Ushuaia: Reise ans Ende der Welt
Nach einer denkbar kurzen Nacht bekommen wir in unserem Hotel sogar in aller Herrgottsfrühe ein kleines Frühstück und sind auch nicht alleine damit, denn viele Airlines bringen hier ihre Crews unter. Auch diese Abholung klappt wie alle auf dieser Reise reibungslos. Um 5.50 Uhr startet unsere Maschine vom nationalen Airport in Richtung Ushuaia, gegen 11.30 Uhr Ortszeit landen wir wohlbehalten am "Ende der Welt", das nicht zuletzt dafür bekannt ist, dass sich die Elemente häufig hemmungslos austoben.
Immerhin, bei unserer Ankunft ist es trocken und mit etwas Phantasie sogar sonnig. Der Temperatursturz beträgt dennoch nach dem sommerlich-heißen Buenos Aires rund satte 30 Grad! Die vielen kleinen Felseninseln im Beagle-Kanal erinnern an Skandinavien, die Umgebung ist rau, Berge, viel Wasser, Weite, Abgeschiedenheit. Die Stadt selbst hatte ich mir allerdings anders vorgestellt; kleiner, beschaulicher, malerischer. Eine romantische Vorstellung, zugegeben, denn natürlich ist die Stadt mit dem Tourismus mitgewachsen und längst keine idyllische Einöde mehr. Die Andenausläufer im Rücken und den imposanten Beagle-Kanal vor der Haustür, ist das "Setting" aber schlichtweg großartig.
Unser Hotel liegt etwas oberhalb der Stadt und eine Viertelstunde zu Fuß vom Zentrum entfernt an einem steilen Hang und ist schon wegen der Aussicht ein Volltreffer. Auch unser Zimmer gefällt uns auf Anhieb. Hell, freundlich und leicht beheizt - gemütlich. Und während sich Thomas glücklich mit Ladegeräten, Laptop und allem möglichen Zeugs am Schreibtisch breit macht, schlafe ich mir zwei Stunden lang endgültig die Reste der Erkältung weg.
Am Nachmittag nutzen wir die letzte Gelegenheit und kaufen in einem kleinen Kiosk Wasser und einige Kleinigkeiten für die nächsten Tage ein. Es ist Silvester, und alles macht dicht. Auch die Restaurants haben entweder geschlossen oder sind von Gesellschaften geblockt - wie das in unserem Hotel. Jetzt ist guter Rat teuer, denn gegessen haben wir an diesem Reisetag fast nichts. Meine Laune rutscht in den Keller und ich mache keinen Hehl aus meinem Unverständnis darüber, dass es nicht möglich sein soll, Hotelgästen wenigstens eine Kleinigkeit anzubieten. Nach einigem Palaver gibt es schließlich am frühen Abend (lang, bevor die Abendgesellschaft die Tische belagert) eine Pasta für mich und Fleisch für Thomas. Beides ist schlecht, aber wenigstens müssen wir nicht mit knurrendem Magen ins Bett. Wir versenden noch Silvestergrüße nach Deutschland, wo es bereits Mitternacht ist, dann holt uns der Jetlag ein. Den Jahreswechsel verbringen wir selig schlafend.
Am Morgen sind wir früh wach. Um 8 Uhr soll uns ein Mietwagen gebracht werden, den wir schon von Deutschland aus für einen Tag gebucht haben, um damit den Feuerland-Nationalpark zu erkunden. Wir hatten bei Buchung der Reise von unserer Agentur ein ganzes Paket mit Vorschlägen erhalten, welche Ausflüge sich an welchem Ort anbieten würden. Der Haken: Die Aktivitäten sind zwar allesamt hochattraktiv und in Reiseführer sowie Internet auch vielfach empfohlen, treiben jedoch in organisierter Form den ohnehin nicht gerade schlanken Reisepreis noch einmal wesentlich in die Höhe.
