THEMA: Eine Reise wird zum Alptraum
01 Jun 2015 10:04 #386513
  • Erika
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  • Erika am 01 Jun 2015 10:04
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Severin Safari Camp, Tsavo West NP, Kenia - Arusha, Tansania, 21. Januar 2015
Habe schon wieder eine schlaflose Nacht hinter mir. Es ist nicht nur wegen der flatternden Fledermäuse und der bevorstehenden Fahrt nach Arusha, ich bin einfach zu unruhig, um zu schlafen und ich möchte endlich bei Toni sein.

Um sechs Uhr stehe ich auf und zwinge mich, ein wenig zu frühstücken. Ich muss etwas im Magen haben, da ich heute fit sein möchte. Dazu trinke ich eine ganze Kanne starken Kaffee.

Paul, mein Beifahrer, hilft mir, unser Fahrzeug so zu packen, dass bei Fahren nichts verrutscht. Tonis Packsystem hab ich glücklicherweise noch einigermaßen im Kopf.

Nachdem alle Rechnungen beglichen sind, verabschiede ich mich von all den lieben Menschen, die mir meinen Zwangsaufenthalt so angenehm wie möglich gestaltet haben. Ich bin unendlich dankbar für die grosse Hilfe und Unterstützung und kann gar nicht in Worte fassen, wie froh ich bin, bei ihnen gelandet zu sein. Sobald Toni wieder reisen kann, möchte ich mit ihm an diesen wunderbaren Ort zu diesen aussergewöhnlich lieben Menschen zurückkehren. Wir werden uns ganz bestimmt wiedersehen, versprochen.

Jürgen schärft Paul ein, dass er sich unterwegs mit mir unterhalten müsse. Paul nickt verlegen, so ganz geheuer scheint ihm seine Beifahrerrolle nicht zu sein :S .
Wahrscheinlich ist er noch nie von einer Frau chauffiert worden :) .

Kurz vor neun Uhr marschieren wir zum Fahrzeug.
Bevor ich einsteige, schau ich dem kleinen orangen Puch lange in die Augen, bzw. Scheinwerfer.
„Du musst dir heute ganz besonders Mühe geben, mein Freund, denn ich bin nun wirklich darauf angewiesen, dass du mich heil nach Arusha bringst“.
Irgendwie hab ich das Gefühl, dass er mir zuzwinkert, was mich sehr beruhigt. :cheer:

Anfänglich ist Paul noch etwas verspannt.
„Achtung Kurve. Achtung schmale Furt, langsam fahren, die Furt über den Fluss ist wirklich schmal!“ :S :lol:
Später wird die Landschaft offener und übersichtlicher, sodass sich Paul erleichtert zurücklehnt.
„Dieses Fahrzeug hat eine wunderbare Federung“, meint er anerkennend, während er genüsslich seine Cola schlürft :) .

Dann schweigen wir wieder, bis wir in eine Gegend kommen, wo es erst kürzlich stark geregnet haben muss und die Piste ziemlich verschwemmt ist. Paul meint, dass hier seit mehreren Tagen niemand mehr gefahren sei und dass es weiter westlich eine zweite Piste gebe, wo man wegen dem Black Cotton Soil um diese Jahreszeit wohl wochenlang unentdeckt stecken bleiben könnte.

Ja, ich bin froh um Paul, der mir den richtigen Weg weist und der bei Bedarf sogar fähig wäre, einen Reifen wechseln :silly: .

Nun gilt es noch, ein grosses Schlammloch zu durchqueren. Und während ich es konzentriert und souverän durchfahre B) , trompetet es nebenan :blink: , sodass ich mich fast zu Tode erschrecke :sick: . Paul macht grosse Augen und fragt mich, ob ich denn den grossen Elefantenbullen nicht gesehen hätte.
„Nein, hab ich nicht.“ :blush:

Etwas später galoppiert eine riesige Büffelherde über die Piste. Es sind so unglaublich viele Tiere, dass ich anhalten und warten muss, bis sie vorbei sind. Auch die zahlreichen Giraffen, Zebras, Dikdiks usw. interessieren mich nicht. Normalerweise würde mich ja der Anblick der vielen Tiere sehr verzücken, aber momentan hab ich nur ein Ziel, nämlich nach Arusha zu fahren und zwar heute noch. Deshalb bin ich auch froh, dass nun die Piste zum Gate hin wieder trockener und besser befahrbar ist.

Irgendwann kommt mir in den Sinn, dass ich heute trotz der schönen Motive noch gar kein Foto geschossen habe und da ich ja trotz der widrigen Umstände ein Fotoalbum vom unserer Reise machen möchte, frag ich Paul, ob ich von ihm ein Erinnerungsfoto machen dürfe.
Er willigt natürlich ein - es bleibt ihm ja auch gar nichts anderes übrig. :kiss:



Darf ich vorstellen? Mein Copilot Paul. :) :) :)



Und hier das letzte Stück der Piste vor dem Maktau Gate.

