THEMA: Bettelnde Straßenkinder
19 Jan 2017 20:38 #459962
  • piscator
  • piscators Avatar
  • Beiträge: 1483
  • Dank erhalten: 788
  • piscator am 19 Jan 2017 20:38
  • piscators Avatar
Guten Abend!

@ Bike Africa: Hallo Wolfgang! Vollständige Zustimmung! Wir hatten in kleiner Runde dieses Thema auch in Werder und waren uns in dieser Hinsicht mehrheitlich einig. Gruß Reinhard

@ _Mathias_ : Bei den vielfach (immer noch) verbreiteten Empfehlungen hinsichtlich der Bonbons, Stifte etc. hast du völlig Recht.

@ Tadi: Auch Sweets , Bleistifte etc. sollten m.E. nur übergeben werden, wenn man einen echten Kontakt hatte, z.B. echte Gespräche mit den Eltern. Nach einem gebuchten Kurzaufenthalt im Himbadorf ist es wenig sinnvoll. ( s. Mathias)
Tipp: Greift euch beim nächsten Mal den Guide und bittet ihn, eure Fragen zu übersetzen. Dann kommt ihr ins Gespräch oder merkt, dass kein Interesse besteht. Dann könnt ihr die Kleinigkeiten an anderer Stelle wahrscheinlich sinnvoller verwenden. Wir haben es auf diese Weise bis zum Heiratsantrag für unsere Tochter gebracht und an anderer Stelle 20 Minuten Nachhilfe gegeben, als uns im Verlauf eines Gespräches die Schulhefte gezeigt wurden. Da waren Radiergummi und Stifte wirklich willkommen.

Es wäre jedenfalls oft besser, auf die Vernunft zu hören und nicht auf das Spenderherz. Das hat schon viel zerstört ( s. Mathias). Dann lieber die €s für ein Projekt einsetzen


Gruß Piscator
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
Folgende Benutzer bedankten sich: Pascalinah, buma, Logi
19 Jan 2017 20:43 #459964
  • BikeAfrica
  • BikeAfricas Avatar
  • Beiträge: 6776
  • Dank erhalten: 7050
  • BikeAfrica am 19 Jan 2017 20:43
  • BikeAfricas Avatar
Yoda911 schrieb:
Konsequent zu Ende gedacht heißt das aber z.B. auch, dass ich an einem Straßenstand oder auf einem (Kunst)handwerkermarkt kein Souvenir kaufen sollte, wenn dort Kids zusammen mit der Mutter oder evtl. sogar allein verkaufen - egal ob was Selbsthergestelltes oder eine Giraffe made in Taiwan. Denn auch dann fördere ich, dass sie ohne Schule 'arbeiten', statt zu lernen, richtig?!

... wenn sie alleine an einem Stand sind und verkaufen, dann gibt es auch noch eine Konstellation, an die man nicht gleich denkt, die aber in manchen afrikanischen Ländern relativ häufig ist - Waisenkinder. Aufgrund von AIDS sterben in Ländern wie Malawi und Swaziland viele Erwachsene weg und hinterlassen noch mehr Kinder. In Swaziland soll z.B. jeder zehnte Einwohner (nicht jedes zehnte Kind) ein AIDS-Waise sein. Da müssen vielleicht Zehnjährige alleine zurechtkommen und vielleicht noch zwei jüngere Geschwister mit versorgen. Die können gar nicht in die Schule gehen, sondern müssen ganz einfach irgendwie Geld verdienen zum Überleben.

In Lusaka (Zambia) habe ich Kinder im Grundschulalter gesehen, die sich in kleinen Gruppen alleine durchschlugen und in den Abwasserrohren unter großen Straßenkreuzungen lebten. Der Taxifahrer, der mich zum Flughafen fuhr, engagierte sich ehrenamtlich für diese Straßen-/Waisenkinder und hatte einen Ordner mit Fotos im Auto und erzählte ziemlich heftige Schicksale.

Pauschal von Kindern nichts kaufen ist leider auch nicht die Lösung. So einfach ist es leider nicht ...

