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THEMA: Erfahrungen eines Neulings in Afrika
24 Mär 2014 10:28 #331379
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  • Attigun am 24 Mär 2014 10:28
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„Du wolltest doch immer Mal nach Afrika, wann denn?“ fragte mich meine Freundin Oktober 2012. „Naja, so in 2-3 Jahren“. „Vergiss es! Entweder gleich, oder nimmer mehr. Du bist mit deinen 70 Jahren fast zu alt dafür“ Hm, so unrecht hatte sie ja nicht. Ne Woche später stand für mich fest: „Mitte bis Ende April 13 fahre ich nach Namibia!“ Ein paar Tage später kam eine Frage: “Sag mal du hast doch wohl nichts dagegen, wenn ich mitkomme?“ Eine Frage die keine Widerrede erwartete. Gott sei Dank hatten wir dann Ende Dezember die Flüge gebucht.
Meine Vorbereitungen bestanden erst Mal darin alles Erhältliche zu erlesen, Foren zu besuchen, Gefahren zu eruieren. Hörte sich alles nicht so gut an: Wilde Schießereien in Swakopmund, Überfälle auf den Straßen und nachts in den Städten. Schusswaffen kann man nur bedingt mitnehmen und wenn, dann nur Gewehre und die auch nur verpackt. Also kaufte ich mir ne lange spitze Machete, die ich rasiermesserscharf anschliff, zudem zwei Pfefferpistolen à 35€. Ich wollte auf keinen Fall für jedes arme Schwein, als willkommener Touriselbstbedienungsladen herumlaufen. Meine Freundin fing schon an zu paniken ob meiner Reisevorbereitungen und den Stories über Hyänen, Löwen, Schlangen, Skorpionen, Räubern und was sonst noch.
Gott sei Dank war der Flug schon bezahlt. Die wäre doch glatt abgesprungen. Als gebürtige „Ossi“ vom Prenzlauer Berg (Berlin) war sie nur „organisierte“ Reisen in Hotels gewöhnt. Jetzt fährt sie mit so nem verrückten Alaskaner (ist seit 30 Jahren meine zweite Heimat) nach Namibia auf eigenes Risiko.
Nun die Hauptenttäuschung am Ende der Reise: Keine Hyänen, keine Löwen, keine Räuber in 16 Tagen. Nur gleich am ersten Tag wollte mir so ‘n Schwarzen meine Kamera von der Hüfte klauen. Habe das erst nicht mitbekommen, bis eine kleine Schwarze mich aufgeregt darauf aufmerksam machte. Hab dann einfach mein Buschhemd über der Hose getragen und die Pfefferpistole griffbereit in der Hosentasche. So war meine Gürtelausrüstung nicht mehr sichtbar. Das einzige Highlight war in Purros, wo nachts eine kleine Elefantenherde weidend an unserem Hiluxzelt vorbeizog. Hatten wir aber auch nur durch das „Harley Davidson“ Bauchgrummeln mitbekommen.
Unsere grobe Tour einfach nach dem Motto „der Weg sei das Ziel“: Windhoek, Swakopmund, Hentjes Bay, Rhino Camp durch den Ugab River, Seesfontain, Purros. In Purros war der Sprit alle, also wieder nach kurzem Schnuppern in den Hoarusib Canyon mit seinem Tiefsand, nach Sessfontain dann Epuwo, Epupa, Ruacana, Etoschapark Ost. Im Park Elefanten zählen und dann ab nach Windhoek zurück. 15 Tage und 2990km haben wir gebraucht.
OK hier nun meine Empfehlungen als Afrikaneuling:
Sprit, Sprit, Sprit. In Purros und Epuwo waren die Tankstellen leer. Gott sei Dank hatte Sessfontain Diesel. In kleinen Orten wie Purros wird aus Fässern getankt. Mindestens 2x20l Reservetanks zu den 140 Litern im Wagentank sollten noch dabei sein. Mir wurde gesagt mein Motor 2,5l Diesel des Hilux würde auf 100km 10 Liter schlucken. Weit gefehlt, wir fahren ja nicht Teerstraßen sondern Schotter und Sandpisten, da kann man getrost 14/15 Liter rechnen. Mein 140 Liter Wagentank reichte jedenfalls nur für maximal 800km. Und wenn man im Tiefsand fährt, dann ist der Verbrauch nicht mehr in Liter/Kilometer gefragt sondern die Betriebsstunde. Da können mal schnell umgerechnet 25/30 Liter und mehr auf 100 km zusammen kommen. Der Hoarusib Canyon hatte jedenfalls sehr schönen weichen tiefen spritfressenden Sand, desgleichen der Ugab River. Auch langsam fahren im 1. Gang auf Geröllpisten ist sehr spritintensiv. Um auf der sicheren Seite im Damaraland/Kaokoveld und ähnlichen Gegenden im Offroad „Modus“ zu sein, sollte man gut das 2,5-3x an Sprit dabei haben, berechnet auf Teerstraßenverbrauch. Auch wenn wir ein Satphone dabei hatten, es hätte mit Sicherheit keinen Spaß gemacht, für teuer Geld und Zeit, Sprit im Nowhere anliefern zulassen.