Die 65 km bis zum Maktau Gate schaffen wir in 1 ¾ Stunden. Kurz vor dem Gate lasse ich Paul ans Steuer. Er zeigt im Office mein Permit mit den Quittungen für die bezahlten Eintrittsgebühren vor und erzählt der Dame meine Leidensgeschichte und dass ich in meinem Zustand nicht Auto fahren könne :unsure: , weshalb er das für mich übernommen habe. Ich weiss ja nicht, was er ihr alles erzählt und ob er mich als alte, tatterige Tante hinstellt :whistle: , ist mir auch egal :huh: . Die Ranger in Mtito Andei hatten das so vorgeschlagen, damit mir die Gebühren fürs Fahrzeug geschenkt werden. Die Dame zeigt grosses Verständnis und bemitleidet mich sehr :blush: , was mir fast peinlich ist, da wir ja nun ein wenig geschummelt haben B) .

Weiter geht‘s. Bald darauf biegen wir rechts auf die Hauptpiste nach Taveta ab. Paul ist immer noch am Steuer und möchte es gar nicht mehr aus der Hand geben :angry: . Erst als er über eine Eisenstange fährt :evil: , weil er sie für einen Holzstock hält, und es unter dem Auto einen lauten Knall gibt :sick: , hält er erschrocken an. Gemeinsam schauen wir unter‘s Fahrzeug, aber es scheint alles in Ordnung zu sein :) .

So, nun bin ich wieder die Chefin :P . Vom Maktau Gate bis zur Grenzstation Taveta sind es noch 50 km auf löcheriger und staubiger Piste. Anfänglich ist der Verkehr noch sehr minim, nimmt jedoch zur Grenze hin mehr und mehr zu. Nun erteilt mir Paul Fahrunterricht :woohoo: . Ich müsse ganz langsam fahren und immer in die Seitenspiegel schauen und falls mich einer überhole müsse ich zur Seite fahren und ihn vorbei lassen. Zudem müsse ich auf die Motorradfahrer achten, das seien nämlich die Schlimmsten, da sie keine Ahnung davon hätten, wie lang und wie breit sie seien und dass ich auf jeden Fall schuldig sei :S , wenn einer in mich rein fahre. Paul schaut ganz verkrampft in den Seitenspiegel und rapportiert mir jedes hinter uns fahrende Fahrzeug mit Automarke und Farbe :laugh: .

Um 12 Uhr, nach drei Std. Fahrzeit ab dem Severin Camp erreichen wir Taveta. Paul besorgt mir für 2‘000 KS Safaricom Rubbelkarten, welche er leider nur in Einheiten von 100 KS kriegt, was heisst, dass ich zwanzig Mal rubbeln und Telefon aufladen muss :huh: . Dann zeigt er mir noch, wo ich Benzin kriege und wartet, bis ich aufgetankt habe.

Nun verabschiede ich mich von meinem Wegbegleiter, Fahrlehrer und Copiloten Paul, bezahle ihm den zuvor vereinbarten Betrag, den ich noch ein wenig aufrunde und schenke ihm etwas Telefonguthaben.

Da ich nicht sicher bin, ob ich in Tansania kenianische Telefonkarten aufladen kann, such ich mir noch vor der Grenzstation einen Parkplatz und rubble und rubble :evil: bei brütender Hitze an der prallen Sonne :evil: die kleinen Einheiten ab und lade auf und lade auf. Echt mühsam und zeitraubend das Ganze :( .
Natürlich rufe ich auch noch Toni an um ihm mitzuteilen, dass ich bereits an der Grenze sei und die Hälfte der Strecke bereits hinter mir habe :) :) :) .

Die Abwicklung am Kenia-Zoll geht echt entspannt und zügig voran. Strassengebühr wird nicht verlangt, die wäre eigentlich 40 U$ pro Monat gewesen, aber aufdrängen tu ich mich natürlich nicht :P .

Auf der Tansania-Seite muss ich einen Zettel ausfüllen, aber mein Visum ist immer noch gültig, da es jeweils für drei Monate ausgestellt wird. Der Customs-Mann erkennt mich wieder und fragt, wo denn mein Mann sei. Ich erzähl ihm Tonis Geschichte, was ihn aber nicht daran hindert, 25 U$ für die Strassengebühr zu verlangen (20 U$ + 5 U$ für irgendwas), aber natürlich alles mit Quittung.

