THEMA: Vertreibung und Vernichtung der Ovaherero und Nama
06 Nov 2023 13:21 #676591
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  • Hans-Wolf am 06 Nov 2023 13:21
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Ehe die Diskussion endgültig ins Absurde abgleitet, hier Artikel 7 der Europäischen Menschenrechtskonvention

(1) Niemand kann wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Ebenso darf keine höhere Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung angedrohte Strafe verhängt werden.

(2) Durch diesen Artikel darf die Verurteilung oder Bestrafung einer Person nicht ausgeschlossen werden, die sich einer Handlung oder Unterlassung schuldig gemacht hat, welche im Zeitpunkt ihrer Begehung nach den von den zivilisierten Völkern allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen strafbar war.


Natürlich gibt es spätestens seit den Nürnberger Prozessen bei Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eine Rückwirkung von Gesetzen. Anders wären Prozesse gegen Naziverbrechen oder Mauerschützen zu DDR-Zeiten gar nicht denkbar.
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06 Nov 2023 15:00 #676600
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  • tacitus am 06 Nov 2023 15:00
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mitglied19210 schrieb:
Wenn die deutschen Truppen die Herero auf Befehl von Trotha tatsächlich in die Wüste getrieben haben, damit die Herero da verrecken, dann wäre das aus meiner Sicht nach heutigen Maßstäben (versuchter) Genozid. Das andere Narrativ ist, dass die Herero von sich auch in die Omaheke geflüchtet sind und von Trotha das im Nachhinein zu einer militärisch-strategischen Glanzleistung seiner selbst umgedichtet hat. Dann kann das doch kein Genozid sein? Ich weiß aber nicht, welches Narrativ stimmt.

Hallo mitglied19210
Mir ging’s/geht‘s um die geschichtliche Einordnung und nicht um „Entschädigung“ unter welch immer Titel, weil das die Sicht verstellt. Mein Außeneindruck ist auch, dass da mit Kalkül ein Popanz gefüttert wird, weil kein ernstzunehmender Entscheidungsträger auf die ausgerufenen Beträge eingehen wird. Eigentlich ist das alles längst „gegessen“, es gibt das oder gar nichts. Persönlich finde ich es gut und angebracht, dass D das macht.
Mir persönlich ist die Frage der "Benamung" des Unrechts auch weniger wichtig als die Anerkennung als solches. Deswegen meine ich auch, dass alleinige Konzentration auf die „militärischen“ Aspekte, Verträge mit GB udgl. zwar unerlässlich sind, aber keine alleinige Bewertung liefern kann.
Denn was macht es in Bezug auf das Endergebnis (mehr als die Hälfte der Hereros tot) und die völkerrechtliche Einordnung 100 Jahre danach aus, dass die „Schlacht am Waterberg“ eigentlich gar nicht stattgefunden hat und auch sonst nur kleine Gefechte waren? Ob die Todesursachen waren: Im Kampf gefallen oder auf der Flucht verdurstet oder verhungert oder in Gefangenschaft an Seuchen oder Hunger gestorben oder zu Tode geschuftet?

Die Frage, ob die auch dokumentarisch belegte Vernichtungsabsicht dem Zeitgeist entsprechend, also "rechtens" war, ist doch auch längst dadurch beantwortet, dass die deutsche Führung und Öffentlichkeit Trothas Kriegsführung und Maßnahmen schon damals verurteilte und aufhob. PS:17:50 ein Unrechtsbewusstsein seitens Deutschlands als manifest war.

Grüße

In diese Diskussion jetzt die Kriege der Antike udgl. einzubringen, halte ich angesichts der eigentlich noch recht jungen Kolonialgeschichte und unserer eigenen noch viel jüngeren, durch schwere Verbrechen belastete, Geschichte, für eine Ablenkung vom Wesentlichen und das war (sehr verkürzt), dass in Herrenmenschen und Untermenschen unterteilt wurde. Das sah dann beispielsweise so aus, dass Buschleute im südlichen Afrika als Wildschädlinge (vermin) eingestuft waren und bei Erlegen von hoheitlichem Wild erschossen werden durften. So war der von Manchen glorifizierte koloniale Zeitgeist. Das ist nur 150 Jahre her. Das gegenständliche Thema nur 100 Jahre und der wurde noch viel, viel schlimmer und hat auch "danach" nochmals Jahrzehnte nachgewirkt. Alle Älteren kennen einzelne Verfechter davon oder haben kennengelernt.
Es wurde besser, aber vergessen sollte man es nicht. Mit Verunglimpfung unserer Vorfahren hat das nichts zu tun. mM.
Letzte Änderung: 06 Nov 2023 17:47 von tacitus.
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06 Nov 2023 21:33 #676664
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  • JP K am 06 Nov 2023 21:33
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Interessant ist, was die Wissenschaftlichen Dienste und der Bundestag zur Rückwirkung geschrieben haben: Rückwirkung des Begriffs Völkermord auf vor der Völkermord-Konvention liegende Ereignisse: ja (politischer Sinn), Rückwirkung des Begriffs in juristischem Sinn (d.h. Reparationsansprüche): nein. Damit haben die Nachfahren der Germanen keine Ansprüche an die Römer bzw. den italienischen Staat :laugh:
www.bundestag.de/res...-092-15-pdf-data.pdf
www.bundestag.de/res...-053-21-pdf-data.pdf

Meiner Meinung nach sollte die Waterberg-Schlacht nicht isoliert betrachtet werden bei der Frage ob Völkermord ja oder nein, sondern zumindest auch alle aktiven Massnahmen die danach getroffen wurden und ihre Todesfolgen, zB. Internierung in Konzentrationslager und die damit zusammenhängende Anzahl an Toten etc. Das heisst, alle Tote sollten gezählt werden ab dem Zeitpunkt der Äusserung des Vernichtungswillens. Da auch nach Abberufung von von Trotha das Morden bzw. Sterbenlassen weiterging, sollte nicht auch das mitgerechnet werden?
Letzte Änderung: 06 Nov 2023 22:23 von JP K.
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07 Nov 2023 09:26 #676687
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  • MatzeHH am 07 Nov 2023 09:26
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Wie will man jetzt noch die Toten zählen ?
Die Opfer waren zum Teil Nomaden. Wer wollte da halbwegs genaue Zahlen haben ? Die Missionare, nicht nur die deutschen, hatten wohl gern etwas großzügig gezählt um mehr Unterstützung aus ihrer Heimat zu bekommen.

Noch etwas was gern durcheinander geworfen wird:
Staaten können für Kriegsverbrechen nicht juristisch belangt werden. Nur Personen. Da keiner mehr aus der Zeit lebt, fällt das weg.
Es kann daher nur moralisch bewertet werden.
Danke und Gruß


Matze
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11 Nov 2023 13:36 #676959
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