Die Camps waren soweit afrikanisch, d.h. simpel, einfach aber sauber. Paviane für die ich ein Katschi mit hatte, haben wir nur irgendwo in den Weiten gesehen, nie da wo Camps waren.
Aber man muss „zwischen den Zeilen“ lesen:
In allen Supermärkten waren Securityguards z.T. bewaffnet. Häuser und Hotels haben hohe Mauern mit Stacheldrahtzäunen drauf, der unter Strom steht. Wir waren nur 5-7 min von Joe’s Bierhaus entfernt, aber man empfahl uns nach 23°° ein Taxi für die kurze Strecke zu nehmen. Gut wir hatten auch wild gecampt, aber das war im Nirgendwo im Damaraland. Da hatten wir 48 Stunden lang keine Leute gesehen, dann erst wieder in Sessfontain. Ich fragte in Swakopmund eine Südafrikanerin warum sie nach Namibia kommt, SA ist doch auch genauso schön. Antwort:“ Namibia ist das einzige afrikanische Land was noch funktioniert“, Ende der Durchsage.
Mein Eindruck als Neuling in Afrika: Namibia ist fast, aber nur fast, genauso sicher wie Deutschland, Frankreich, Italien etc. solange man die Menschen meidet, bzw. beobachtend aufpasst. Das soll heißen campt auf Campingplätzen, auch wenn der Wächter nur ne Frau ist. Zahlt 1-2 Nam$ für die schwarzen Autoaufpasser in den Städten, meidet die Dunkelheit in der Nähe von Siedlungen, achtet auf Leute die euch „unauffällig“ folgen. Zeigt nie Angst oder Unsicherheit. Im Gegenteil signalisiert eine gewisse Aggression und dadurch Trouble egal wie, wenn da jemand dumme Gedanken haben sollten. Macht immer einen 360° Scan. Ich war immer wieder überrascht, wo mit einem Mal so ein Schwarzer da war, wo vorher weit und breit niemand zu sehen war.
Ach ja und bloß nicht das Sattelitentelefon vergessen. DAS ist die Lebensversicherung, nicht das GPS. Bin ohne GPS nur mit Kompass und Karte gefahren und immer da angekommen, wo ich hin wollte.
Namibia steht voll auf Tourismus. Alles ist gut „durchorganisiert“ besonders wenn es ums Bezahlen geht. Nun gut alles hat seinen Preis. Die super billigen Zeiten und die sorgenlose Freiheit von vor 20 Jahren sind vorbei. Namibia driftet jedenfalls langsam in Richtung anderer Afrikastaaten ab. 100 Nam$ im Schnitt für einen primitiven Campplatz, teilweise nur für eine Person, ist etwas, wenn für uns auch nicht viel, für die Leute Afrikas aber sehr viel. Betteln und Anmachen ist überall drin. Die Schwarzen haben da schon ein gutes Gespür entwickelt. Ich hatte immer ne Handvoll 1 Dollarstücke in der Tasche um irgendeinem armen Schwein eine Freude mit 1-2 Dollar = 10-20€ Cent zu machen. Dafür sind die Lodges überraschend billig. Vielleicht auch weil wir im April da waren.
Für mich mit meinen Jahrzehnten langen nordamerikanischen Buscherfahrungen in der puren Wildnis, war es eine „nette andere“ bequeme Abwechslung. Für meine Begleiterin DAS Abenteuer ihres Lebens. Am Ende und zu Hause sagte sie „nie wieder Namibia!“, obwohl sie über sich hinausgewachsen war. Aus klein „Angie“ wurde „Safari Angie“: Pragmatisch, Ideenreich, Hüterin des Wassers (man vergisst zu schnell genug zu trinken= Dehydration) vor allem war sie mein Gummiflumi, der wie ein kleiner Gummiball auf und von der Pritsche des Wagens sprang. Ich hatte da massive Probleme mit meinen Knien.
Nach einer Weile zu Hause langsam im September: “Na Schatzemaus? Namibia, Kalahari, Khaudom, Marientalfluss, Hartmannvalley, eventuerll Botswana was is?“ Da grinste sie schon wieder. Jetzt haben wir schon wieder zwei Flüge gebucht, für 4 Wochen im April/Mai und sie ist diesmal Feuer und Flamme.