Um 14 Uhr bin ich endlich durch. Nun haben der Puch und ich für die restliche Strecke bis Arusha nur noch Teerstrasse vor uns. Der Motor schnurrt zufrieden, wir zwei kommen gut voran :cheer: . Bald erreichen wir Moshi. Dann geht‘s am Flughafen entlang, wo ich bei einem Shoppingcenter anhalte und ein paar Nüsschen kaufe, da mein Magen langsam rebelliert. Ich bin hellwach und funktioniere prima :cheer: . Die zahlreichen Lastwagen, die sich mühsam nach Arusha hochquälen, überhole ich einen nach dem anderen :woohoo: . Meine Bedenken wegen dem höllischen Verkehr sind wie weggeblasen. Die können mich alle, ich hab‘s voll im Griff. Auch das übliche, zeitraubende Verkehrschaos durch Arusha beeindruckt mich überhaupt nicht. Ich fahre wie sie, quetsche mich überall rein und überhole links und rechts.

Kurz vor 17 Uhr erreiche ich endlich nach acht Stunden das Tor zur Farm meiner Gastgeber, welches von einem Sicherheitsmann geöffnet wird.
Ich fahre aufs Gelände…..und lande prompt vor dem falschen Haus :sick: . Jetzt hab ich doch zum Schluss noch nachgelassen :angry: ! Vor lauter Erleichterung, endlich am Ziel angekommen zu sein, fang ich an zu schlampen und lass mich gehen :dry: .
Schnell umdrehen, hoffentlich hat‘s niemand gesehen :blush: .



Schlussendlich finde ich dann doch noch das Gästehäuschen, wo ich von meiner Gastgeberin herzlich begrüsst werde. Sie hat mir ein paar Brötchen gestrichen :kiss: , da sie annimmt, dass ich nach der langen Fahrt fast am Verhungern sein muss.

Nun telefoniere ich mit Toni um ihm mitzuteilen, dass ich gut in Arusha angekommen sei.
Es tönt fast, wie wenn er vor Freude weint und auch ich muss ein paar Tränen der Erleichterung verdrücken :) .

Monas, der Angestellte, hilft mir beim Auto entladen und dann geh ich zu meinen Gastgebern rüber, da sie mich netterweise zum Essen eingeladen haben :) .

Anschliessend schreibe ich stundenlang E-Mails, skype mit Manja und trinke literweise Wasser.

Nach dem Duschen leg ich mich um 22 Uhr ins Bett.
Welch ein denkwürdiger Tag! Ein wenig stolz bin ich ja schon, dass ich das so gut gemeistert habe :silly: .

Nun muss ich nur noch so bald wie möglich ein Flugticket nach Nairobi kriegen. Toni, ich komme!!! :kiss: :woohoo: :cheer:


Gefahrene Kilometer: 249

Fortsetzung folgt…..
Meine Reiseberichte:
1971: Mit dem VW-Bus von Kapstadt bis Mombasa
www.namibia-forum.ch...ahren.html?start=120
2013: Durch den wilden Westen Tansanias (Am Anfang war die Hülle)
www.namibia-forum.ch...g-war-die-huelle.htm
2013: Nordmosambik, mal schön - mal hässlich + ein Stück Südtansania
www.namibia-forum.ch...n-mal-haesslich.html
2014: Auf bekannten und unbekannten Pfaden durch Tansania
www.namibia-forum.ch...-durch-tansania.html
2015: Eine Reise wird zum Alptraum/Kenia
www.namibia-forum.ch...rd-zum-alptraum.html
Letzte Änderung: 01 Jun 2015 10:22 von Erika.
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01 Jun 2015 10:42 #386520
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  • chamäleon2011 am 01 Jun 2015 10:42
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Liebe Erika,

ich bewundere Dich! Für ihre Lieben schaffen Frauen unglaubliche Dinge. :woohoo:

Übrigens, Hilfsbereitschaft bekommen meist die, die selber liebenswert und hilfsbereit sind. :kiss:

Viele Grüße
Karin
Würde sollte niemals ein Konjunktiv sein.

Namibia 2016: Infos zu Auto+Camps+die "Jahrhundertsichtung"
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01 Jun 2015 11:05 #386523
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  • JuRo am 01 Jun 2015 11:05
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Hallo Erika und Toni,


ich kenne euch zwar (noch) nicht, aber spontan habe ich dasselbe gedacht wie Karin.


Liebe Grüße

JuRo
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01 Jun 2015 13:34 #386544
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  • franzicke am 01 Jun 2015 13:34
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Erika schrieb
Nun telefoniere ich mit Toni um ihm mitzuteilen, dass ich gut in Arusha angekommen sei.
Es tönt fast, wie wenn er vor Freude weint und auch ich muss ein paar Tränen der Erleichterung verdrücken :) .
Das geht mir wirklich sogar beim Lesen so - ich bin ja so erleichtert, dass du gut durchgekommen bist!!! Herzlich Ingrid
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01 Jun 2015 13:39 #386545
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:) :) :) BRAVO Erika, hast Dich ganz toll geschlagen :) :) :)

Alles Liebe,

BMW
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01 Jun 2015 15:57 #386587
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  • helliulli am 01 Jun 2015 15:57
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hut ab, erika! das macht dir so schnell keiner nach!
lbg ulli :)
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