THEMA: Ein Zebra in Zambia (Reisegeschichten)
15 Dez 2010 09:02 #165967
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Ein "Crazy Zebra" in Sambia (Teil 31)

Was nun folgte, könnte man als Routine umschreiben. Mit dem Ziel Windhoek vor Augen stellten wir den „Schleich-o-Mat“ ein. Das GPS zeigte uns genau 91 km/h an und wir spulten die Kilometer ab. Die einzige Abwechslung boten gelegentliche Regenschauer. Plötzlich meldete sich Heidi auf dem Beifahrersitz - „ich muss mal“. Etwas widerwillig ob der Verzögerung unserer Reispläne suchte ich eine passende Stelle 20 Kilometer nach Heidis erstem Aufruf. Ich suchte einen schönen Schattenbaum, falls die Sonne mal durch die Wolken hervor schauen würde, und hielt an.

Motor aus, elegant ausgestiegen - wie immer wenn niemand zuguckt. Heidi umkurvte das Auto. Wir standen auf der rechten Seite der Fahrbahn, als sie mein „duwirstwohlnichtandasvorderradpinkelnwollen“ Blick traf. Ohne Verzögerung registrierte Heidi meinen vorsorglichen Blick und eilte Richtung Baum.

Au-autsch, au-autsch,
tönte es vom Baum her -vermutlich war es Heidis Umschreibung für Kameldornbaum. Sie kam jedenfalls etwas verärgert vom Au-autsch Baum zurück. Sie hatte sich einen Dorn tief in den Fuß eingefangen. Ihr Blick wurde nicht heiterer, als ich dann an das Hinterrad des Zebras pinkelte. Nun Frauen eben, Hinterrad ist OK aber nicht Vorderrad, das weiß doch ein Jeder.

Ich konzentrierte mich auf das Ziel des heutigen Tages, das Roy’s Restcamp unweit von Grootfontein. Wir fuhren es bei unseren Reisen in Namibia immer wieder gerne an. Während der Fahrt wurde ich in meiner Konzentration nur von dem Au-autsch abgelenkt, das Heidi von sich gab, wenn sie etwas an der Fußsohle fummelte. Die Dornenspitze hatte sich darin verhakt.

So abgelenkt fuhr ich nach Grootfontein, um dahinter die Campsite anzusteuern. Dummerweise gilt das mit dem „dahinter“ nur von Süden kommend. So mussten wir umkehren. Ich fuhr einige Au-autsch Kilometer zurück. Heidi tat mir richtig leid. So ein Dorn in der Fußsohle konnte wirklich Schmerzen bereiten. Wir hatten keine Zugsalbe dabei, um Heidi Linderung von ihrem Schmerz zu verschaffen. Heidi versuchte mit Pinzetten und anderen Gegenständen während der Fahrt diese Dornspitze aus der Fußsohle heraus zu puhlen, ohne Erfolg.

„Du Schatz, könntest du“ - ich spürte sofort Unbehagen bei dieser Redewendung – „mir nicht ein wenig die Fußsohle aufschneiden, damit der Dorn besser rauskommt“.

„Ja klar Schatz“, darf es auch eine Teilamputation sein?
Moment, ich hohle mal die Eisensäge aus dem Werkzeugkoffer.

„Geht’s noch. Ich werde dir doch nicht die Fußsohle aufschneiden“, so meine dann ernst gemeinte Antwort.
Nö, nö, das muss warten bis wir einen Doktor finden und wenn es nur ein Pferdedoktor ist. Heidi tat mir wirklich leid, wie sie leiden musste mit dem Dorn im Fuß.

Ich trank am Abend noch einige schmerzstillende Schnäpse und bot Heidi ausreichend Trost an. Ich träumte in dieser Nacht von etlichen misslungenen Teilamputationen und schlummerte der Morgendämmerung entgegen.

