige Arbeiter den Saum der Straße von zu hohem Gras, um die Sicht zu verbessern. Kleine Jungen laufen mit einem Stock einen Reifen vor sich hertreibend neben der Straße, andere schieben selbst gebastelte kleine Autos aus Draht und Dosen vor sich her. Ein junger Mann im Bayern München Trikot rollt drei große Autoreifen gleichzeitig nebeneinander über die Straße.
Hach, wie kann mancher nur behaupten, an einem Fahrtag durch Afrika würde man nichts erleben?
zum nächsten Tag