17. Kapitel: Mehr Touristen als Tiere
02.08.2019
Heute soll es auf unseren ersten geführten Gamedrive an die Chobe-Riverfront gehen. Meine Erwartungen an diese Ausfahrt sind hoch – den Grund dafür kann ich selbst nicht wirklich nennen. Vielleicht weil wir – anders als gewöhnlich – geführt unterwegs sein werden, vielleicht auch, weil sich die Reise so langsam ihrem Ende entgegen neigt.
Bereits um 5.45 Uhr werden wir an unserer Unterkunft abgeholt. Draußen ist noch pechschwarze Nacht – die Kinder zu dieser frühen Stunde zu wecken löst durchaus ein schlechtes Gewissen aus.
Das Prozedere des Fertigmachens verläuft dann aber besser und zügiger als befürchtet und so sind wir tatsächlich pünktlich bereit für unser erstes Familiensafari-Abenteuer in Botswana.
Wir werden mit einem Kleinbus abgeholt und zu einem Treffpunkt an der Transitstraße gefahren, wo wir einige Minuten auf das Gamedrive-Fahrzeug warten müssen. Dabei braust bereits eine ganze Anzahl von offenen Landcruisern an uns vorbei in Richtung Sedudu-Gate. Ein Menetekel…
Als unser Fahrzeug ankommt, ist es bis auf vier unzusammenhängende Plätze besetzt. Wir müssen für Verständnis werben, dass unsere Kinder nicht allein sitzen können und finden dann auch eine Lösung, bei der wir jeweils zu zweit zusammensitzen können.
Wenige Minuten später erreichen wir kurz nach sechs Uhr das Sedudu-Gate. Und der erste Eindruck, den wir hier gewinnen, ist schon krass. Es steht eine wirklich große Anzahl an Gamedrive-Autos herum – so etwas haben wir in Afrika noch nie zuvor erlebt. Das grenzt schon an die Eindrücke, die wir am Gate des Yala NP in Sri Lanka sammeln mussten. Hier ist es uns definitiv zu voll.
Als wir die Registrierung abgeschlossen haben, reihen wir uns in den Konvoi ein, der zur Riverfront rumpelt. Immer werden wir auf diesem Gamedrive in mehr oder weniger großem Abstand Fahrzeuge vor und hinter uns haben. Teilweise fährt man als veritable Fahrzeugkette durch den Busch und am Ufer des Chobe entlang. Das erinnert uns mehr an eine Fahrattraktion in einem Freizeitpark, in der eine Kette von Gondeln aneinander befestigt ist, als an eine Pirschfahrt in einem afrikanischen Nationalpark. Widerwillig kalibriert sich die Erwartungshaltung…
Immer wieder hält der Guide und gibt uns Erklärungen zum Grenzverlauf zwischen Botswana und Namibia und dem Konflikt um Sedudu-Island. Tiere sehen wir im Zwielicht eher wenige, nur einige Kudus lassen sich sehen. Für Fotos ist das Licht jedoch noch zu schlecht.
Als die Sonne langsam aufgeht, kommen wir auf dem Weg ans Flussufer an großen Bäumen vorbei, auf denen zahlreiche Marabus die Nacht verbracht haben. Ein eindrucksvoller Anblick.
Auch der Sonnenaufgang über der Flusslandschaft ist schön.
Auf der River-Front-Road setzt sich dann unsere Konvoifahrt fort. Wir halten an einem Flusspferd, das an der Böschung über uns steht und sich wegen der großen Anzahl an Fahrzeugen nicht zum Fluss zu trauen scheint. Lange bleiben wir hier stehen, wir finden das eher schade.
Auf der Weiterfahrt haben wir einige schöne Vogelsichtungen im Licht der aufgehenden Sonne. Der obligatorische Schreiseeadler sitzt in einem Uferbaum. In und an flachen Tümpeln waten und warten Nimmersatte und Löffler.
Immer wieder beäugt der Guide die Sandstraße und sucht nach interessanten (Katzen-)Spuren. Ich frage mich, was das im Angesicht der aktuellen Situation bringen soll, denn wir fahren sowieso einen mehr oder weniger festgelegten Loop ab und sind dazu noch hoffnungslos in der Blechkaravane eingereiht. Hmmm…
Eine unserer Mitfahrerinnen stellt sich zu allem Überfluss als amerikanische Influencerin mit eigenem You-Tube-Channel heraus, die ständig ihre Mitfahrer abfilmt und interviewt. In solchen Momenten komme ich mir so alt und fremd in der Welt vor. Das Gebaren der jungen Dame hilft nicht, die Laune zu heben.
Überragende Sichtungen haben wir am heutigen Morgen nicht. Immer wieder halten wir für eine längere Zeit bei Impalas oder Pavianrotten. Letztere ermöglichen uns netterweise einige schöne Aufnahmen. Vor allem ein im Licht der Morgensonne meditierender Pavian hat es uns angetan.