So das war mein kleiner Beitrag hier im Forum, das mir für meine erste Tour nach Afrika sehr geholfen hat und so auch diesmal. Ich hatte mich bisher nicht zu Wort gemeldet und dieser Bericht soll nur ein kleiner Beitrag zu den vielen anderen sein um Neulingen wie wir etwas weiter zu helfen.
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24 Mär 2014 10:36 #331381
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  • Sanne am 24 Mär 2014 10:36
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Attigun schrieb:

I
Mein Eindruck als Neuling in Afrika: Namibia ist fast, aber nur fast, genauso sicher wie Deutschland, Frankreich, Italien etc. solange man die Menschen meidet, bzw. beobachtend aufpasst. Das soll heißen campt auf Campingplätzen, auch wenn der Wächter nur ne Frau ist. Zahlt 1-2 Nam$ für die schwarzen Autoaufpasser in den Städten, meidet die Dunkelheit in der Nähe von Siedlungen, achtet auf Leute die euch „unauffällig“ folgen. Zeigt nie Angst oder Unsicherheit. Im Gegenteil signalisiert eine gewisse Aggression und dadurch Trouble egal wie, wenn da jemand dumme Gedanken haben sollten. Macht immer einen 360° Scan. Ich war immer wieder überrascht, wo mit einem Mal so ein Schwarzer da war, wo vorher weit und breit niemand zu sehen war.

Dass in Namibia dann auch "auf einmal so ein Schwarzer da ist", ist bei der Bevölkerungsstruktur vielleicht nicht so überraschend. Schade, dass Ihr offenbar zu dem Ergebnis gekommen seid, dass man möglichst "die Menschen meiden" sollte. Wenn ich das so lese, fürchte ich, dass sich Namibia in den letzten fünf Jahren wohl massiv verändert haben muss..
"Der letzte Beweis von Größe liegt darin, Kritik ohne Groll zu ertragen." Victor Hugo
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24 Mär 2014 10:53 #331383
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Attigun schrieb (u.a.)

" Betteln und Anmachen ist überall drin. Die Schwarzen haben da schon ein gutes Gespür entwickelt. Ich hatte immer ne Handvoll 1 Dollarstücke in der Tasche um irgendeinem armen Schwein eine Freude mit 1-2 Dollar = 10-20€ Cent zu machen."

Hierzu möchte ich anmerken, dass ich dieses Verhalten etwas "hochnäsig" bzw. diskriminierend finde, zumal ich damit auch den "armen Schweinen" nicht helfe.

Ich war vor sieben Jahren in Namibia und fahre dieses Jahr wieder -für 4 Wochen- ab Mitte Mai. Hoffentlich muss ich mich nach diesem Bericht nun nicht fürchten und die Menschen meiden. Ich werde dennoch fahren, denn die eigenen Erfahrungen und so viele Fomis hier im Forum können sich nicht irren.... :dry:
Liebe Grüße aus Norddeutschland
Gerd
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24 Mär 2014 11:15 #331393
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Die Grundaussage von Attigun trifft schon zu. Die größten Gefahren in Namibia gehen von anderen Menschen aus; auch wenn sich die meisten Menschen Sorgen wegen wilder Tiere und Autopannen im Nirgendwo machten. Diese Regel gilt allerdings nicht nur für Namibia, sondern für alle Länder.

