9. September: Temperatursturz
Thomas und Christoph haben schon am Abend miteinander verabredet, dass sie mit Sonnenaufgang auf den Beinen sein und den Ausblick genießen wollen. Ich habe mir eigentlich vorgenommen, diesmal ein wenig länger auf der faulen Haut zu liegen als zuletzt, doch der Afrika-Rhythmus ist mir längst in Fleisch und Blut übergegangen.
Also steige ich mit nur leichter Verzögerung nach unten und durch die bereits geöffnete Luke nach draußen und brauche diesmal noch nicht einmal einen Pullover, so warm ist es.
Die Stille, die Weite und die Einsamkeit nehmen mich an diesem Morgen genau so gefangen wie am Abend zuvor. Wir stromern durch die Gegend und lassen die entspannte Morgenstimmung auf uns wirken, während die fleißige Sandra schon Kaffee aufsetzt.
Ich entdecke einen natürlichen Pfad, der ohne größere Kletteraktionen weiter nach oben führt, und nach dem Frühstück...
...machen wir Vier uns auf zu einer morgendlichen Exkursion auf diesem fremden Planeten. Anderes Leben entdecken wir nicht, auch nicht in den Nischen um den Felsen herum, wir sind also tatsächlich ganz allein an diesem Ort.
Wir steigen auf ein riesiges Plateau und sind sofort im Entdeckermodus. Fast eine Stunde lang lassen wir uns hier oben treiben, und können in alle Himmelsrichtungen schauen.
Die Weite der Namib, die sich zu unseren Füßen erstreckt, ist scheinbar grenzenlos. Wir schlendern umher und lassen die Kulisse auf uns wirken. Wir haben keine Eile und ohnehin jedes Gefühl für Zeit und Raum verloren. Es ist grandios.
Ich quatsche mit Sandra und sie hat Sorge, dass uns das Campen so gar nicht gefällt. Sie spürt, dass es uns immer wieder stresst. Doch gerade an diesem Ort kann ich sie beruhigen: Egal, was am Ende beim Fazit rauskommt, wir werden das Campen auf dieser Reise nicht bereuen. Schon allein, weil es uns hierher geführt hat. An einen Platz, den wir sonst nicht erleben würden.
Die Sonne steigt schnell höher, es ist Zeit zu gehen. Leider. Denn obwohl hier praktisch nichts ist, könnte ich auch noch gut bleiben. Zurück bei den Autos packen wir zusammen und fahren los.
Weit sind wir glücklicherweise noch nicht gekommen, als Thomas plötzlich sein Handy vermisst. Wir suchen im Auto. Finden es nicht. Echauffieren uns über die ewige Sucherei. Und fahren notgedrungen wieder zurück.
Der olle Murphy und ich, wir können nicht miteinander. Er hat mal wieder ganze Arbeit geleistet: Das Handy ist Thomas anscheinend aus der Tasche geplumpst und in den Sand gefallen, und wir sind überglücklich, als wir es am Boden entdecken. Doch dann sehen wir das Malheur: Beim Rückwärtsfahren auf dieser großen Fläche bin ich nun offenbar ausgerechnet über das kleine Teil gefahren. Die Abdeckung ist zerbrochen, aber - oh Wunder - das Handy funktioniert noch. Immerhin. Was wir dann später allerdings für so eine schnöde neue Oberfläche blechen müssen, verschlägt mir noch einmal kurzfristig die Sprache.
Knapp 180 Kilometer sind es bis Swakopmund, unserem Tagesziel. Wieder keine weite Strecke, und schon nach rund zwei Stunden taucht am Horizont Walvis Bay auf - verpackt in dichtem Nebel.
In dieses Schlamassel fahren wir nun hinein. Von jetzt auf gleich aus der gleißenden Wüstensonne in die dicke Suppe, die Temperatur stürzt um satte 20 Grad. Wir bekommen es deutlich zu spüren, als wir an der Lagune nach Wasservögeln Ausschau halten. Es sind auch einige Flamingos da, aber das Licht ist schlecht und ich friere wie ein Schneider. Schlotternd krame ich Pulli, Halstuch und Jacke raus, trotzdem zieht es uns schnell zurück ins warme Auto und auf die letzten 30 Kilometer nach Swakopmund.
Als wir an der Atlantikküste entlang rollen, staunen wir nicht schlecht. Zehn Jahre ist es her, dass wir hier waren, doch was ist nicht alles gebaut worden entlang des Küstenstreifens. Wir erkennen die Gegend kaum wieder. Auch Swakopmund ist gewachsen. Es ist, wie es ist, aber schön finden wir das nicht.
In Meike's Guesthouse werden wir nicht nur superfreundlich aufgenommen, sondern sehen auch unsere Freunde wieder, die eine halbe Stunde vor uns angekommen sind. Wir telefonieren mit Bushlore und bitten sie wegen der angeknacksten Leiter um Unterstützung. Am nächsten Tag soll jemand kommen und Abhilfe schaffen, auch am Landcruiser von Sandra und Christoph sind ein paar Kleinigkeiten zu tun.
Während die beiden zu einer kleinen Sightseeing-Tour in die Stadt aufbrechen, breiten Thomas und ich uns in unserem gemütlichen und abends sogar beheizten Zimmer genussvoll aus. Wir herrlich es ist, Platz zu haben. Ein richtiges Bett. Ein Bad. Und Türen, die sich widerstandslos öffnen und schließen, wann immer man es will. Im kleinen Garten zwitschern die Vögel.
Auf Empfehlung der durch und durch sympathischen Meike gehen wir abends im Farmhouse Deli an der Mole essen. Eine guter Tipp, auch für Vegetarier wie mich. Satt und bettschwer fahren wir mit dem Taxi zurück. Es ist kalt und es nieselt, kein Wetter für unsere Pläne am nächsten Tag. Denke ich und sinke ich in die weichen Kissen. Und dann bin ich auch schon weg.