Montag, 17.10.2016
In der Nacht hat es stark gewittert. Als wir am Morgen die Hütte in Crocodile Bridge verlassen, ist es noch immer stark bewölkt und dies wird sich den Tag über auch kaum ändern. War es gestern noch rund 40 Grad heiß, so ist das Thermometer heute um über 20 Grad gefallen. Es herrscht starker Wind, der das Draußensein ziemlich ungemütlich macht.
Davon merken wir aber im Auto kaum etwas, als wir um 5.30 Uhr das Camp verlassen, um eine Runde auf dem "Southern Circuit" zu drehen.
Einige hundert Meter nach der Ausfahrt treffen wir bereits auf die erste interessante Sichtung des Tages. Eine Tüpfelhyäne liegt auf der Straße. Irgendwann steht sie auf und verschwindet in einem Gebüsch. Wir warten, ob sie sich entschließt bald wieder herauszukommen. Und tatsächlich: Sie kommt zurück und bringt sogar ein Stück Aas mit, an dem sie zuerst herumkaut und das sie dann mit hochgerecktem Hals von Dannen trägt.
Einige Kilometer weiter kreuzt plötzlich und unerwartet eine weitere Hyäne die Straße. Ich erschrecke mich total. Zum Glück waren wir langsam unterwegs, sonst hätte ich kaum rechtzeitig bremsen können. Die Hyäne hält an der anderen Straßenseite kurz inne, mustert uns und trottet dann ihres Weges.
Vorbei an einem Gaukler und einigen Hornraben fahren wir die Nebenstraßen in Richtung Duke Wasserloch. Hier stehen wieder viele Zebras und Gnus. Und auch Büffel haben sich heute darunter gemischt. Immer wieder treffen wir auf enorm große Impalaherden, die bestimmt über hundert Tiere zählen. Auch Elefanten und Giraffen lassen sich beobachten.
Auf der Rückfahrt ins Camp sehen wir in recht weiter Entfernung von der S28 aus zwei vollgefressene Geparde liegen, die jedoch keine Anstalten machen, näher zu kommen.
Nach einer längeren Spiel- und Frühstückspause fahren wir noch einmal in Richtung Lower Sabie, um dort zu Mittag zu essen.
Den Beginn der Fahrt bildet eine Stippvisite bei den Hyänenkadavern. Hier ist jetzt enorm viel los. Vier Geierarten machen sich über die toten Tiere her: Kappengeier, Wollhalsgeier, Weißrückengeier und Ohrengeier. Es ist toll, die Hierarchie zwischen den Vögeln zu beobachten - wenn der riesige Ohrengeier kommt, halten die anderen lieber respektvoll Abstand. Überhaupt sind die Größenunterschiede zwischen den verschiedenen Geierarten enorm. Das fällt gar nicht so stark auf, wenn sie nicht direkt nebeneinander stehen.
Wir wollen wieder die Nebenstraßen fahren, jedoch blockieren Elefanten den Weg. Wir warten eine ganze Zeit und kehren dann lieber um...
Unterwegs sehen wir noch einen schlafenden Löwen im Busch, der uns sein Gesicht aber partout nicht zuwenden möchte - daher gibt es auch kein Foto. Am Sunset Dam sehen beobachten wir zum Abschluss der Fahrt einige Flusspferde und Babykrokodile.
Die Mittagsrast in Lower Sabie verläuft entspannt. Die Kinder rennen viel herum und toben sich aus - wir laufen hinterher und beobachten zwischendurch Büffel, die nahe der Aussichtsterrasse am Flussufer fressen.
Auf der Rückfahrt nach Crocodile Bridge begegnen uns eine Breitmaulnashornkuh mit Kalb und auf der Straße dann zwei Löwenkater, die wir ein Stück begleiten, bis sie sich neben der Straße im Busch zur Ruhe legen.
Am Abend gönne ich mir einen Nightdrive. Ich habe ein sehr gespaltenes Verhältnis zu dieser Art der Ausfahrt. Einerseits hat man die Chance, Tiere zu erblicken, die einem ansonsten verborgen sind, andererseits empfinde ich die starken Scheinwerfer den Tieren gegenüber schon als sehr störend. Überdies sind die Fotografiermöglichkeiten auch sehr eingeschränkt, vor allem, wenn man auf den großen Trucks der Nationalparkverwaltung unterwegs ist.
