Liebe Freunde,
der fünfte Teil meines Safarireports wendet sich der sturmumtosten Atlantikküste zu.
Wir stehen früh auf, denn ein langer Weg erwartet uns. Wir wollen nach Westen und uns an die Küste durchkämpfen. Sollen wir das Frühstück ausfallen lassen, um die beste Zeit des Tages zur Straßenbeobachtung nutzen? Welche seltenen Gefährte werden wir sehen?
Immer nach Wester führt der Weg. Schnurgerade. Immer geradeaus...... gähn......
Die Monotonie der Wüstenstraße wird unterbrochen durch den Hinweis “Vorsicht! Wildpferde!“.Was bedeutet das? Sind wir gefährdet? Wir trotzen der Gefahrenwarnung und folgen der einsamen Pad zu dem legendären Wasserloch Garub, an dem sich die von Julius Cäsar in Ägypten (oder so ähnlich) ausgesetzten Pferde zusammengefunden haben. Vorsichtig nähern wir uns den am Horizont sichtbaren dunklen Schemen in der Wüste. Da! Tatsächlich! Da sind sie, die legendären Steppentiere. Scheu. Wild. Fast unauffindbar.
Tapfere Wildhüter haben einen „Hide“ errichtet, einen getarnten Unterstand in dem man sich ungefährdet und gut getarnt der Beobachtung hingeben kann.
Doch was ist das? Zahlreiche Pferde umlagern den Hide. Sollen wir umkehren? Dürfen wir das Fahrzeug nicht verlassen? Sollen wir schnell von der sicheren Blechhülle unseres Geländefahrzeugs in den hölzernen Schutz des Hide wechseln? Wir entschließen uns zu letzterem. Ob das eine gute Wahl war? Die wilden Pferde rücken immer näher. Was können wir zu unserem Schutz tun? Einzelne Schnauzen recken sich in das Holzgeviert. Wir drängen uns in der Mitte zusammen. Wir fühlen uns bedrängt. Alle unsere Erfahrung mit der vorhersehbaren Reaktion von Löwen, Leoparden, Elefanten und Büffeln versagt kläglich, als wir uns diesen wirklich wilden Tieren stellen müssen.
Auch Strauße und die wilden Gemsböcke mischen sich unter die Pferde, wagen sich aber nicht so nahe an uns heran wie die Pferde. Immer näher rücken die Tiere.....
Doch die Rettung naht! Einer der legendären grünen SWA-Safaribusse schlägt sich zu unserer Rettung durch. Seinem schützenden Stahlleib entquellen die zahlreichen Insassen mit Tüten in der Hand, deren Inhalt sie den bedrohlich zusammenrückenden Pferden als von uns ablenkendes Futter anbieten. Wir sind gerettet! Der tapfere Einsatz der SWA-Gruppe ermöglicht uns die Flucht in das schützende Innere unseres 6Zylinders.
Und weiter geht die Pad nach Westen. Jetzt erwarten uns die gefürchteten Sandstürme der Namib, die den Lack vom Blech unseres Fahrzeug schmirgeln können, die messerscharfen Sicheldünen, die das Oberteil unseres Autos abschneiden könnten und die klammen Temperaturen der abweisenden Atlantikküste, vor denen man uns gewarnt hatte, auf die wir aber kleidungstechnisch gut vorbereit sind. In (noch) sicherer Entfernung legen wir unsere Jack Wolfskin Spezialanzüge an, die Windstärken bis 10 und Minusgraden bis –40 Grad trotzen können.
Solcherart gut gerüstet dringen wir in die kleine Stadt vor. Die alte Karte zeigt uns einen Beherbergungsbetrieb in der Nähe des Hafens an. „Zum Sperrgebiet“, das klingt Vertrauen erweckend, denn die zahlreichen Einheimischen wecken unser Misstrauen. Am kritischsten betrachten wir die im dunklen Anzug gekleideten, goldrandbebrillten und Rolex-tragenden Banken-Hilfskräfte, die die ATM-Automaten umlagern. Nur aus dem Auto wagen wir einige schnelle Schnappschüsse. Natürlich bei geschlossenen Scheiben. Alles andere wäre zu gefährlich.
Im der Herberge erwägen wir einen Kleidungswechsel. Es hat 25 Grad und es ist windstill. Unser Sohn hat einen Hitzekollaps erlitten. Sollten wir die Kleidung wechseln? Wir entschließen uns, die für Lüderitz geeignete leichte Sommerbekleidung zu wählen: Einen Südwester für den Kopf und einen leichten gelben Friesennerz, denn jederzeit kann der gefürchtete Regen und der Sturm kommen. Wir wollen zum berühmten Goerke-Haus.
Aber Herr Goerke ist nicht zuhause. Enttäuscht gehen wir zurück zur bescheidenen Gaststube und ordern unser Abendessen. Verzweifelt suchen wir die Karte nach „Game“ ab. Kein Erfolg. Wir müssen uns die hartschaligen, panzerbewehrten Meerestiere antun, die in den Tiefen des Meeres vor Lüderitz ihr Unwesen treiben. Nicht einmal den „Weissen Hai“ gibt es auf der Fischkarte, obwohl der an diesen Küsten so zahlreich sein soll wie Bismarckheringe. Unser großes Reisevorbild hat ihn sogar bei einem seiner Ausflüge zu den Guanoinseln vor der Küste selbst mit einer in eine Plastiktüte eingewickelten Kamera und nur mit einer Badehose bekleidet, selbst fotografiert.
Am nächsten Morgen brechen wir früh auf, um zu der angeblich von Geistern heimgesuchten Diamantenstadt Kolmanskop vorzudringen. Und tatsächlich: Wir finden die legendäre Stadt in der weiten Wüste.
Doch welche Enttäuschung! Was hatten wir uns alles versprochen.... Die Siedlung ist eine einzige Enttäuschung. Der Sand verschlingt einige Häuser. Na und? Wir kommen aus Baden-Württemberg und wissen sehr gut, was passieren kann, wenn der Hauseigentümer nicht eindrücklich auf der Kehrwoche besteht!
Das scheint auch hier der Fall gewesen zu sein. Ein paar Wochen nicht gekehrt, dann passiert so etwas halt. Kein Wunder, dass die Siedlung wieder verlassen werden musste. Eine völlig überschätzte Destination. Enttäuscht wenden wir unser Expeditionsfahrzeug gen Westen und steuern die Tirasberge an.
Aber das ist wieder eine andere Geschichte.
Aus dem wilden Süden
Gruß
Wolfgang