Gruß
Wolfgang
Mit dem Fahrrad unterwegs in Namibia, Zambia, Zimbabwe, Malawi, Tanzania, Kenya, Uganda, Kamerun, Ghana, Guinea-Bissau, Senegal, Gambia, Sierra Leone, Rwanda, Südafrika, Eswatini (Swaziland), Jordanien, Thailand, Surinam, Französisch-Guyana, Alaska, Canada, Neuseeland, Europa ...
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
Folgende Benutzer bedankten sich: buma, Sasa
19 Jan 2017 21:15 #459967
  • WoMa
  • WoMas Avatar
  • WoMa am 19 Jan 2017 21:15
  • WoMas Avatar
Die Strassenkinder in Windhoek kommen wohl zum Teil aus Gobabis, zumindest die die sich in der Nähr des Hidascenters aufhalten. Sie wurden schon mehrfach zurück gebracht, kommen aber immer wieder. Ihre Eltern sind alkohol- und/oder drogenabhängig, und die Kinder überwiegend Schnüffler, also klebstoffsüchtig. Sie haben sich auf dem leeren Grundstück gegenüber Nandos häuslich niedergelassen - als ich das letzte Mal da vorbeifuhr, habe ich es mir bewusst angeguckt. So schlimm war es dort noch nie. Die Kinder schlafen dort im Freien, sie verursachen eine Menge Müll und sie werden tatsächlich aggressiv, wenn man ihnen kein Geld gibt. Besonders bei Frauen werden sie handgreiflich. Auf Facebook gibt es einige Berichte darüber.
Neulich haben sie wohl sogar einen der Carguards bei Andy's tätlich angegriffen.
Man hat schon versucht, sie in Heime uu stecken, aber das funktioniert halt nicht, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen.
Ganz allgemein möchte ich auch dringend davon abraten, Kindern wahllos Geschenke auszuteilen. Wir haben selbst schon erlebt, wie fordernd sie selbst in relativ abgelegenen Gegenden sein können. Das darf nicht gefördert werden. Damit wird nur die ohnehin schon vorhandene Erwartungsmentalität verstärkt.
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
21 Jan 2017 11:32 #460202
  • _Matthias_
  • _Matthias_s Avatar
  • Beiträge: 284
  • Dank erhalten: 277
  • _Matthias_ am 21 Jan 2017 11:32
  • _Matthias_s Avatar
BikeAfrica schrieb:
Pauschal von Kindern nichts kaufen ist leider auch nicht die Lösung. So einfach ist es leider nicht ...
Bei Kindern, die Sachen verkaufen, sehe ich das ganze relativ unproblematisch, wenn man ihnen etwas abkauft. Außer es wird da eindeutig versucht mit der "Niedlichkeit" zu punkten, was aber eher selten ist.
Kindern, die sich alleine durchschlagen müssen, würde ich auch etwas geben, aber bei einem bettelden Kind das zu beurteilen, kann ich nicht. Deswegen auch mein Vorschlag indirekt, über Hilfsprojekte was zu geben.
Was halt dar nicht geht, meiner Meinung nach, ist einfach irgendwelchen Kindern einfach so Süßigkeiten oder Stifte oder sonstwas, egal was, zu geben. An der Straße Richtung South Luangwa fällt das z.B. auf, da lassen die Kinder alles stehn und liegen und rennen zur Straße, wenn sie ein Auto hören. Dann wird zuerst gewunken, dann sweets! Sweets! Oder Pen! Pen! oder give me! gerufen und wenn sie nichts bekommen und grade ein passender in der Nähe liegt, fliegt dann auch schon mal ein Stein. An Straßen wo weniger oder diszipliniertere Touris vorbei kommen winken Kinder schon auch, aber da reicht es zurück zu winken um ein Lächeln zu bekommen und die winken auch nur, wenn sie gerade nicht beschäftigt sind.
Am allerschlimmsten war es in Ecudor an der Bahn zur Teufelsnase. Die Touris da waren einfach widerlich. Das ist eine Zugfahrt einen Pass hoch und wieder runter und man kann da im Wagon oder oben drauf mitfahren. Da kaufen die Touris dann Süßigkeiten und sobald ein Kind an der Strecke auftaucht wird es damit bombadiert. Das ist so schlimm das kleinere Kinder oft anfangen zu weinen. Die Kinder winken auch nichtmal mehr und essen auch nichts von den Süßigkeiten und ich vermute, dass die dann am nächsten Tag den nächsten Touris wieder verkauft werden. Ich fand das Verhalten der Touris da absolut beschämend und entwürdigend für die Leute an der Strecke. Ist jetzt schon einige Jahre her, das ich da war und ich hoffe das hat sich dort inzwischen geändert, war echt furchtbar und ich wäre dsa auch nicht mitgefahren hätte ich das vorher gewußt.
franzastische Reisen, Fotos und mehr - franzastisch.de
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
21 Jan 2017 12:05 #460212
  • Strelitzie
  • Strelitzies Avatar
  • Beiträge: 2709
  • Dank erhalten: 3326
  • Strelitzie am 21 Jan 2017 12:05
  • Strelitzies Avatar
Wir haben es besonders schlimm in Swaziland empfunden!
Sobald das Auto sichtbar wurde, kamen die Kinder angerannt, liefen neben, hinter dem Auto her.
Ganz schlimm haben wir es empfunden, als wir eine kurze Pause am Wegrand eingelegt hatten - weit ab vom Kral. Plötzlich kam ein Mädchen von weit her angerannt, klopfte an die Scheibe, wollte Sweets, Money... als sie nichts von uns bekam, meinte sie " hungry".
Wir gaben ihr eine Mandarine - sie blieb stehen. Wir waren ratlos- wie sollten wir uns verhalten. Letztlich fuhren wir weiter - mit sehr zwiespältigem Gefühl.
Ich halte dieses "Stifte, Süßigkeiten ..."-Verteilen, vielleicht noch mit einem Foto für's heimische Fotobuch, für eine schlimme Unsitte! Wem dient das.....?
Und habe es auch bisher weder in SA, NAM noch BOT so schlimm erlebt wie in Swaziland.
Nachdenkliche Grüße
Strelitzie
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
Folgende Benutzer bedankten sich: Logi
21 Jan 2017 12:30 #460219
  • Markus615
  • Markus615s Avatar
  • Beiträge: 1042
  • Dank erhalten: 1150
  • Markus615 am 21 Jan 2017 12:30
  • Markus615s Avatar
Hallo Petra,
Tadi schrieb:
Auch die Erwachsenen sollten kein Geld von mir erhalten (so der Plan). Ich habe Kekse, kleine Kuchen, Brot und /oder Wasser gegeben.

