THEMA: Namibia zum 15. Mal - Erfahrungen, Nachdenkliches
26 Mai 2016 12:52 #432242
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  • freshy am 26 Mai 2016 12:52
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Berg-Eule schrieb:
Dass die Menschen in den Villages nicht mehr alle so leben wie vor Hunderten von Jahren, ist ja klar, aber dann sollte man es gleich als Living Museum ausgeben, da weiß man, dass die Menschen es nur nachstellen und in Wirklichkeit nebenan wohnen wie im Damara Living Museum.

Wir haben mit Marius Steiner vom Camp Aussicht zwei Himba-Dörfer besucht. Da waren alle jüngeren Männer europäisch gekleidet, die älteren teilweise noch traditionell, die Frauen alle entweder traditionell oder in Herero-Tracht. So weit ich mich informiert hatte, waren die Details, die getragen wurden, authentisch, allerdings hatten einige Frauen statt der Lederhaube einen Plastikfetzen auf dem Kopf, eine sogar eine Verpackung eines Schokoriegels o.ä.. :sick:

Allerdings war uns hier nicht vorgetäuscht worden, wir würden absolut traditionelles Leben sehen, sondern wir besuchten mit Marius die Dörfer, um die er sich kümmert, so wie sie eben heute sind; entsprechend waren auch die Erklärungen von Marius dazu. Wir bekamen keine "Vorführung", sondern gingen von Hütte zu Hütte, von Feuerstelle zu Feuerstelle. Marius sprach mit den Leuten, und wir erlebten deren tatsächliches heutiges Leben, das noch weitgehend so war wie früher, aber eben auch moderne Dinge integriert wie Plastikkanister, Blechlöffel, westliche Kleidungsstücke, ...

Bezahlt haben wir Marius als Guide, er brachte davon den Menschen Lebensmittel mit, es gab kein Gemaule. Außerdem war auch in beiden Dörfern Souvenirverkauf; Marius sagte uns jedoch ausdrücklich, dass wir nicht verpflichtet seien, etwas zu nehmen, aber es gab wirklich schöne Stücke, die weder nach Holzmarkt noch nach Chinaware aussahen; so erwarben wir z. B. einen Buben-Gürtel, der uns vorher vorgeführt wurde, wie er getragen wird. Das war meiner Meinung nach nicht so touristisch ausgerichtet. Allerdings kommen dort auch keine Busse hin, die Anzahl der Touris wird sich in Grenzen halten, und Marius hat (noch) die Hand drauf.

Wir haben den Besuch bei den Himbas mit Marius Steiner ebenso angenehm empfunden, wie du beschreibst. Ich kann mit jenen geschönten "Einblicken", die extra für Touristen in Szene gesetzt werden, absolut nichts anfangen. Den Kopfschmuck aus Plastik anstatt aus Fell fand ich witzig und kreativ. Wir tragen doch auch Modeschmuck aus Kunststoff :laugh: .

LG freshy
Letzte Änderung: 26 Mai 2016 12:54 von freshy.
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26 Mai 2016 13:29 #432249
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  • CuF am 26 Mai 2016 13:29
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Danke Burschi für die präzisen (und leicht resigniert klingenden?) Informationen.
Wer gestern auf 3sat die Filme über die Jagdfarmen in Südafrika gesehen hat, ahnt, wie sich die Dinge in Namibia weiterentwickeln (=euphemistisch) werden.
CuF
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26 Mai 2016 22:37 #432286
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  • bayern schorsch am 26 Mai 2016 22:37
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Hallo Burschi,

vielen Dank für Deinen höchst informativen Bericht!
Es ist immer wieder sehr interessant, wie die "alten Hasen" die Entwicklung in Namibia sehen. Schade, dass es lt. Deinen Ausführungen doch eher in die negatvie Richtung marschiert. Aber ich glaube, das ist heute überall auf der Welt.

Ein klein wenig traurige Grüße vom bayern schorsch, dem solch eine Entwicklung überhaupt nicht gefällt.
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27 Mai 2016 08:52 #432301
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  • travelNAMIBIA am 27 Mai 2016 08:52
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Hi bayern schorsch,

ich möchte keine Diskussion lostreten oder gar Burschis Thread missbrauchen.
Schade, dass es lt. Deinen Ausführungen doch eher in die negatvie Richtung marschiert.
diese zusammenfassende Darstellung ist natürlich aus Touristensicht relativ begrenzt. Fakt ist, und das hat Burschi ja hauptsächlich auch bemängelt, das die Kriminalität hier nicht niedrig ist. Mein - sicher ebenso subjektives Empfinden - aus dem täglichen Leben hier ist aber, dass sie nicht zunimmt (aber auch nicht abnimmt). Vielerorts wird es sogar deutlich besser (z.B. Swakopmund), in anderen Orten (v.a. die kleinre Städte) wird die Lage eher schlechter. Aber es gibt auch jede Menge positives, was man als Tourist vielleicht nicht so mitbekommt (kein Vorwurf! Als Tourist muss einen auch nicht alles interessieren.). Kriminalität ist natürlich ein Faktor, der auch besonders Touristen beeinflusst. Infrastruktur ist ein anderer und in dem Hinblick tut sich sehr viel positives (ob es nun neue Straßen, Ausbau von Straßen, Kommunikationsabdeckung etc. ist). Das der touristische Service vielerorts auf - sagen wir mal - ausbaufähigem Niveau ist, ist natürlich richtig :-) Das sind aber natürlich eher Einzeleindrücke, die kein Gesamtbild für die ENtwicklung eines Landes zulassen.