Insofern gehe ich auch immer mit einem gesunden Misstrauen auf andere Menschen zu. Nicht weil ich in jedem einen Potentiellen Räuber sehe, sondern weil die in mir meistens nur eine wandelnde Geldbörse sehen. Das ist ehrlich gesagt auch das, was mich in Afrika am meisten nervt. Alle sind nur hinter Deinem Geld her.

Nach Afrika fahre ich wegen der Natur und der Tiere. Wegen der Menschen gibt es angenehmere Reiseziele.
Letzte Änderung: 24 Mär 2014 11:35 von Topobär.
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24 Mär 2014 11:23 #331394
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  • Djinn am 24 Mär 2014 11:23
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Hallo :)
Wir werden uns auch demnächst ein Bild davon machen , wie es mit der Kriminaliät in Namibia aussieht aber durch die vielen Berichte und wertvollen Tips hier im Forum sind wir relativ gelassen. Wir werden versuchen uns an die Verhaltensregeln zu halten.
Aber Kriminalität gibt es hier überall, erst gestern hat uns ein Bekannter berichtet, dass er in Barcelona im Bus beraubt wurde ( ob von einem Weissen oder Schwarzen :silly: , weiß ich nicht, jedenfalls so geschickt, dass er es nicht gemerkt hat ). So gemein es klingt, mich hat es beruhigt und wieder bestätigt, dass man überall achtsam sein soll !!!!!!!!!!!!!!!!
Viele Liebe Grüße
Djinn
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24 Mär 2014 11:27 #331397
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Southafrican schrieb:
Attigun schrieb (u.a.)

" Betteln und Anmachen ist überall drin. Die Schwarzen haben da schon ein gutes Gespür entwickelt. Ich hatte immer ne Handvoll 1 Dollarstücke in der Tasche um irgendeinem armen Schwein eine Freude mit 1-2 Dollar = 10-20€ Cent zu machen."

Hierzu möchte ich anmerken, dass ich dieses Verhalten etwas "hochnäsig" bzw. diskriminierend finde, zumal ich damit auch den "armen Schweinen" nicht helfe.

... ich sehe es etwas differenzierter. Ich habe auch immer etwas Kleingeld lose in der Hosentasche. Das bekommen aber nicht diejenigen, die bloß betteln gehen, sondern diejenigen, die es wirklich nötig haben. Wer schon mal 'nen Poliokranken auf allen Vieren durch den Dreck hat robben sehen, der weiß, was ich meine. Für so jemanden sind selbst 20 Cents das Essen für einen Tag. Das ist sehr wohl eine Hilfe.

Auf meiner letzten Reise durch Ruanda kam uns einer dieser Typen entgegen, die ohne Ziel umherirren. Haut, Haare, verschlissene Kleidung - alles schon langsam in der gleichen Farbe. Sie ernähren sich von Abfall und aus Pfützen. Meine Reisebegleiterin fragte mich, was das denn für einer ist und ich erklärte es ihr. Sie sagte spontan: "Ich möchte ihm Geld geben". Der Mann drückte die umgerechnet nur 20-25 Cents mit beiden Händen an die Herzgegend und stand minutenlang regungslos dort. Auch das war eine Hilfe. Alleine die Tatsache, dass mit solchen Menschen mal jemand ein paar Worte redet, ist schon eine Hilfe.

Gruß
Wolfgang
Mit dem Fahrrad unterwegs in Namibia, Zambia, Zimbabwe, Malawi, Tanzania, Kenya, Uganda, Kamerun, Ghana, Guinea-Bissau, Senegal, Gambia, Sierra Leone, Rwanda, Südafrika, Eswatini (Swaziland), Jordanien, Thailand, Surinam, Französisch-Guyana, Alaska, Canada, Neuseeland, Europa ...
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