6. September: Düne rauf, Düne runter
Kurz vor Sonnenaufgang sind wir tatsächlich wach, den Wecker hätten wir fast nicht gebraucht. Der Himmel leuchtet eindrucksvoll durch die Fensternetze, und die wunderbaren Farben scheuchen uns aus den Federn. Es war eine von insgesamt nur zwei kalten Nächten auf dieser Reise, die frisch gereinigten Bushlore-Schlafsäcke tun aber ausreichend ihren Dienst und vorsorglich hatten wir noch eine Decke dabei, die ebenfalls zum Einsatz kam.
Beim Umziehen schlottere ich allerdings ganz schön vor mich hin, zumal ich am Vorabend nicht gleich die Sachen für den nächsten Morgen zurechtgelegt habe. Ein Kardinalfehler. Bibbernd fahnde ich im Lichtkegel der Stirnlampe nach meinem dicken Kapuzenpulli, den ich ganz bestimmt mitgenommen habe. Er liegt ganz unten in der Tasche vergraben. Natürlich.
Weil rätselhafterweise nichts von unseren Sachen an dem Ort ist, wo ich sie vermute, brauche ich viel länger als gedacht, um überhaupt auch nur angezogen zu sein. Die Sonne wartet jedoch nicht und so wird die angedachte Katzenwäsche auf später verschoben. Ist ja eigentlich auch egal, ob man verlottert...
Die anderen beiden schlafen noch und wir versuchen, so leise wie möglich zu sein. Die Heckklappe hat allerdings ihren eigenen Kopf und fabriziert beim Öffnen stets ein durchdringendes "Klong", wenn sie oben angekommen ist und ein Metallbügel schwungvoll (und auch zweckfrei) umschlägt. In der Stille klingt das wie ein Donnerschlag. Da hilft nun auch kein guter Schlaf.
Einer der Vorzüge der Venus-Campsite ist eine große Düne direkt nebenan.
Sie ist mit ihrem weiten Blick wie gemacht für Sonnenauf- und -untergänge. Als wir hinaufstapfen, sind die Sandwellen noch unberührt und es tut uns beinahe leid, sie zu zerstören. Schon am nächsten Morgen hat aber der Wind sein Werk getan und unsere Spuren verwischt, als hätte es sie nie gegeben.
Unser Hausberg, im Hintergrund die Campsite Orion (in einer Linie hinter mir). Sie ist noch weiter entfernt, als es hier aussieht. Man bekommt von den Nachbarn absolut nichts mit.
Oben angekommen, sind Licht und Ausblick überwältigend.
Wir müssen gar nicht groß drüber reden. Es ist klar, dass wir noch weitergehen. Diese grandiose Landschaft, die sich vor uns ausbreitet, zu Fuß erobern wollen. Zumindest einen Teil davon.
Wir laufen unseren "Hausberg" hinunter, durch ein kleines Dünental und dann die nächste Düne wieder hinauf. Und dann noch eine und noch eine. Was für ein Privileg, solch einen Ort für sich zu haben. Wenigstens für eine kleine Weile. Wir versuchen die vielen kleinen und größeren Tierspuren im Sand zu lesen, was uns manchmal, aber nicht immer gelingt.
Wir können uns kaum sattsehen an den Farben und Formen. Längst ist es warm geworden. Als sich hinter der höchsten Düne eine weite Ebene erstreckt, laufen wir im großen Bogen zurück.
Zurück an der Campsite, bereiten Sandra und Christoph schon emsig das Frühstück. Es gibt leckeres Rührei und danach im campsiteeigenen Bad eine warme Dusche. Ein riesiger Gecko schaut zu. Der darf das.
Sandra will ein wenig wandern, und wir gehen noch einmal mit. Diesmal in die andere Richtung. Das sanfte Morgenlicht ist weg, doch es ist erneut ein schöner Spaziergang. Und ein interessanter dazu. Wir treffen viele kleine Wüstenbewohner.
Als wir zurückkommen, ist Christoph beim Lesen im Campingstuhl eingenickt. Eigentlich eine gute Idee. Wir klettern ins obere Stockwerk und schlafen uns endgültig die Batterien wieder voll.
Um 15 Uhr kommt pünktlich der Guide. Wir bleiben mit ihm ein Quintett, und ich freue mich darauf, mehr von der Landschaft zu sehen, die wir uns bei der Tok-Tokkie-Wanderung nur zu einem kleinen Teil erschließen konnten.
Es macht riesig Spaß, sich durch die Gegend gondeln zu lassen. Der Fahrtwind vertreibt die Hitze des Tages. Wir sehen nicht so viele Tiere wie am Vorabend bei unserer Ankunft, aber die farbenfrohe Landschaft ist atemberaubend schön und überraschend abwechslungsreich.
Mal geht es die Dünen hinauf, dann hinunter. An einem der höchsten Punkte halten wir an und steigen aus. Ein Höhepunkt - buchstäblich.
Dann geht es steil hinunter. Fühlt sich fast an wie freier Fall. Doch unser Fahrer kennt das Gelände wie seine Westentasche, man merkt es deutlich.
Unten liegt eine gigantische Ebene. Wieder ist die Landschaft ganz anders. Und glatt wie ein Spiegel. Der Horizont scheint manchmal endlos.
Wieder halten wir auf einer Düne an, die Sonne geht unter. Nach fast vier Stunden endet unsere Tour, wir haben jede Minute genossen.
Zurück an der Campsite lockt uns das letzte Licht des Tages noch einmal in die Dünen, die uns in alle Richtungen umgeben.
Ich setze mich in den warmen Sand und lausche dem Konzert der Geckos. Der Himmel glüht. Es ist ein perfekter Moment.