Diamantenfieber
James Bond, Lara Croft und ich haben etwas gemeinsam: Wir alle sind schon über das eisige Wasser der Jökulsarlon Gletscherlagune gedüst. 007, der alte Angeber, in einem Auto, was nur ging, weil der See zugefroren war. Superwoman Lara in einem Amphibien-Fahrzeug, was ich persönlich enttäuschend finde, und Thomas und ich in einem Zodiac, das wir dem Croftschen Fortbewegungsmittel vorgezogen haben, weil es wendiger ist und näher an die Gletscherkante herankommt - wenn auch nicht zu nah, denn es brechen regelmäßig Eisbrocken ab.
Jökulsarlon 2019
Diese nicht unerhebliche Tatsache führt zu einem weiteren Wunder: Die farbenfrohen Eisberge treiben erst munter auf der Lagune, schmelzen langsam und driften dann durch einen schmalen Zugang aufs Meer hinaus.
Dort spült der Atlantik sie schließlich im Rücken der Lagune auf den Vulkanstrand, wo sie im schwarzen Sand wie Diamanten funkeln. So kam der Strand zu seinem Spitznamen "Diamond Beach", und nicht nur Fotografen verfallen regelmäßig dem Diamantenfieber.
Tausende Jahre altes Eis am Diamond Beach
Die beiden Attraktionen stehen zu Recht in der Gunst der Touristen ganz weit oben. Wir frühstücken so früh wie möglich und steuern danach zuerst den Diamond Beach an, der bis auf einige weit entfernte Robben vollkommen verwaist ist. 2019 hatte uns der Strand absolut umgehauen - und wir waren damit nicht alleine. Ganze Busladungen ergossen sich auf den schwarzen Sand, Eisberge wurden geherzt, erklettert und geküsst, und wir waren ehrlicherweise nicht nur begeistert, sondern auch manchmal genervt.
Diesmal ist es deutlich ruhiger und das bleibt auch so, weil keine großen Gruppen unterwegs sind. Tipp für hoffentlich bald wieder Corona-freie Zeiten: Möglichst früh da sein, bei blauem Himmel sogar bei Sonnenaufgang, weil das Eis im Gegenlicht golden glüht, und möglichst weit nach hinten durchgehen, weil der Strand dort nicht mehr überwiegend aus Kieseln, sondern aus schwarzem Sand besteht.
Lange sind wir alleine, und als nach und nach andere Besucher auftauchen, gehen wir noch ein Stück weiter. Das Eis wird weniger, doch der Strand ist wunderschön und als schließlich sogar die Sonne durchkommt, ist mein Glück perfekt.
Über zweieinhalb Stunden verbringen wir an diesem einzigartigen Ort, dann fahren wir das kurze Stück über die Brücke zur Lagune.
Kein James Bond und keine Lara Croft, die "Gletscherflusslagune" ist aber auch so beeindruckend.
Sie entsteht auf natürlichem Weg aus dem Wasser, das vom Gletscher abschmilzt und weil das immer schneller passiert, wird der tiefste See Islands zusehends größer. Eine traurige Tatsache, und ich muss unwillkürlich an unsere erste Island-Reise im vorangegangenen August denken. Da waren uns an einem Morgen die vielen Flaggen auf Halbmast aufgefallen und wir erfuhren auf Nachfrage, was auch in unserer Heimat für Schlagzeilen gesorgt hatte: Island hatte an dem Tag den Gletscher Okjökull offiziell für "tot" erklärt. Die Trauer und Hilflosigkeit vieler Einheimischer, die ihre natürlichen Schätze direkt vor ihren Augen vor die Hunde gehen sehen, haben uns damals sehr berührt - und tun es noch.
Nach einem kurzen, aber schönen Stopp am Fjällsarlon, dem kleinen Bruder des benachbarten Jökulsarlon ...
... fahren wir rund 125 Kilometer durch wunderschöne Landschaft zurück in Richtung Kirkjubaejarklaustur und zum
Fjadrargljufur Canyon.
Bei Traumwetter und Windstille genießen wir den Spaziergang an der Schlucht entlang bis zu einer Aussichtsplattform, die die natürlichen Vorsprünge schützen soll.
Märchenhaft schön: Fjadrargljufur Canyon
Bestimmt ist Island immer eine Reise wert. Doch kaum zeigt sich die Sonne, explodieren die Farben, präsentiert sich die Insel von ihrer besten Seite. Rau und karg einerseits, aber auch freundlich und grün: Dazwischen liegen oft nur wenige Meter, und wir kommen wieder einmal nicht aus dem Staunen heraus.
Der Svinafellsjökull steht auf dem Plan, der "Hollywood-Gletscher". Ein wahr gewordener Traum für die Traumfabrik, Batman Begins wurde hier gedreht, Game of Thrones und Interstellar. Nicht, dass das eine Rolle für uns spielt; vielmehr, dass man einem Gletscher selten so nah kommen kann.
Es ist nur ein kleiner Abstecher von der Ringstraße, zumindest in der Theorie, doch die zwei Kilometer haben es in sich. Im Vorjahr haben wir mit unserem schon etwas angeschlagenen PkW nach wenigen Metern aufgegeben. Der SUV meistert die ruppige Piste allerdings problemlos und wir nehmen sie trotz der Warnschilder am Abzweig von der Ringstraße in Angriff. Steinschlaggefahr, die Erde ist seit Wochen in Bewegung, doch wir folgen dem isländischen Camper, der sich am Ende der Zufahrt häuslich einrichtet.
Wir steigen aus und biegen um die Ecke in Richtung Gletscher, ein schmaler Pfad, die Natur ist gigantisch, auch wenn das Eis in den vergangenen Jahren sichtbar zurückgewichen ist.
Geführte Wanderungen auf dem Gletscher begannen einst mit direktem Zugang, später halfen Leitern zur Überbrückung, heute müssen die Touren ihm ziemlich weit über die Felsen entgegen klettern, um ihn überhaupt zu erreichen. Das Betreten der zerklüfteten Eisfläche ohne Guide kommt offenbar vor, ist aber lebensgefährlich, ein kleines Schild am Parkplatz erinnert daran, dass hier vor wenigen Jahren zwei junge Deutsche verschwanden.
Sehr weit wagen wir uns auf dem felsigen Pfad nicht vor, ohnehin verliert sich schnell seine Spur. Ein heftiges Krachen im Eis unterbricht die magische Stille, und weil wir nicht fliegen können wie Batmann oder Daenerys' Drachen, treten wir vorsorglich den Rückzug an.
Das Licht auf der Rückfahrt ist fantastisch, die Sonne am späten Nachmittag noch hoch am Himmel.
Nach einer kleinen Pause im Hotel hoffen wir auf Mitternachtssonne an der Jökulsarlon Gletscherlagune. Leider vergebens, der Himmel zieht sich zu, doch die Stunde wirkt blau und auf uns grandios. Der Spot ist beliebt in der richtigen Jahreszeit für Nordlichter, und wir ahnen, warum.
Der Diamond Beach ist der krönende Abschluss dieses wunderbaren Tages. Eine gute Entscheidung, denn Diamonds are forever, das erweist sich schon am nächsten Morgen als Mär. Abends verschicken wir schnelle Liebesgrüße aus Island, dann fallen mir die Augen zu. Randvoll mit Eindrücken, träume ich von schwarzen Stränden und Diamanten. Was ja irgendwie logisch ist: Diamonds are a Girl's Best Friend!