Noch 6.7., Richtung Morogoro
Die Strecke wird immer schlechter, die Schlaglöcher werden größer, die Spurrillen häufiger. Aber nicht nur das, auch die Sonne sinkt immer tiefer
. Innerlich habe ich mich schon damit abgefunden, dass wir heute nicht mehr zur Vuma Hill Lodge im Mikumi kommen. Die Lodge ist zwar nicht so teuer wie Lake Manze, aber 200 US$ ppn FB sind ja auch nicht gerade wenig. 30% Anzahlung, also 120 US$ sind mindestens verloren, bei nicht rechtzeitiger Stornierung 400 US$. (Ich nehme mir vor, mit dem Manager hart zu verhandeln, schließlich habe ich ja heute Mittag angerufen und ihm von unseren Schwierigkeiten erzählt.) Und Morogoro noch im Hellen zu erreichen wird auch nicht einfach werden
.
Plötzlich reißt mich ein lautes Geräusch aus meinen Tagträumen . Wir gucken uns an, beide befürchten wir das schlimmste. Und leider bestätigt es sich – Platten vorne rechts. Véro behauptet, ich hätte den Wunsch geäußert, mich zu erschießen
. Ich erinnere das zwar nicht mehr, aber ganz von der Hand weisen möchte ich es auch nicht
. Wir sind sofort von einer Horde Kinder umringt. Etwas später kommt ein gewichtiger (in jeder Bedeutung des Wortes) Mann an und stellt sich als Dorfvorsteher und Lehrer vor. Das war auch gut so, denn da er Pyjamahose und ärmelloses Unterhemd trug, wäre ich nicht von selbst darauf gekommen
. Sein Englisch ist zwar nicht so dolle, aber darf ich meckern? Mein Kisuaheli ist nicht vorhanden. (Man sollte mit dem Selbststudium wohl doch mehr als 6 Wochen vorher beginnen
!)
Als erstes führt er mich zu einer Anhöhe, wo man Handyempfang haben soll. War aber nicht der Fall. Und hat mich auch nicht weiter gestört – vom örtlichen Waffenhändler mal abgesehen hätte ich auch nicht gewusst, wen ich hätte anrufen sollen
.
Handy funktioniert hier also nicht, aber die Buschtrommel. Nach kurzer (für afr. Verhältnisse) Zeit taucht ein junger Mann auf einem Motorrad auf. Dessen Englisch ist so gut, dass wir ihm erzählen können, warum wir keine Anstalten gemacht haben, den Reifen zu wechseln: erstens haben wir keinen Kreuzschlüssel (engl. Spanner, falls jemand mal in eine ähnliche Situation kommen sollte), und zweitens ist das Ersatzrad auch platt. Er verspricht, einen Mechaniker zu holen (Kisuaheli Fundi, falls jemand …, na gut, eher unwahrscheinlich
) . Kurze (afr.) Zeit später kommt er auch wieder, begleitet von einem zweiten jungen Mann, ebenfalls auf einem Motorrad. Der hat einen Spanner, das nützt aber nichts, da ja der Ersatzreifen auch platt ist. Die beiden scheinen aber einen Plan zu haben. Jedenfalls demontieren sie die beiden kaputten Reifen und befestigen sie übereinander auf dem Motorrad des Fundis. Und dann machen sie uns klar, dass wir jetzt zu einer Werkstatt fahren – Véro und ich hinten auf dem zweiten Motorrad. Inzwischen war es auch schon dunkel geworden, was heißt dunkel – stockdunkel! Und so fuhren wir als Sandwich – Véro als Belag zwischen dem Fahrer und mir – durch die Nacht. Im Scheinwerferlicht schien der Straßenzustand jetzt noch schlechter zu sein, aber unser Fahrer umkurvte geschickt alle Löcher und Hindernisse. Passieren konnte uns eigentlich nichts, schließlich hatte unser Fahrer einen Helm auf
. Die Fahrt dauerte glücklicherweise nicht lange. Die Werkstatt sah allerdings eher wie ein Laden aus. Das lag daran, dass es auch ein Laden war! Unser Fahrer erklärte uns, dass er nur schnell seinen Laden abschließen müsse. (Später erfuhren wir von ihm, dass er nicht nur diesen Laden hatte, sondern auch noch als Motorradmechaniker und Sanitäter arbeitete.) Dann ging es auch weiter durch die dunkle Nacht. Die Fahrt dauerte lange genug, dass ich mir einige Fragen stellen konnte: Was mache ich hier eigentlich, wo kommen wir her, wo fahen wir hin, hat das ganze einen verborgenen Sinn, und wenn ja, wie viele
? Véro hingegen erzählt mir gerade, dass sie die nächtliche Motorradfahrt unter dem Sternenhimmel trotz der Kälte sehr genossen habe.
Wir hielten dann vor einem dunklen Gebäude. Offensichtlich war niemand da, kein Wunder, inzwischen war es auch schon 21 Uhr. Der Fundi machte sich auf, den Werkstattbesitzer zu suchen. Unser Fahrer fragte uns dann, ob wir vorhätten, im Dunkeln nach Morogoro zu fahren. Falls nicht, könne er uns anbieten, bei ihm zu Hause zu schlafen, dass sei kein Problem. Ich hatte schon damit gerechnet, eine schlaflose Nacht im Auto zu verbringen – also nahmen wir das Angebot hocherfreut an.
Irgendwann kam dann der Werkstattbesitzer, und die drei gingen das Unternehmen Reifenreparatur an – im Schein einer Taschenlampe
! Aus irgendeinem (TAB = That’s Africa, Babe!) Grund gab es nämlich kein Licht! Schließlich hatten sie es anscheinend geschafft, allerdings sei der eine Reifen (erkennbar an einem Lederpfropfen, der in das Loch gesteckt wurde) nur noch für kurze Strecken im Notfall zu verwenden. Ich bezahlte den Werkstattmenschen und dann durchliefen wir das Prozedere noch einmal – die beiden geflickten Reifen aufs Motorrad, Véro und ich aufs andere und zurück zu unserem Auto. Dort wurden die beiden Reifen montiert, während ich den Lehrer fürs Aufpassen aufs Auto bezahlte. Wir fuhren dann mit Motorradeskorte zu dem Laden unseres Fahrers. Dort zeigte er uns unsere Unterkunft.
Es handelte sich um einen Raum neben seinem Laden. Darin befanden sich ein Doppelbett mit Moskitonetz, eine Bank mit Kissen drauf und Plastikbehälter in allen Formen und Farben. Unser Gastgeber wollte sich in seinem Laden ein Lager machen. (Ich glaube aber, er hat mit anderen die ganze Nacht gefeiert ! Jedenfalls dröhnte noch am Morgen Musik aus einer Kneipe schräg gegenüber.) Er zeigte mir seine Ablutions – ein Long Drop mit Sichtschutz. Eine weitere Beschreibung erspare ich mir – es genügt vielleicht, wenn ich erwähne, dass Véro auf Grund der Beschreibung auf einen Toilettengang verzichtet hat . Wir haben unser Lunchpaket geteilt, ich habe eine Schlaftablette genommen und wir haben uns ins Bett begeben. Ich habe tief geschlafen, während Véro die ganze Nacht versucht hat, anhand der Geräusche unter dem Bett und auf dem Dach zu erraten, welche Tiere uns da gerade besuchen
.
tbc