Jaein, bei Erwachsenen sehe ich das nicht so kritisch wie bei Kindern, da ist Situationsabhängig. In manchen Ländern stehen wirklich arme Leute vor den Kirchen und erhoffen sich ein Almosen. Auf den ersten Blick weiß man schon, dass diese Menschen nicht mehr arbeiten können (aufgrund des Altern oder einer Behinderung) und vom Staat nichts erwarten können. Da gebe ich auch Geld. In Namibia bekommt auch jeder von mir Wasser, wenn er danach fragt, solange ich selber noch genug habe. Ein Hilux hat aber kein Problem damit, wenn man 50 oder mehr Liter in Flaschen verpacktes Wasser mit nimmt. Für die Begegnungen mit einer Himbafamilie nehme ich noch 5 Liter Kanister mit. Die können sauberes Wasser definitiv gebrauchen!
Tadi schrieb:
Auf den Parkplätzen, wenn sie unser Fahrzeug (scheinbar) bewachten, habe ich dann doch ein wenig Kleingeld gegeben.

Warum "scheinbar"? Wenn jemand auf dem Parkplatz steht und nach den Autos schaut, dann ist die Wahrscheinlichkeit doch geringer, dass jemand einbricht. Meist bleibt aus Angst trotzdem immer jemand von uns am Auto. Wenigstens arbeitet der aber etwas und hat damit etwas für das Geld getan.
Tadi schrieb:
Auf der Tankstelle, wenn die Scheiben richtig sauber waren, auch.

Denen an der Tankstelle gebe ich regelmäßig zu viel... ;)
Leben und leben lassen. Ob ich einen Euro (ca. 15 N$) mehr oder weniger habe macht für mich einen viel kleineren Unterschied, wie für denjenigen der da in der Hitze an der Tankstelle steht. Derjenige der noch das Auto sauber macht, so dass ich mich beim späteren Entladen nicht so versaue, der bekommt dann auch mal 30 N$. Vor allem wenn er mit Druckluft statt Wasser arbeiten muss wegen der Wasserknappheit und die Dreckschicht schon relativ dick ist.
Tadi schrieb:
Im Restaurant bei guter Bedienung auch (für schlechtes Essen können sie ja nix) .

Wo findet man in Namibia schlechtes Essen? Kann mich nicht daran erinnern auch nur ein einziges Mal schlecht gegessen zu haben... und eine schlechte Bedienung hatten wir auch nie. 10% oder mehr des Rechnungsbetrags bekommt übrigens die Bedienung, alles andere ist geizig! Wenn eine Bedienung mal wirklich schlecht wäre, dann könnte man den Betrag etwas kürzen, aber gar nichts geben, dafür müsste die Bedienung allerdings auch gar nichts tun (also auch nicht bedienen). Ich weiß nicht ob die Bedienungen überhaupt mehr als "nur" Trinkgeld bekommen, ich glaube nicht! Mit betteln haben auch die drei letzten genannten Fälle nichts zu tun. Das nennt sich arbeiten! Wobei der Fall "Parkplatzwächter" grenzgängig ist, also kommt darauf an... ;)

Gruß Markus
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.