Tag 12
Mein Zimmer war gut und zweckmäßig eingerichtet und durch das Fenster hatte man direkten Blick auf den Hafen. Das Wetter war noch nicht so prickelnd. Daher trödelte ich heute Morgen ein wenig und begab mit vor meinem Rundgang zum Frühstück, das es heute bereits ab 6.30 Uhr gab.
Gut gesättigt holte ich meine Reisetasche und stellte diese schon mal unten im Foyer ab.
Hermann war auch früh auf den Beinen. Wir begrüßten uns.
„Gut geschlafen?“
„Ja, klar!“
„Willst Du mitkommen? Ich gehe jetzt ein paar Schritte durch Harstad.“
„Danke. Ich habe noch nicht gefrühstückt. Ich muss erst mal was essen.“
Da es gestern doch einigermaßen spät geworden war, war heute erst um 8.30 Uhr Abfahrt. Jetzt war es sieben Uhr. Die meisten Mitreisenden waren noch gar nicht zum Frühstück erschienen. Ich aber machte mich wieder auf Patt.
Harstad ist ein kleines Städtchen. Es erwies sich für mein Empfinden als recht schnuckelig. Die Hafengegend ist sehr nett. Richtung Innenstadt gibt es einige schmale Straßen, bunte Häuschen sowie eine kleine, hübsch mit Blumen geschmückte Fußgängerzone. Die allerdings recht überschaubar ist.
Das, was ich heute Morgen gesehen hatte, gefiel mir sehr gut. Eine gute Stunde hatte ich Zeit für die Ortsbesichtigung bevor ich wieder im Hotel eintraf.
Hier war ein kleiner Menschenauflauf vor dem Fahrstuhl. Hille war wohl mit Hermann im Aufzug heruntergekommen.
„Der ist wieder total durch den Wind“, meinte Hille.
„Er kann seine Jacke nicht finden. Und Ausweis und Scheckkarte sind wohl in der Jacke.“
Beide gingen zum Speisesaal, wohl um dort nach der Jacke zu sehen. Und aus dem Speisesaal kam Sören und hielt den beiden eine blaue Jacke entgegen.
„Gehört die einem von ihnen?“
„Da ist sie ja! Gott sei Dank.“
Hermann kontrollierte sofort alle Taschen. Alles war noch da! Er hatte die Jacke nach dem Frühstück wohl im Speisesaal vergessen und war ohne Jacke wieder nach oben gefahren.
Kleine Aufregung am Morgen.
Ein langer Tag lag vor uns. Heute Abend würden wir die Lofoten erreichen! Das erste Ziel am heutigen Tage war jedoch die Trondenes-Kirche. Eine der ältesten Kirchen Nordnorwegens. Auch für die Besichtigung dieser Kirche war ein Touristenführer engagiert worden. Bei allerlei Erklärungen zeigte er uns die Kirche, die innen sehr hübsch und prunkvoll war.
Während der Weiterfahrt verschlechterte sich die Laune aller Reisenden. Die Wolken wurden immer dunkler und kündigten Regen an. Aber es blieb trocken. Bei unserer Mittagspause um 13 Uhr gab es mal wieder Würstchen und Kaffee.
Um 14 Uhr erreichten wir Stokmarknes. Von hier ging ein Schiff der Hurtigruten bis nach Svolvær, Hauptstadt der Lofoten. Bei gutem Wetter macht der Kapitän unterwegs einen Abstecher in den Trollfjord. Man kennt die Bilder aus dem Internet oder aus Werbespots.
Um halb drei waren alle an Bord und die Hurtigruten M/S Midnatsol lief gegen 15.15 Uhr aus.
Auf die nächsten Stunden waren wir gespannt. Zunächst hielt ich es eine halbe Stunde auf dem Oberdeck aus. Dann war ich durch und durch verfroren. Der Wind war heftig und eiskalt. Also schnell unter Deck, aufwärmen, um anschließend erneut mutig ans Oberdeck zu gehen.
Kurz vor 17 Uhr ertönte eine Lautsprecherdurchsage, dass das Schiff nun in den Trollfjord fahren würde. Dieser Fjord ist ein Seitenarm des Raftsunds. Schlagartig war das Deck voller Passagiere. Eigenartigerweise war es nach den ersten gefahrenen Metern fast windstill und dadurch erträglicher. Dafür sorgten letztendlich wohl die steilaufragenden Felswände, die bis zu 1000 m in die Höhe ragen. Wenn es jetzt noch 10 Grad wärmer gewesen wäre und die Sonne die Nebelwolken verdrängt hätte, wäre es bestimmt richtig schön gewesen. Man kann nicht alles haben. Vielleicht beim nächsten Mal!
Es war aber auch so schon ein emotionaler Moment. Das Schiff fuhr im Schritttempo durch die enge Passage. Überwältigend.
Gegen 18 Uhr war die Durchfahrt durch den Fjord beendet. Am Ende des Fjords drehte die Mitnatsol und fuhr einige Kilometer zurück und nahm erneut Kurs Svolvær.
Angestellte verkauften seit der Einfahrt in den Fjord an einem kleinen Stand heiße Getränke. Kakao und so etwas Ähnliches wie Glühwein. Dieses Heißgetränk mit ein bisschen Alkohol tat richtig gut und wärmte. Wenigstens innerlich. Die bedruckten Metallbecher waren im Preis enthalten. Ein kleines Souvenir für daheim. Der Preis von umgerechnet 10 Euro war für norwegische Verhältnisse ganz akzeptabel.
