mitglied19210 schrieb:
Auf der anderen Seite generiert es mir zusätzlichen Stress, wenn ich nicht mal schnell alternative Routen checken kann, wenn ich mich in Großstädten wie Samarkand im Verkehr damit abmühen muss, mittels Karte irgendeine kleine Gasse zu finden. Wenn ich weiß, dass ich erst spät abends irgendwo ankomme, dann buche ich doch ganz gern schon von unterwegs eine Unterkunft per Agoda, Booking oder AirBnB, statt dann Abends Unterkünfte abzulaufen. Es nervt mich, wenn ich Dinge, die ich lesen will, mangels Übersetzung nicht lesen kann. Unter dem Strich übertrifft der Nutzen moderner Technik für mich weit deren negative Nebenwirkungen, also nutze ich das. Aber wie gesagt: Das gilt alles nur für mich. Andere reisen anders und haben andere Prioritäten und das ist gut so. Sonst würden wir ja alle exakt die selbe Reise machen. Wie öde wäre das denn?
Ich kenne das von den meisten meiner Bekannten auch, dass es ihnen auf diese Weise zu stressig wäre und sie lieber frühzeitig wissen, wo sie übernachten. Mir bereitet es umgekehrt Stress, wenn ich weiß, dass ich z.B. um 18 Uhr bei der Unterkunft sein muss. Dann verspüre ich schon wieder einen Zeitdruck, den ich im Alltag schon nicht mag.
Ich habe ein Zelt dabei und als Radreisender frage ich auch unterwegs mal, ob ich vor irgendeiner Hütte mein Zelt aufstellen kann. Das klappt auch ohne Sprachkenntnisse und zur Not stelle ich das Zelt auch irgendwo am Straßenrand auf.
Beim Rausfahren aus Johannesburg habe ich mich z.B. am Sonnenstand orientiert und in Zimbabwe und Guinea-Bissau war ich auch komplett ohne Landkarte unterwegs.
In Namibia, Alaska, Canada oder jetzt in Zentralasien mit größeren Entfernungen und wenigen Straßen/Pisten nehme ich natürlich 'ne Landkarte mit. Gegen Abend in Großstädte reinfahren vermeide ich nach Möglichkeit und übernachte lieber irgendwo außerhalb und komme dann in der Mittagszeit dort an. Dann gibt es keinen Zeitdruck bei der Suche nach einer Unterkunft.
Meine weitgehend planlose Art des Reisens hat mir die spannendsten Begegnungen und Übernachtungsmöglichkeiten beschert - vom Stammeskönig bis zum Übernachten in der Bibliothek einer Seemannsmission, zwischen Gräbern, auf Geländen von Krankenhäusern, Polizeistationen und bei wildfremden Menschen, die mich ohne zuvor ein Wort mit mir gesprochen zu haben, spontan zum Übernachten und/oder Essen eingeladen haben und sogar mal bei einem Nonnenkloster. Einmal hat man innerhalb von einer halben Stunde einen Ältestenrat zusammengerufen, bei dem 10 der 12 Mitglieder und der Dorfchef anwesend waren und man mich befragte und dann darüber beriet, ob ich im Dorf übernachten dürfe. Solcherlei Dinge erlebt man vermutlich nur, wenn man relativ planlos unterwegs ist, aber sich dann auch drauf einlässt.
Mit dem Fahrrad ist eine genaue Planung auch schwierig, wenn man nicht z.B. auf dem Donauradweg unterwegs ist. Man weiß vorher nicht, wie die Gegebenheiten sind. Ich bin mit dem Fahrrad und Gepäck schon 265 km Piste am Stück geradelt, aber habe anderswo 10 Stunden für 27 km gebraucht und war hinterher völlig kaputt. Ich lasse das einfach entspannt auf mich zukommen. Ich mache jetzt im 41. Jahr Radtouren und habe bereits bei der ersten gemerkt: Je genauer man plant, desto härter trifft einen der Zufall.
Gruß
Wolfgang