Als ich pünktlich am Treffpunkt bin, warten schon einige andere Reisende auf das Fahrzeug, das dann auch bald eintrifft. Der Guide - Oscar - scheint sehr nett zu sein und Spaß an seiner Arbeit zu haben. Er versucht uns die Wartezeit zu verkürzen, denn die Fahrt wird sich um 20 Minuten verzögern, da wir noch auf eine amerikanische Tourigruppe aus einer externen Lodge warten müssen.
Als diese dann endlich eintrudelt - es handelt sich um mehrheitlich junge Damen in hochhackigen Schuhen... - und dabei kein Wort der Entschuldigung fallen lässt, kann es endlich losgehen. Diese Fahrt wird in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich.
Da die Amerikanerinnen schon einen so guten Einstand hingelegt hatten, bemühen sie sich redlich, diesen ersten Eindruck weiter zu erhärten. Dauernd (und wenn ich dauernd schreibe, meine ich dauernd) rufen sie "Stopp!". Beim ersten Impala kann das noch jeder gut nachvollziehen. Beim zehnten Impalastopp schon weniger. Unmut macht sich breit. Ein alter Alaskaner meint, dass Oscar nicht bei jedem Impala anhalten wolle, daraufhin wird zurückgegiftet: "Impalas are wildlife, too!".
Die Stimmung ist also etwas angespannt...
Lange zeigen sich auch nur Impalas im Schein der etwas zu erratisch geschwenkten Lichter (ein weiterer nerviger Aspekt dieser Fahrten ist natürlich auch, dass andere mit den Scheinwerfern bestimmen, was man sieht und was nicht...). Dann erkennen wir in weiter Ferne eine Hyäne und bald darauf einen Schabrackenschakal. Die Fahrt führt uns an Elefanten vorbei und an einem turnenden Bushbaby. Einen ersten Höhepunkt erreicht die Fahrt sichtungstechnisch, als wir auf drei Löwen direkt auf der Straße treffen, die sich von den Lichtkegeln zuerst kaum stören lassen, denen es aber dann doch zu viel wird und sie sich in den dichten Busch zurückziehen.
Die weitere Fahrt führt uns noch an einer weiteren Hyäne vorbei, die laut Oscar einem Leoparden den Riss abgejagt hat. Emsig zieht sie ein in zwei Teile gerissenes Impala von der Straße weg in den Busch. Den Leoparden bekommen wir leider nicht zu Gesicht.
Dafür kommt es auf der Fahrt noch zu einer ganz besonderen Begegnung, die all die blöden Umstände des Nightdrives vergessen macht, auch wenn kein Foto gelingt. Mitten auf der Straße sitzt ein Erdferkel! EIN ERDFERKEL! Ich kann es kaum glauben. Noch nie habe ich ein solches Tier sehen dürfen. Alle sind ganz aus dem Häuschen. Auch Oscars Stimme überschlägt sich voller Freude über diese Sichtung. Er meint, dass es auch seine erste Erdferkelsichtung sei und dass es Guides gebe, die seit 40 Jahren im Kruger arbeiteten, und die noch nie ein Erdferkel erblickt hätten.
Als das scheue Tier die Lichtkegel des LKW registriert, marschiert es stracks über die Straße hinweg in den tiefen Busch. Wir können nur noch sein Hinterteil ausmachen, wie es ästeraschelnd von Dannen zieht. Ich bin ganz begeistert und beschließe, die gerade entstandenen inneren Bilder ganz fest auf meiner internen Festplatte abzuspeichern. Wer weiß, ob ich jemals wieder ein Erdferkel in freier Natur sehen werde?
Zurück im Camp schlüpfe ich zu meiner Familie in die Betten und erzähle meiner Frau begeistert von den Sichtungen und entgeistert vom Verhalten anderer Mitfahrer. Bald darauf schlafen wir alle tief und fest - nicht ahnend, dass der kommende Tag der vielleicht spektakulärste der Reise werden würde...
Fortsetzung folgt.