Im Reich der Wüstenelefanten
Die Wüstenelefanten haben wir bislang fast schon sträflich vernachlässigt. Elefanten sind schließlich Elefanten. Dachte ich. Sicher, es gibt asiatische und afrikanische Exemplare, bei denen sogar mir die Unterscheidung auf den ersten Blick gelingt. Doch Wüstenelefanten - so mein Kenntnisstand - bilden eigentlich keine eigene Art, sondern haben sich an ihre entbehrungsreiche Umgebung angepasst und im Zuge dessen über Generationen bestimmte Merkmale entwickelt. Ein bisschen schlanker, die Füße größer - spannend, na klar. Und natürlich lieben wir Elefanten (wer nicht?). Aber der Anblick der Tiere in den Nationalparks hat uns bislang genügt. Ist ja praktisch kein Unterschied. So unsere Annahme. Naive Stadtkinder, die wir eben sind.
So schön unser Domizil im Mowani Mountain Camp ist, wir müssen es früh verlassen. Mit gepackten Taschen, die wir bei der Rezeption zwischenlagern, denn die Tour kann etwas länger dauern, je nachdem, wo sich die Elefanten aufhalten. Außer uns sitzen noch zwei Niederländer im Jeep, in den wir nach einem schnellen Tee und Kaffee klettern. Schon kurz nach Sonnenaufgang sind wir unterwegs.
Rosy, unser Driverguide und ein echtes Original, hat schon am Vortag auf einen frühen Start gedrängt. Sie hat keinen Bock auf andere Autos und will deshalb die Erste sein. Da haben wir schon mal was gemeinsam!
Nur ein einziger anderer Wagen ist weit und breit zu sehen, Rosy hängt ihren Kollegen vom benachbarten Camp Kipwe locker ab. Am Vortag hat sie einige Kilometer hinter ihm festgehangen und jede Menge Staub geschluckt, oh nein - sie wiederholt es mehrfach-, das hat ihr nicht gefallen! Wir fliegen über das Wellblech bei Twyfelfontein und werden ganz schön durchgerüttelt.
Unser Ziel ist das Aba-Huab-Tal, die Gegend wird immer einsamer, karger, weiter. Bei uns in aller Regel am Steuer, gefalle ich mir in der Rolle des Beifahrers und lasse mir den Fahrtwind genüsslich um die Ohren wehen.
Es ist noch frisch, doch die Hitze des Tages lässt sich schon erahnen.
Bei einer winzigen Siedlung mit einfachen Hütten verteilt Rosy Essen und Überbleibsel aus der Lodge. Viel haben die Menschen hier nicht. Magere Rinder, ein großer Brunnen, vor allem Staub. Ich bin ratlos, wie die Farmer überhaupt zurechtkommen können, und auch ein wenig beschämt bei dem Gedanken an all den Luxus, der uns in unserer Welt gewöhnlich umgibt.
Furchtlos, edel und gut, mein Ritter heißt an diesem Tag Rosy. Die Natur, die Unabhängigkeit weit weg von der Routine der Lodge, das ist ihr Ding. Ihr Enthusiasmus ist ansteckend, ihr Engagement einmalig. Sie freut sich, uns Dinge zu zeigen, schwärmt unterwegs vom "besten Aussichtspunkt der Welt". Wir denken, sie übertreibt. Doch ganz unrecht hat sie nicht.
Die einsame Landschaft haut mich um: ursprünglich, unberührt, unwirtlich.
Unser erster größerer Fund: Giraffen. Sie machen sich in diesem Setting ausgesprochen gut.