Das Ende folgt...
www.Kurt-und-Heidi.ch Reiseberichte - Bilder und noch mehr wir freuen uns über jeden Besuch
Letzte Änderung: 28 Aug 2011 12:24 von Crazy Zebra.
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15 Dez 2010 09:16 #165968
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  • Andrea 1961 am 15 Dez 2010 09:16
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... ha, ha. ist ja echt herzerfrischend wie Du schreibst. Bin leider noch nicht ganz durch. Da mit dem Vorder- und Hinterreifen wusste ich noch nicht, wieder was gelernt.
Ich wünsche Dir und allen Fomis eine schöne Vorweihnachtszeit.
Liebe Grüße Andrea :laugh:
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15 Dez 2010 16:57 #166028
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  • jaw am 15 Dez 2010 16:57
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Hallo Andrea,

probiere es aus, pinkle an den Vorderreifen und fahre mit offenem Fenster los - du wirst schnell verstehen wo der Unterschied liegen kann....
Außerdem hatte Kurt ja gerade kein Nilpferd passend rumstehen - es war ja Tag.

Viele Grüße
jaw
Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden (Mark Twain)
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15 Dez 2010 18:36 #166043
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  • Nenette am 15 Dez 2010 18:36
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Ich trank am Abend noch einige schmerzstillende Schnäpse

Hi Zebra,
mitleiden müssen ist eine furchtbare Qual und ich bin beeindruckt, wie zielsicher du das richtige Heilmittel gefunden hast. :laugh:
Fährt Deine Heidi nächstes Jahr wieder mit?
Liebe Grüße,
Nenette
Il n'y a pas un atome de cette poussière que je n'aime infiniment.
Es gibt kein Atom in diesem Staub, das ich nicht unendlich liebe. (Elizabeth Riollet über Voi/Tsavo)

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Mein anderes Hobby: lauter-schoene-saetze.over-blog.com/
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16 Dez 2010 13:05 #166142
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Ein "Crazy Zebra" in Sambia (letzter Teil)


Heidis Fuß wollte keine Besserung zeigen - besser gesagt der Dorn in diesem. Er ließ sich einfach nicht entfernen. Im Norden Namibias begann es großflächig zu regnen. So beschlossen wir, zügig zu unserer Basisstation auf der Airportfarm zurück zu kehren. Gesagt getan; kurzer Stopp an einer Apotheke, um Zugsalbe zu organisieren - diese teerartige Salbe, an der dann Dornen haften bleiben sollen und nach und nach aus der Haut gezogen würden. Alternativ könnte man diese Salbe vermutlich auch zur Behebung von Straßenschäden oder zur Kriegsbemalung gebrauchen.

Gegen 14:30 bogen wir auf die Farm-Pad zu den Trümpers auf die Airportfarm ein. Wenige Minuten später erreichten wir das automatische Farmtor. Ein Hupsignal sollte das Öffnen des selbigen bewirken.

Hup-hup, hup-hüpel- HUUUUP !!

Das Tor ging auf und wir fuhren auf dem Hof. Janet und Uwe waren sichtlich überrascht uns schon so früh wieder zu sehen, normalerweise wollten wir erst um 14:41 Uhr in zwei Tage erscheinen.

Die Freude und Erleichterung, ohne Unfall und wohlbehalten die rund 7.500 Kilometer zurückgelegt zu haben, war groß. Das gehört zu einem gelungenen Urlaub dazu. OK, Heidi war ein ganz klein wenig anderer Meinung, seid ihr Fuß mit Spikes bestückt wurde.

Uwe ist zwar kein Pferdedoktor, aber ich dachte, wer mit Kühen umgehen kann, kann das auch mit Frauen. Er schaute sich Heidis Fuß mit der Dornspitze in der Haut an und die Diagnose war „Amputation“.
Er ging mit Heidi in die Küche und - Schwups hatte er den Dorn heraus gezogen. OK, er durfte etwas brachialer ans Werk gehen als ich. Ich hatte ja Rücksicht auf meine Ehe zu nehmen. Man weiß ja nie, wie „Verstümmelung des Ehepartners“ vor dem Richter ankommt. Ich beließ es beim Mitleiden und Trost spenden. Ich schenkte mir etwas Trost in ein Glas und füllte noch etwas Tonic hinzu.

Dann wurde unser Zebra von Uwe begutachtet. Es mussten einige Dinge repariert werden. Es brach mir fast das Herz, unser treues Zebra in diesem Zustand zu sehen. Kaputter Batteriekasten und durchgeschmorte Sicherungen - ein Anblick, wie wenn ein lieber Bekannter auf der Intensivstation um sein Leben ringt, einfach grauenvoll!