Ich kann nur für mich sprechen (und dem was ich täglich erlebe, sehe un d höre) und da würde ich die allgemeine Lebenssituation (Lebensqualität) heute als deutlich positiver einschätzen, als es noch vor 10 Jahren der Fall war.

Viele Grüße aus dem kühlen Windhoek (Neid, Swakopmund erwartet heute Ostwind bei 37 Grad)
Christian
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Letzte Änderung: 27 Mai 2016 08:53 von travelNAMIBIA.
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27 Mai 2016 09:17 #432305
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  • Berg-Eule am 27 Mai 2016 09:17
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Hallo Christian,
ich freue mich immer, wenn es Positives aus Namibia zu berichten gibt, und du hast natürlich Recht, dass man als Tourist nur eine eingeschränkte Sichtweise auf ein Land hat. Außerdem sind manche Entwicklungen global. Z. B. die Vermarktung "traditionellen Lebens" - siehe Hula-Röckchen etc. auf Hawaii. Selten leben die Menschen noch tatsächlich genauso wie vor 100 Jahren, sobald der erste Tourist hinkommt, ist das Ursprüngliche schon weg. Und gerade wo Busse-weise Menschen hingekarrt werden, kann man nicht mehrdavon ausgehen, dass es authentisch ist. Wie gesagt, eine Entwicklung überall auf der Welt.

Ähnlich ist es oft mit Qualität und Service; so lange ein Lokal/eine Unterkunft klein ist, muss man sich bemühen, sobald die Busladungen ankommen, wird es zum Selbstläufer. Wenn sich "Geheimtipps" erstmal rumsprechen, sind sie keine mehr. Das ist in Deutschland genauso.

Auch die Kriminalität wächst vermutlich mit dem zunehmenden Tourismus; wo viele Leute hinkommen, ist auch viel zu holen. Ob sie tatsächlich ansteigt, kann ich nicht beurteilen, ich glaube, es sind vor allem die Medienberichte, die die einzelnen Fälle stärker ins Bewusstsein tragen, aber auch als Mehrfachreisender in einem Land sieht man die einzelnen Fälle bewusster, weil man sich sagt "da war ich auch schon mal" oder "die/den kenne ich auch". Somit betrifft einen ein Fall stärker, als wenn er anonymer wäre.

Mir ging es z. B. so mit dem Überfall auf Frau M. aus dem Wronsky-Haus in Omaruru. Wenn ich nicht schon bei ihr eingekauft und mich nett mit ihr unterhalten hätte, wäre es ein Fall unter vielen gewesen, aber so war ich sehr betroffen von der Nachricht. Und je öfter man in Namibia reist, desto mehr Personen und Orte lernt man kennen, also gehen einem auch die Kriminalfälle näher als einem Erstreisenden.

Dagegen interessiert den Namibiareisenden eine neue Teerstraße eher weniger, im Gegenteil, man reist ja dorthin, um auf Sand oder Schotter zu fahren - wer denkt da schon daran, dass die Einheimischen, das anders sehen? ;)
Liebe Grüße von Gabriele