Dann taucht Rosy ab. Hängt kopfüber aus der Fahrertür, die Nase im Sand. Einhändig und mit Blick auf den Boden steuert sie im Zickzack durch das weiche Bett des Huab. Die andere Hand deutet auf riesige Fußspuren und Elefantendung, die Ergebnisse ihrer Ermittlungen überliefert sie ohne Punkt und Komma, allerdings nicht immer leicht verständlich, so tief ist ihr Kopf gebeugt. Frei übersetzt sagt sie in loser Reihenfolge etwa das:
"Eineristhierruntergekommenundistdalanggegangenwoisserdennhinmalssehenahadasindnochzweiaberdannwiederhierhochnureineristzurückgekommenundgeradeausgegangendanachnachrechtsneinnachlinksaberjetztisserwiederwegaberderdungistfrisch..."
Das ist ziemlich lustig und auch spannend, vor allem aber von Erfolg gekrönt. Ein dickes graues Hinterteil lugt aus der Uferböschung, Rosys Redeschwall versiegt - wir sind da!
Ein Elefant kommt selten allein, immer mehr Tiere tauchen im Flussbett auf, in dem das Wasser auch bei großer Trockenheit unterirdisch fließt.
Es ist ein tolles Bild, diese gigantischen Überlebenskünstler inmitten der herrlichen, aber auch gnadenlosen Umgebung, und traumhaft friedlich.
Vor mehr als 100 Jahren hatten Großwildjäger die Tiere im Damaraland praktisch ausgerottet. Erst Mitte der 1990er-Jahre kehrten sie zurück.
Wir suchen uns ein schattiges Plätzchen und steigen aus, es gibt Tee, Kaffee und Sandwiches. Rosy mahnt uns eindringlich, die Elefanten im Blick zu behalten und uns ihnen keinesfalls zu nähern.
Ich bin immer wieder erstaunt, wie lautlos sich diese Kolosse bewegen, sie wandern von Baum zu Baum, scheinen uns als vorübergehende Nachbarn jedoch zu akzeptieren.
Die Zeit verfliegt, ich könnte ewig bleiben. Doch Rosys Timing ist perfekt, auf dem Weg zurück begegnen uns einige Autos. Auf sandigen Pisten cruisen wir gemütlich und in großen Schleifen durch eine pastellfarbene Dünenlandschaft, schon wieder bin ich frisch verliebt.
Mittags sind wir zurück im Mowani Mountain, dankbar verabschieden wir uns schließlich nach einem späten Brunch von der Lodge und von Rosy, die uns ganz besondere Momente in einer einzigartigen Umgebung beschert hat.
Wieder selbst am Steuer, rollen wir auf rumpliger Strecke an Twyfelfontein vorbei zur einzigen Tankstelle weit und breit. Die einsame Zapfsäule im gefühlten Nichts gehört zur Twyfelfontein Country Lodge und schließlich finden wir in einer kleinen Werkstatt auch jemanden, der sie für uns entsperrt.
Nur rund 125 Kilometer sind es bis zu unserem nächsten Ziel. Selbst auf dieser kurzen Strecke ändert die Landschaft, die uns an den Südwesten der USA erinnert, wieder völlig ihr Gesicht. Einfach toll, was für eine Bandbreite wir auf dieser Reise geboten bekommen.
Die Schotterstraßen C39 und C43 sind gut zu fahren, die Gegend mit ihren Tafelbergen ist ausgesprochen schön.
Für die letzten Kilometer biegen wir nach rechts auf die etwas ruppigere C40 in Richtung Kamanjab ab und stehen schließlich unten an der Zufahrt zur Grootberg Lodge. Die ist zwar machbar, aber ziemlich steil und schmal, und da wir den Wagen oben auf dem Plateau ohnehin nicht brauchen können, lassen wir ihn unten auf dem Parkplatz zurück. Per Shuttle geht es hinauf.
Seit Jahren wollte ich zur Grootberg Lodge und den Blick vom Etendeka Plateau hinunter in den Canyon mit eigenen Augen sehen. Aus gutem Grund. Von der Lodge-Terrasse, vom Pool, vom Bett, vom Balkon, sogar aus der Dusche: Die Aussicht ist atemberaubend!