Aber auch die Jungtiere lassen interessante Beobachtungen zu.
Bald darauf lassen sich einige Zebramangusten im schönen Licht blicken.
Ohne weitere nennenswerte Sichtungen erreichen wir nach gut zwei Stunden die Serondela Picknick Site. Auch hier herrscht Hochbetrieb und wir rasten mit gut zehn weiteren Fahrzeugen hier. Mit diesem Massenandrang hatten wir im Vorfeld nicht gerechnet. Wir wussten zwar, dass die Region gut besucht ist, aber so gut… Ich muss zugeben, dass ich ein wenig frustriert bin.
Als wir nach der Pause weiterfahren, geraten wir nach wenigen hundert Metern in einen Stau. Da wir rund fünf Fahrzeuge vor uns haben, können wir natürlich nicht auf Anhieb erkennen, was gesichtet wurde. Und hier ist wirklich alles möglich, denn auch bei der Sichtung von Pavianen ergibt sich in den frühen Morgenstunden an der Riverfront durchaus ein kleiner Stau…
Irgendwann können wir mit verrenkten Hälsen aber tatsächlich einen Honigdachs nah an der Straße ausmachen. An Fotos ist wegen des Verkehrsaufkommens aber nicht zu denken. Alsbald verabschiedet sich der Dachs und trabt zielstrebig durch das hohe Gras von der Straße weg. Wir können noch einige Blicke auf eines unserer Lieblingstiere erhaschen.
Fotos wiederum werden durch das Tempo des Tieres und die recht dichte Vegetation verhindert. Aber immerhin: Eine Honigdachssichtung! Die anderen Fahrzeuginsassen finden das eher weniger spektakulär.
Bald löst sich der Stau auf und der Safarikonvoi zieht weiter- begleitet von den Kommentaren der You-Tuberin.
Wir fahren auf einer Anhöhe zurück in Richtung des Gates und haben immer wieder schöne Blicke auf den Chobe mit seinen Bewohnern.
Irgendwann dann wieder ein Stau. Lange warten wir, bis wir an der Reihe sind, um dann ein im Busch schlafenden Flusspferd abzulichten. Ein unverbuschter Blick ist nur aus einem bestimmten Winkel möglich und so dauert es, bis das Auto sich immer wieder so platziert hat, dass jeder mal einen guten Blick auf das müde Tier werfen kann. Ich muss zugeben, dass meine Geduld hier durchaus strapaziert wurde… So unterschiedlich sind eben die Bedürfnisse der verschiedenen Mitfahrenden.
Vorbei an tief im hohen Gras stehenden Elefanten nähern wir uns einem kleinen Höhepunkt der Fahrt. Wir treffen auf eine Herde Rappenantilopen, über die wir uns sehr freuen, die jedoch für die anderen Insassen eher uninteressant zu sein scheinen.
Das Licht ist nicht mehr außerordentlich gut, aber trotzdem machen wir hier viele Fotos – wohl auch als Kompensation für die ansonsten eher unspektakuläre Tour.
Ein Marabu lässt sich noch kurz vor Erreichen des Gates blicken und dann ist Schluss für den heutigen Morgen.
Um kurz vor zehn Uhr sind wir zurück in der Unterkunft und ich muss zugeben: Ich bin enttäuscht. Es waren zu hohe Erwartungen im Spiel – es war eben auch „nur“ ein normaler Gamedrive und da ist immer Glück ein entscheidender Faktor. Das ist mir hinlänglich bekannt.
Und zu allem Überfluss haben wir auch vergessen, den Bestechungs-Schnaps zu trinken. Dies jedenfalls wird nicht noch einmal passieren.
Aber dass über weite Strecken im Konvoi mit vielen anderen Gamedrive-Fahrzeugen gefahren wird und man zumeist mehr Autos als Tiere im Blick hat, ist schon extrem desillusionierend. Und auch die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse der Insassen und das damit verbundene Gefühl von Fremdbestimmtheit haben die Fahrt nicht entspannter werden lassen.
Uns ist zu diesem Zeitpunkt klar, dass wir diese Situation nicht wiederholen wollen und so organisieren wir für den übermorgigen Gamedrive um: Wir zahlen ein Upgrade für eine Privatfahrt, um selbst mehr Einfluss auf den Rhythmus haben zu können und wünschen uns, dass wir früher am Gate sein können, um wenigstens als eines der ersten Autos in den Park fahren zu können.
Jetzt heißt es aber erstmal entspannen und spielen, denn am Nachmittag steht unsere erste Bootstour auf dem Chobe an. Meine Erwartungshaltung hat sich zum Glück schon kalibriert. Ich versuche mich trotzdem uneingeschränkt auf die anstehende Fahrt zu freuen…