Jeder Augenblick ist von unendlichem Wert. (Seneca)
Letzte Änderung: 27 Mai 2016 09:19 von Berg-Eule.
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29 Mai 2016 16:05 #432502
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  • Burschi am 29 Mai 2016 16:05
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Hallo Gabi und Christian,
danke, dass ihr euch aus eurer Sicht zu meinen Gerdanken geäußert habt. Ich gebe euch beiden Recht. Christian sieht das natürlich aus der Perspektive des in Namibia Lebenden und auch als - das darf ich annehmen - Jüngerer. Gabi weist auf etwas hin, was auch mir so geht. Hatte noch vor Jahren der Farmer zu mir gesagt: "Das Auto kannst du da stehen lassen, auch wenn die den Schlüssel nicht abziehst, da kommt nichts weg!" Er sagt heute: "Hast du das Auto auch gut abgeschlossen?" Zum Glück hat sich auch die Autoindustrie auf die Veränderung eingestellt. Während früher mit nur einem Switch alle Türen aufgegangen sind, öffnet sich heute bewusst nur die Fahrertür. Klasse! Ich finde das gut, denn dann muss ich als Alleinfahrer nicht ständig alle Türen im Auge behalten. Außerdem schließen alle Türen nach ein paar Metern Fahrt wieder automatisch.
Aber lasst mich zum Abschluss noch ein paar Worte dazu schreiben, wie ich die Situarion sehe:
Zunächst bei uns:
Früher - ich wohne an der A9 - war die Autobahn vierspurig und nach Norden fast leer.
Heute ist sie sechsspurig, die rechte Spur von LKW-Kolonnen befahren, von 20 Fahrzeugen sind 18 aus Polen, die Abgase, die in unsere Stadt strömen, haben sich verzigfacht - es gibt keinen mehr in unserer Familie, der keine Allergie hat - die Lärmbelästigung bei Westwind ist nun Tag und Nacht. Aber alles wird nun viel schneller transportiert.
Früher habe ich um mein Grundstück einen Zaun gezogen, weil mir in der Nacht die Hasen und Rehe den Salat weggefressen haben.
Heute muss ich die Fenster des Hauses mit Panzerglas einbruchsicher machen, weil Räuberbanden aus dem Osten regelmäßig in die Wohnsiedlung eindringen. Aber den Salat fressen nicht einmal mehr Schmetterlingsraupen.
Früher habe ich im Winter über 1 Zentner Vogelfutter verfüttert, weil Aberhunderte von Vögeln sich bei hohem Schnee in unserem Garten tummelten.
Heute verfüttere ich 1 Kilo im ganzen Winter. Es gibt keinen Neuntöter, keine Rebhühner, viele andere Arten nicht mehr und auch der Haussperling, einst verhasst, weil er den jungen Salat vertilgte, gehört nun zu den bedrohten Arten. Aber ich spare enorm am Vogelfutter.
Früher bin ich 50 Meter weiter mit dem Einkaufskorb in den Laden um die Ecke gegangen und habe gekauft, was ich gebraucht habe und was in den Korb gepasst hat.
Heute laufe oder fahre ich mit dem Fahrrad 500 Meter in den Supermarkt, kaufe ein, was in den Korb passt und was ich brauche, auch wenn das Angebot 1000 mal größer ist. Manchmal kaufe ich auch weniger, wenn mich die Massen an Fleisch oder auch Schokolade (ich esse beides gerne!) anekeln, weil ich solche Berge als unappetitlich empfinde.
Früher habe ich mit den Nachbarn ein Gartenfest gefeiert und wir haben uns gegenseitig geholfen. Heute kann ich mit meinen Nachbarn nicht mal mehr reden, weil ich Depp kein Russisch verstehe und wenn sie ihre Parties feiern, bin ich nicht dabei.
O.K. ich bin eben ein Fossil! Vielleicht gehöre ich gar nicht mehr in diese moderne, viel bessere Welt? Wirklich besser?
Na. ich fahre ja nach Namibia, weil ich die "heile Welt" glaube da noch finden zu können. Irrtum! Da ist ja auch alles besser geworden!
Früher konnte man ohne Western Bypass und ohne großzügigen Straßenausbau in Seelenruhe durch Windhoek fahren.
Heute kann man durchrasen! Auch nicht schlecht!
Früher musste man sich auf Gravelroads durch den Caprivi - zum Teil noch im Militärkonvoi - plagen.
Heute düst man auf dem Highway zügig durch.
Früher war die Fahrt nach Epupa ein mehrtägiges Abenteuer, heute kann man in einem Rutsch durchs Kaokoveld.
Früher hatte ich weder Handy noch Cellphone oder Samrtphone oder Navi. Ich bin überall angekommen, habe aber öfter mal angehalten und mit leuten geredet. Das ist heute nicht mehr nötig, der Satellit steuert mich schon.
Naja, wenn ihr das Fortschritt nennt, dann muss ich euch aus eurer Perspektive natürlich Recht geben.
Aber:
Wenn einst in Windhoek nur noch aus dem Wasserhahn des Präsidenten ein paar Tropfen raus kommen,
wenn es auf der vierspurigen Autobahn in die Etoscha Staus gibt,
wenn dort dann das letzte Gürteltier sein Leben ausgehaucht hat,
wenn das letzte Nashorn von einem Wilderer erschossen wurde, weil der Geld für sein Samrtphone brauchte,
wenn nach vier Jahren Dürre auch der Baobab in der Regenzeit keine Blätter mehr bekommt,
wenn man an den Pads in der Etoscha mehr verdurstete und verhungerte Tiere als lebende sieht,
...
dann werdet auch ihr in Namibia feststellen, dass man Geld nicht essen und schon gar nicht trinken kann! :(
Nachdem ich ja "Nachdenkliches" in den Titel des Threads gestellt habe, erlaubt mir einfach dies als Schlusswort.
Viele liebe Grüße:
Burschi
Und trotzdem habe ich die Reise für 2017 schon gebucht. :)
20x Namibia, 6x Botswana, 6x Südafrika, 4x Simbabwe, 2x Sambia, 1x Tansania, 2x Kenia, 1x Mauritius
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