Buenos Aires: 3 Tage im Paris Lateinamerikas
Der Flug nach Buenos Aires bleibt mir kaum in Erinnerung, was ich als gutes Zeichen deute. Allerdings gehe ich auch schwer angeschlagen an Bord und dämmere wohl überwiegend etwas lethargisch vor mich hin. Eine heftige Erkältung hat mich kurz zuvor schachmatt gesetzt, und während wir bei unserem Zwischenstopp im zugigen Terminal des Flughafens von Madrid auf stählernen, kalten Stühlen mit Lochmuster herumlungern, möchte ich nach wochenlanger Vorfreude ausgerechnet jetzt nirgendwo hin - außer in mein warmes Bett.
Die Warterei wird zur Tortur, bis ich endlich hundeelend und mit vom langen Sitzen eingestanzten Lochmuster am Hosenboden in den Flugzeugsitz von Iberia plumpse. Nachdem wir unseren Langstreckenflug, der diesen Namen auch wirklich verdient, endlich hinter uns gebracht haben und früh morgens am Zielort landen, fühle ich mich wenig überraschend kaum besser. Doch unsere Abholung klappt bestens, in Buenos Aires ist es sonnig und sommerlich heiß, das reicht, um meine Lebensgeister zumindest für den Moment wieder zu wecken.
Als wir die Lobby unseres Hotels betreten, werden wir schockgefroren. Ein Phänomen, das ich aus vielen Ländern kenne und das mich jedes Mal ärgert: Im Sommer wird weiter runtergekühlt als im Winter hochgeheizt. Ab sofort sind leichte Jacken und Tücher fester Bestandteil unseres Tagesrucksacks, und das erweist sich später auch noch für andere Zwecke als hilfreich. Auch beim morgendlichen Frühstück komme ich in den nächsten Tagen nicht auf Touren, es ist mir einfach zu kalt. Ansonsten ist an dem Hotel absolut nichts auszusetzen, aber auch nichts besonders hervorzuheben, mal abgesehen von der wunderbar zentralen Lage im eleganten Recoleta.
Als wir am Nachmittag durch das Viertel mit seinen hübschen kleinen Parks und prächtigen Fassaden streifen, wird uns schnell klar, warum Buenos Aires als Paris von Lateinamerika gilt. Allzuviel Tatendrang verspüren wir allerdings beide nach dem langen Flug nicht, und so besuchen wir den berühmten Friedhof La Recoleta, der ohnehin ganz in der Nähe ist. Auf dem Platz davor gibt es einige Cafes und Restaurants mit großen Freiluftterrassen, die in den nächsten Tagen immer wieder unsere Anlaufstelle werden. Eine entspannte Oase inmitten der pulsierenden Metropole.
Durch die frühe Ankunft haben wir praktisch drei volle Tage in Buenos Aires, hinzu kommen viel später noch einmal ein halber Tag und eine Übernachtung, bevor wir in die Atacama-Wüste fliegen. In der Nachbetrachtung hat das für mein Empfinden gereicht, um zumindest einen guten Eindruck von der Stadt zu bekommen.
Casa Rosada, der Präsidentensitz
Buchhandlung El Ateneo in einem ehemaligen Theater
Tango, Fußball, Kultur, großartige Steaks und pralles Leben: Klar, Klischees, doch sie stimmen alle - und das im besten Sinne. Sicher geht es auch sehr touristisch zu, doch das Flair stimmt für uns. Es dauert nicht lange, da summen wir die bekannten Tangomelodien, ohne es überhaupt zu merken.
Volkshelden
Und natürlich sucht Thomas nach dem besten Steak der Stadt. Er findet viele davon - im Gegensatz zu mir, was sich schlicht damit erklären lässt, dass ich Vegetarierin bin. Immerhin ist auch für mich immer etwas auf der Karte dabei.
Wir verzichten bewusst auf die oft rein touristischen und dazu noch sauteuren Tangoshows, und auch um die langen Schlangen vor dem berühmten Cafe Tortoni machen wir einen großen Bogen. Tango findet sich hier sowieso an fast jeder Ecke, vor allem in den alten Stadtvierteln La Boca und San Telmo. Natürlich sind auch dort die Touristen der Hauptadressat der Street-Dancer, dennoch gefallen uns Stimmung und Ambiente sehr.
Was ich besonders an Buenos Aires mag: Jedes Viertel hat ein eigenes Gesicht.
Bunt, aber arm: La Boca
La Bombonera, Heimatstadion der legendären Boca Juniors
San Telmo, geprägt durch Altbauten. Viele Gebäude stehen unter Denkmalschutz.
Der Hop-on-hop-off-Bus ist oft, aber nicht immer eine gute Fortbewegungsmöglichkeit. Für Buenos Aires ist er perfekt. Nach einem Besuch des wunderschönen Teatro Colon hüpfen wir an Bord.
Und weil das Ticket 24 Stunden lang gültig ist, nutzen wir es am nächsten Vormittag gleich nochmal. Allerdings hat wohl jemand bei der Konstruktion das Dach vergessen - bei weit über 30 Grad werden wir fast eingeschmolzen. Die mitgebrachten Tücher sollten uns eigentlich vor den Klimaanlagen und ihren Folgen schützen. Nun bewahren sie uns davor, dass wir auf den Schalensitzen festpappen oder gar wegschwimmen.
Als mein persönlicher Favorit entpuppt sich das kreative Viertel Palermo im Nordosten der Stadt. Restaurants, Cafes, Bars, Designlädchen, hier ist Buenos Aires jung. Viele Monde sind vergangen, seit ich mir die Nächte um die Ohren gehauen habe. Dennoch fühlen wir uns wohl, und als sich abends ganze Straßenzüge in eine einzige Open-Air-Bar verwandeln, bleiben wir auf spontane Einladung eines Club-Besitzers noch auf eine Cola und ein Bier. Wir kommen ins Quatschen (auf Englisch) und er schwärmt dermaßen von der Natur Patagoniens, dass wir uns noch mehr darauf freuen als ohnehin schon. Am Morgen nach dieser herzerfrischenden Begegnung geht es für uns weiter nach Feuerland. Und weil wir ganz früh raus müssen, ist für uns die Straßenparty beendet, bevor sie für die jüngeren Semester überhaupt richtig begonnen hat.