Eine Landschaft aus Feuer und Eis
Wer in Island nach den Wetteraussichten fragt, bekommt eine detailgenaue Auskunft über Wind. Die Frage, ob wohl die Sonne scheinen wird - für uns in aller Regel die zentrale Auskunft - ist kaum von Belang. Der Wind ist auf Island eine Urgewalt, kann Fahrverbote für Wohnmobile mit sich bringen, Türen bei unbedachtem Parken aus den Angeln heben (die Nase in den Wind!) und das Leben vorübergehend stilllegen. Die Temperatur hängt daran und auch die Frage, ob bestimmte Pisten zu befahren, gebuchte Aktivitäten durchzuführen sind. Er spielt also auch für Touristen eine wesentliche Rolle.
Wir lassen Pakgil und das Schlüssel-Drama hinter uns und sind zurück auf der Ringstraße. Die Landschaft zu beiden Seiten ist spektakulär, die isländische Südküste zu Recht berühmt. Traumhafte Wasserfälle, Fjorde, Gletscher, Lagunen und Strände voller Eis,...
...es lohnt sich, entsprechend Zeit einzuplanen und auch eine Portion Geduld, denn die Dichte an Attraktionen zieht zwangsläufig eine Dichte an Menschen mit sich. Das war einer der Gründe, weshalb wir im vergangenen Jahr den Fjadrargljufur Canyon ausgelassen haben. Er liegt ein wenig abseits der Ringstraße kurz vor dem Ort Kirkjubaejarklaustur, dessen Name klingt, als sei jemand mit dem Kopf auf die Tastatur geknallt. Er befindet sich damit in guter Gesellschaft und wohl nur die Isländer selbst sind in der Lage, die vielen -Fells, -Fosse und -Jökulls unfallfrei auszusprechen.
Der wunderbare Canyon ist in den vergangenen Jahren immer populärer geworden und erst recht, seit sich Justin Bieber in einem Musikvideo nur im Schlüpper im eiskalten Fluss räkelte. Fjadrargljufur mutierte zum Pilgerort und musste sogar vorübergehend geschlossen werden, um der malträtierten Natur eine Auszeit zu gönnen. Die Spuren auf den zahlreichen natürlichen Aussichtspunkten mit Blick hinunter in die steile Schlucht sind indes noch immer sichtbar, die Vorsprünge nun dauerhaft durch ein Seil gesperrt. Das ist auf der einen Seite schade, aber auf der anderen eine nachvollziehbare Notwendigkeit.
Einsam ist es am Canyon auch in diesem speziellen Jahr nicht, aber ohne Reisebusse dennoch friedlich. Wir verschaffen uns einen ersten Eindruck von der 2 Kilometer langen und bis zu 100 Meter tiefen Schlucht und wollen am nächsten Tag noch einmal wiederkommen, denn ein Sturm hat Fahrt aufgenommen und pustet uns fast vom Canyonrand, das ist kein Spaß und bestimmt auch gefährlich.
Der Wind rüttelt unterwegs am Auto, und der 80 m hohe Foss a Sidu fällt nicht hinunter, sondern quer.
Foss a Sidu 2019...
...und 2020
Weiter geht es auf der Ringstraße durch atemberaubende Landschaften, immer gen Osten.
Der Lomagnupur, eine gewaltige, rund 770 m hohe Landmarke, die dem Monument Valley entsprungen sein könnte.
Fossalar direkt an der Ringstraße
Meine Begeisterung ist auch beim zweiten Mal ungebrochen, und ich werde diese Strecke wahrscheinlich nie müde.
Unterwegs 2019...
...und 2020
Wir fahren entlang am riesigen Skaftareldahraun Lavafeld (noch so ein Name
), Ende des 18. Jahrhunderts zerstörte die Lava Bauernhöfe und löste eine große Hungersnot aus. Heute ist sie von einem dicken Moosteppich bedeckt, der federweich ist, aber auch hochempfindlich und streng geschützt.
An einem Aussichtspunkt neben der Ringstraße halten wir, Wind hin oder her, markierte Pfade führen durch die verwunschene Gegend und in der Ferne leuchten schon die Ausläufer des Vatnajökull, des größten Gletschers Europas.
Immer näher rücken die weißen Wände, fast, als würde man in sie hineinrauschen, doch dann macht die Ringstraße einen scharfen Rechtsknick.
Links liegt die Zufahrt zum Skaftafell-Nationalpark, eine riesige grüne Oase und ein Paradies für Wanderer.
Im vergangenen Jahr waren wir hier beim Svartifoss, einem von schwarzen Basaltsäulen umgebenen Wasserfall,...
...und blickten von einem Plateau auf Gletscherzungen und Bergspitzen.
Ich war seinerzeit allerdings etwas abgelenkt, denn der Wind peitschte so heftig, dass ich schließlich kapituliert und mich auf den Boden gekauert habe. Ich kam einfach nicht mehr dagegen an und trieb unkontrolliert auf die Kante zu.
So einen Wind hatte ich erst einmal erlebt, das war in den Bergen Patagoniens.
Diesmal lassen wir Skaftafell links liegen, der Tag war anstrengend und wir freuen uns aufs Hotel. Ein letzter Stopp an der fotogenen Hofskirkja, einer der wenigen noch verbliebenen Torfkirchen,...
...dann sind wir da. Das Fosshotel Glacier Lagoon hat uns 2019 besonders gut gefallen. Diesmal blicken wir allerdings nicht aufs Meer, sondern nach hinten auf den Parkplatz, was natürlich eine Frage des Preises ist, und so richtig makellos sind die Möbel auch nicht mehr. Dennoch fühlen wir uns wohl und die Lage ist ohnehin unschlagbar. Direkt gegenüber startet eine Puffin-Tour nach Ingolfshöfdi, im vergangenen Jahr war sie leider wegen orkanartiger Böen ausgefallen und sie soll sehr empfehlenswert sein. Diesmal verzichten wir freiwillig, denn die Gletscher im Westen und die Gletscherlagune im Osten in Reichweite - wir wollen tief eintauchen in diese Landschaft aus Eis, auf die wir uns so sehr gefreut haben.