28.07.12 Ein Tag auf offener See
Das Wasser vor dem Bug und unter unserem Kiel schlägt hart wie Stein an unser Boot. "Endlich tut sich mal was unter unserem Hintern!" finden unsere Kinder. Ja, heute fahren wir mit einem richtigen "Flitzer", einem starken Motorboot raus, hinter das Riff auf's offene Meer. Die Haare der Frauen fliegen durch den Wind und ich halte mein Cap mit der einen Hand fest. Die andere brauche ich für den Fotoapparat und irgendwie müsste ich mich doch auch noch an die Sitzbank klammern. Die rasante Motorbootsfahrt haben wir an einem der Vortage gebucht, sie soll uns zum Horizont bringen, hinaus zu den grössten Meeresbewohner: den Walen.
Jetzt im Juli und August tummeln sich die Meeressäuger in der Strasse von Mosambik und in den tropischen Gewässer rund um die madagassische Insel. Hier kalben sie und ziehen während des antarktischen Winters ihre Jungen auf, bevor sie wieder die lange Wanderung gegen den Südpol antreten. Naja... ich schaue der Sache noch etwas skeptisch entgegen, denn noch nie hatte ich auf meinen Touren das Vergnügen einen lebenden Wal zu beobachten. Entweder war ich zum falschen Zeitpunkt zugegen oder aber, die Tiere hatten grad keinen Bock drauf, mich kennen zu lernen. Diesmal soll aber alles ganz anders werden, versicherte uns der Geschäftsführer des Walwatching-Anbieters, sonst würden uns allenfalls die Kosten zurückerstattet.
Das offene Motorboot nimmt Fahrt weg und gleitet nur noch leise und sachte durch die Wellen, wir sind am "Horizont", am Ort des angekündigten Spektakels. Doch ringsum ist es vorderhand noch ruhig und es tut sich nichts. Angespannt schauen wir alle in jede nur mögliche Himmelsrichtung, wo bläst wohl der erste ab? ...Da plötzlich, das Wasser unter unserem Boot wird ganz glatt und ruhig, ein zusammengetriebener, riesiger Fischschwarm aus kleinen und kleinsten Fischen umgibt das Boot.... wenn da bloss jetzt nur kein Riese auftaucht! Irgendwie ist mir "Moby Dick", der alte Kinostreifen mit Gregory Peck allgegenwärtig... "bitte bloss nicht jetzt und hier!" .... Phuuu, Fehlalarm... da springt kein Wal.... war das nun Glück, ...oder doch eher Pech?
Ringsum nichts als Wasser und unter uns, irgendwo da unten die Wale. Da kommst du dir so richtig munzigklein vor. "Daaa! da drüben!" Bestimmt fast einen halben Kilometer entfernt erblicken wir die Fontäne eines ausblasenden Wals. Jetzt gibt unser Seemann aber Gas. Schnell reisst er das Steuer rum und ab geht's in die angegebene Richtung. Tatsächlich, da atmet, schwimmt und taucht ein Buckelwal. Unser erster Buckelwal! Imposant steigt sein Rückgrat aus dem Wasser, er schnaubt die Atemluft aus den Blaslöcher hoch, zeigt einen "Buckel" und taucht wieder ab, um gleich wieder aufzusteigen und einzuatmen. Wir dürfen höchstens bis an einen Umkreis von 100 Meter an das Tier heran, vorne und hinten muss sein Weg frei bleiben. Der Buckelwal ist ein relativ "kleiner" Bartenwal, er erreicht höchstens eine Länge von 18 Meter und wird zwischen 25 und 35 Tonnen schwer. Reicht wohl allemal aus, unser kleines Boot zu versenken. So schnell wir den Wal gesichtet haben, so schnell verschwindet er auch wieder in den Tiefen der See. Unsere Nussschale schaukelt einsam und verlassen vor sich hin.
Doch jetzt geht's Schlag auf Schlag: "Dort drüben, ein Wal", "hier bläst er", "da springt einer", und jedes mal fliegen die Arme und Hände in die Richtung der entdeckten "Objekte unserer Begierde". Ganze Walgruppen tauchen auf, spielen, drehen und tummeln sich im Wasser. Und wenn die Zeit gekommen ist, zeigen sie uns ihre Schwanzflossen und tauchen weg. Unsere kleinen "Smart-digi-cams" laufen heiss, meist mit Serienbildaufnahmen. Es ist einfach ein grossartiges Schauspiel.
Nach gut vier Stunden See- und "Walfahrt" wendet unser Bootsmann das Schiff und wir rauschen wieder dem schmalen, kaum sichtbaren Küstenstreifen entgegen. Ich habe mittlerweilen meine Meinung revidiert und gebe zu: Es gibt doch Wale im Meer, und man kann sie sogar besuchen.
Noch den ganzen Nachmittag verbringen wir am Meer, schlendern dem Strand entlang und sammeln eifrig Muscheln. Und als sich die Sonne dem Horizont nähert, steht sie unmittelbar über unseren Walen. Sie wird zu ihnen abtauchen und bei den sanften und friedlichen Giganten zum rechten sehen.