Es kamen dann noch zwei, drei kleine Innenaufträge hinzu. Ich befürchte, das Bruttoinlandsprodukt Namibias um ein paar Prozentpunkte nach oben getrieben zu haben. Nächstes Jahr werde ich wohl mein Sparschwein schlachten müssen, um all die Rechnungen bezahlen zu können. Es war ein nicht weniger grauenvoller Gedanke als der an das Zebra - armes Schwein, armes Zebra!

Die letzten Tage verbrachten wir damit, das Zebra auf Vordermann zu bringen - putzen, schmieren, ergänzen, aussortieren und reparieren. Einen großen Teil der Zeit widmeten wir unserer eigenen Pflege. Mein ausgemergelter Körper musste wieder auf das Idealgewicht von 95 Kilos gebracht werden. Hier mein spezieller Dank an „Assi“ die Köchin, die sich wirklich sehr fürsorglich um mein Wohlergehen sorgte!

„Kurt möchtest du noch ein einen Kaffee?“ - Ja klar doch!
„Kurt möchtest du noch ein eine Stück Fleisch?“ - Aber sicher doch!
„Kurt möchtest du noch ein einen Drink?“ Ja, ja, ja!!!

Dann kam, was immer kommt, der Tag der Rückreise - ein Tag, der in uns immer gemischte Gefühle bereitet. Einerseits verlassen wir das südliche Afrika und mit ihm all die exotischen Düfte, die vielen Erlebnisse und neuen Bekanntschaften und auch Freunde, die wir in den letzten Jahren lieb gewonnen haben. Andererseits werden wir unsere Familie und Freunde in Europa wieder sehen.

Mit einer herzlichen Umarmung verabschiedeten wir uns von Janet, Uwes Frau, mit drei Küsschen. Auch Uwes Mutter wurde geknuddelt und zum Abschied geküsst. Danach war ich so erschöpft und verzichtete darauf, Uwes Vater Max zu knuddeln und zu küssen. Wir bestiegen Uwes VW Bus. Er fuhr uns zum internationalen Flughafen von Windhoek. Uwe begleitet uns noch bis an die Türe zur Schalterhalle. Ich war noch immer erschöpft von der Küsserei - Uwe musste sich mit einem Handschlag begnügen.

So standen wir nun mit den Koffern in der Halle - viele Erinnerungen und neue Erfahrungen erfüllten unsere Herzen mit Freude und erweiterten unseren Horizont. Da standen wir nun etwas verloren in der halbleeren Halle und mein Blick wanderte zum Bildschirm mit der Abfluganzeige.

„DELAYED“ stand da in roten Lettern.
Ich war froh, nicht auf einem deutschen Flughafen zu stehen.
Delayed - ein wirklich harmonisches Wort, das zwar immer eine Kettenreaktion auslöst - länger in der Lobby rumhängen, später fliegen, später ankommen und zu früh auf dem Bahnsteig sein, um den drei Stunden später fahrenden Zug zu erwischen, der einen dann nach Hause zu seinen Liebsten bringen soll.
Delayed – zum Glück steht nicht „Verspätet“ an der Tafel!

Verspääääätettttt – nur das nicht! Verspääääätettttt, wie grauenvoll der Gedanke Verspääääätettttt abzufliegen, dann lieber „Delayed“, dachte ich und wir schlugen die Zeit bis zum Abflug tot. Eine Stunde „Delayed“ war auf der Anzeigetafel zu lesen. Die Erleichterung war groß, als wir nur 55 Minuten „Delayed“ die Sitze im Flieger mit unserer Anwesenheit beglücken und die Gurte - wieso sind die Dinger auf meinem Sitz eigentlich immer zu kurz - um unsere Wespentaillen schnallten durften.

Der Flieger rollte dann pünktlich „too late“ auf die Zubringerpiste zur Startbahn, bog ein und ich wartete auf die Beschleunigung der Triebwerke, die mit monströsen Kräften den Air-Bus über die Startbahn peitschen würden, um ihn dann in die Nacht hinaus zu katapultieren. Wie bogen ein auf die Startpiste und – nichts!