Lofoten, wir kommen! Um 19.00 Uhr liefen wir in Svolvær ein. Jürgen fuhr unseren Bus aus dem Schiffsrumpf und brachte uns zum Hotel. Der Bus parkte vor dem Hotel. Die Koffer blieben noch im Bus. Vor dem ‚Check in‘ ging die Gruppe gemeinsam zuerst zum Abendessen. Dazu mussten wir gute fünf Minuten in den Ort hineinlaufen, um zum Ziel zu gelangen. Hier war im ersten Stock eines Hotels für zwei Reisegruppen zum Abendessen eingedeckt. Das Essen war vorbestellt und es gab für alle das Gleiche. Vorspeise, Hauptgericht, Nachtisch und Kaffee. Das Ambiente war nicht so prickelnd. Denn zwei Reisegruppen mit geschätzten 70 bis 80 Personen können einen ganz schönen Geräuschpegel verursachen.
Nach dem Abendessen marschierten alle wiederum gemeinsam zum Hotel zurück. Hier stand noch der Bus, den Jürgen vorhin hier geparkt hatte. Jürgen erledigte die Kofferausgabe.
Das Einchecken war ein Erlebnis. Es war ein totes Hotel - ohne Rezeption, ohne Personal, ohne Atmosphäre, dafür mit einem viel zu kleinen Fahrstuhl.
Zunächst bekamen wir von Sören unsere Zimmerschlüssel. Das waren Karten, auf denen ein Code gedruckt war. Diesen Code musste man wie an einem Bankautomaten hier unten im Foyer in eine Apparatur eingeben. Dann öffnete sich die Glastür zum Vorraum und man kam zum Fahrstuhl.
In den Fahrstuhl passten immer nur 2 Personen mit Koffer. Man kann sich ausmalen, welche Dramen sich am Fahrstuhl abspielten. Das Ganze wurde aber noch getoppt. Wenn man auf seiner Etage nicht schnell genug ausstieg, fuhr man wieder nach unten. Weil die hier Wartenden es nämlich so eilig hatten, sofort den Fahrstuhlknopf zu betätigten sobald der Fahrstuhl nach oben fuhr. So fuhr unser Gerhard 2x hoch und runter bis es ihm im dritten Anlauf endlich gelang, auf seiner Etage auszusteigen.
„Gerhard! Wenn du oben bist musst du auch aussteigen!“
„Ach nee! Darauf wäre ich ja gar nicht gekommen. Hört ihr mal lieber damit auf sofort auf den Aufzugsknopf zu drücken, wenn wir hochfahren. Bevor wir die Tür oben öffnen können fahren wir ja schon wieder runter!“
Wir waren ja lernfähig. Beim nächsten Mal warteten wir mit dem Drücken bis das Licht vom Fahrstuhlknopf erlosch. Dann wurde gedrückt – und siehe da, ein leerer Fahrstuhl hielt im Erdgeschoss. Geht doch!
So nach und nach wurde die Schlange am Fahrstuhl kürzer. Bis das erste Ehepaar, das relativ früh nach oben konnte, wieder herunterkam. Und zwar mit Koffern.
„Sören, hier bleiben wir nicht. Unser Zimmer ist dreckig. Die Betten nicht bezogen. Die Toilette dreckig.“
In diese Diskussion hinein platzte das zweite Pärchen. Das dritte Paar kam mit Koffern die Treppe herunter. Die nahmen erst gar nicht mehr den Fahrstuhl. Die kamen aber auch aus dem ersten Stock.
„Sören, das ist das Letzte. Im Bad keine Ablage. Keine Handtuchhalter oder Haken. Zimmer nicht gemacht. In unserem Bett hat gerade wohl noch einer gelegen. Die Matratze biegt sich bis auf den Boden durch. Wenn sich hier nicht schlagartig etwas ändert, ziehen wir in ein anderes Hotel.“
So und ähnlich redete man auf den armen Sören ein. Der letztendlich ja gar nichts für die Buchung dieses Hotels konnte.
Zu meiner Verwunderung konnte ich in meinem Zimmer keinerlei Mängel entdecken. Das Zimmer war ausreichend groß. Da stand ein Doppelbett für mich allein. Sauber und frisch bezogen. Das Bad war zwar klein, aber picobello sauber. Ein Handtuchhaken war auch vorhanden. Lediglich das Licht funktionierte nicht in meinem Zimmer. Nach langem Suchen hatte ich endlich den Schalter gefunden. Weder Drücken noch Drehen brachten Licht ins Dunkel. Wofür brauche ich Licht? Es ist sowieso die ganze Nacht hell. Also kein Grund zur Beanstandung.
Geschlafen habe ich trotzdem schlecht. Haben die hier Horrormöwen? Die ganze Nacht machte mich Möwengeschrei verrückt. Die Biester kreischten in einer irren Lautstärke. Kein Wunder, die wissen ja auch nicht, wann sie schlafen sollen wenn es 24 Stunden lang hell ist. Wenn ich Möwe wäre, würde ich noch lauter schreien. Irgendwann schloss ich das Fenster und hatte danach meine Ruhe.