Am Ende haben wir vorab nur gebucht (was angeblich günstiger ist, ich habe es nicht überprüft), was wir nicht selbst bewerkstelligen konnten. Also Bootstouren, Pinguintouren, die ohne Guide gar nicht erst erlaubt sind oder auch Gletscher-Trekking (ebenfalls nur mit Guide). Alles andere haben wir in Eigenregie unternommen. Das war für uns eine sehr gute Lösung.
Kein Auto kommt um 8 Uhr, an der Hotelrezeption herrscht nicht nur Katerstimmung, sondern auch Ratlosigkeit. Wir gehen frühstücken, was sollen wir auch sonst tun, gegen Neun schlägt dann tatsächlich ein junger Mann mit verdächtig verstrubbeltem Haar auf - der Arme, er lag wahrscheinlich bis gerade noch im Silvesterkoma. Das Auto, ein schlichter Pkw, hat schon bessere Tage gesehen, wirkt aber fahrtüchtig. Wir bekommen den Schlüssel in die Hand gedrückt und einen Zettel nebst Adresse, wo wir den Wagen bis zum nächsten Mittag wieder abgeben sollen. Das war's. Sehr unbürokratisch das Ganze, sollten wir uns deshalb Sorgen machen? Wir lassen's.
Nur zwölf Kilometer sind es von Ushuaia in den Feuerland-Nationalpark, die Straße ist gut zu befahren, auch die Gravelroad im Park. So relativ früh am Neujahrsmorgen sind wir zunächst weit und breit die einzigen Menschen, es ist herrlich.
Wir fahren zunächst zum äußersten Punkt im Westen des Parks, an der malerischen Lapataia-Bucht parken wir und starten zu einer längeren, einsame Wanderung. Das Wetter spielt wunderbar mit, es ist sonnig, warm und windstill. Was letztlich dazu führt, dass wir immer wieder von den größten Mücken überfallen werden, die wir je gesehen haben. Na toll, unser eigens mitgebrachter Repellent liegt im Hotelzimmer, noch wohlverpackt. Und dabei wird es auch bleiben. Der Nationalpark Tierra del Fuego ist der einzige Ort, an dem wir den Mückenschutz benötigt hätten.
Wir genießen die herrliche Natur mit dem vielen Wasser, den knorrigen Bäumen, den üppigen Blumenwiesen und schneebedeckten Bergen. Auch an mehreren Biberdämmen kommen wir vorbei. Die Nager gehören eigentlich nicht hierher, sind einst wegen ihrer Felle eingeschleppt worden. Als sich herausstellte, dass sich das Fell im subarktischen Klima nicht so entwickelt wie gedacht, wurden die Tiere ihrem Schicksal überlassen. Mit fatalen Folgen für die Umwelt. Die Biber haben sich ungebremst vermehrt und sind seit Jahren eine ernste Gefahr für die Baumbestände und das Ökosystem. Und wie uns später ein Guide erzählt, hat niemand eine rechte Idee, wie das Problem gelöst werden kann.
Zurück am Parkplatz stellen wir fest, dass wir längst nicht mehr alleine sind. Kreuzfahrer, Feiertagsausflügler, Touristen, es ist einiges los. Doch schon wenige Meter jenseits der vielen schönen Aussichtspunkte haben wir die Natur weiterhin fast für uns.
Bild oben: Ein kleiner Trampelpfad führt am Ufer des Lago Roca entlang. Thomas hat sich trotz der frühlingshaften Temperaturen vermummt, um sich vor den Attacken der Mücken zu schützen - ohne Erfolg. Sie haben locker durch unserer Tücher durchgestochen und zwei Tage lang sahen wir im Gesicht aus, als hätten wir die Beulenpest.
Unser letzter Stopp des Tages ist das berühmte Postamt in der Bahia Ensenada.
Hier startet der Küstenwanderweg entlang des Beagle-Kanals. Die Natur ist überwältigend, der Ausblick auf die chilenischen Berge jenseits des Wassers spektakulär.
Es ist der Höhepunkt eines grandiosen Tages - und das Wetter hat auch mitgespielt.