Da standen wir nun 10 Minuten bis uns eine krächzende Stimme über den Bordlautsprecher verkündete: „Geschätzte Gäste, wir bitten um Entschuldigung für die Verspääääätung. Wir warten auf die Flugfreigabe und befinden uns in einer Warteschlange.“ Was für ein Witz, dachte ich.

Wir sind der einzige Flieger auf der Startbahn. Die Putzkolonne am Flughafen hat bereits Feierabend und der Nachtwächter wird gleich die Lichter löschen am internationalen Flughafen von Windhoek. So standen wir am Anfang der Piste in der Warteschlange, doch was für eine Schlange war das? Im Umkreis von 1000 Meilen war kein Flugzeug zu sehen. Einzig ein paar Vögel flogen wohl durch den fahl beleuchteten Nachthimmel und ein paar Sternschnuppen kreuzten über uns durch das Universum.

Nun waren wir „verspääääätettttt“ und wir würden wohl den drei Stunden später fahrenden Zug in Frankfurt um einige Minuten verpassen, so meine Hochrechnung.

Ja „verspäääätettt“ zu sein war eindeutig schlimmer als „Delayed“.

Ich beobachte gerade ein paar Feldhasen beim Versuch sich zu vermehren, als der Pilot die Turbinen hochfuhr. Mit einer Beschleunigung, die einen leicht in die Sitze drückt, schoss der Airbus über die Piste und hob ab in die vom Mond beschienene Nacht - immer höher, immer weiter ins

„erste Luftloch“

…ENDE
***
kleines schlußwort

ich danke euch lesern, dass ihr mit uns die reise nach sambia - sozusagen gemeinsam mit uns auf dem schleudersitz - miterlebt habt. ich danke auch für eure geduld, bis zum schluss durchgehalten und die unzähligen schlaglöcher klaglos ertragen zu haben. ihr habt mit uns gelitten, getrauert und gelacht. auch für die vielen netten reaktionen danken wir! ich danke meiner heidi, dass sie mit mir durch dick und dünn geht. einen speziellen dank an ein fomi, dass nicht genannt werden möchte, das sich meiner speziellen schreibweise angenommen hat und mit viel fleiß meine texte in eine lesbare form brachte. liebe grüße euer "crazy zebra".
****
GROSSES SCHLUSSWORT

ICH DANKE EUCH LESERN, DASS IHR MIT UNS DIE REISE NACH SAMBIA - SOZUSAGEN GEMEINSAM MIT UNS AUF DEM SCHLEUDERSITZ - MITERLEBT HABT. ICH DANKE AUCH FÜR EURE GEDULD, BIS ZUM SCHLUSS DURCHGEHALTEN UND DIE UNZÄHLIGEN SCHLAGLÖCHER KLAGLOS ERTRAGEN ZU HABEN. IHR HABT MIT UNS GELITTEN, GETRAUERT UND GELACHT. AUCH FÜR UND DIE VIELEN NETTEN REAKTIONEN DANKEN WIR! ICH DANKE MEINER HEIDI, DASS SIE MIT MIR DURCH DICK UND DÜNN GEHT. EINEN SPEZIELLEN DANK AN EIN FOMI, DASS NICHT GENANNT WERDEN MÖCHTE, DAS SICH MEINER SPEZIELLEN SCHREIBWEISSE ANGENOMMEN HAT UND MIT VIEL FLEISS MEINE TEXTE IN EINE LESBARE FORM BRACHTE. LIEBE GRÜSSE EUER "CRAZY ZEBRA".
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Letzte Änderung: 28 Aug 2011 12:25 von Crazy Zebra.
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16 Dez 2010 13:19 #166144
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  • Gerd1942 am 16 Dez 2010 13:19
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Hallo Kurt,

schade, dass es schon vorbei ist. Deine Reise hätte ich noch Wochen lang mitmachen können. Ich war immer mittendrin im Geschehen, so lebhaft hast Du Deine Erlebnisse, Deinen Frust und Deine Lust geschildert. Einfach fantastisch.

Wann fährst Du mal wieder los. Ich warte gespannt auf Deinen Bericht.

Ganz liebe Grüße von der sonnigen Atlantikküste,
Dir und Deiner Heidi einen schönen 4. Advent und geruhsame Feiertag. Bleibt gesund, damit wir noch viel mit Euch erleben dürfen.

Danke, danke, danke.

Gerd
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