Auf der Suche nach dem Göttervogel
Am zweiten Morgen in der Orosi Lodge lassen wird es langsam angehen. Wieder so ein tolles Frühstück, wieder Sonne, wir haben nur rund zwei Stunden Autofahrt vor uns und alle Zeit der Welt.
Schließlich verlassen wir das malerische Tal, in dem wir uns so wohl gefühlt haben, und nehmen die knapp 100 km auf der südliche Panamericana nach San Gerardo de Dota unter die Räder. Das Dorf am Fuße der Talamanca-Bergkette in einer Höhe von 2.200 m war ein Tipp unserer Reiseagentur, wieder ein ganz anderes Klima, wieder eine völlig andere Gegend, wir sind gespannt, was uns erwartet.
Wir sind noch nicht lange unterwegs, da fahren wir mitten hinein in die Berge und den Nebelwald. Die Straße ist perfekt ausgebaut, doch kommen wir zuweilen nur schleppend voran, weil dicke LkW auf dem Weg nach Panama die Steigungen hinaufächzen und nicht überholt werden können.
Schließlich biegen wir rechts ab in eine kleine Straße, in Haarnadelkurven geht es steil bergab nach San Gerardo de Dota.
Die Trogon Lodge liegt idyllisch am Anfang des engen Tals nahe des Nationalparks Los Quetzales und mitten im Grünen. Eine wunderbar gepflegte Anlage, ziemlich groß, aber nur wenige Gäste. Die Gegend gilt als relativer Geheimtipp unter Natur- und Vogelliebhabern, und bleibt von Touristenmassen (noch) verschont.
Blick auf die Hauptgebäude der Trogon Lodge
Blick von der Trogon Lodge in den Nebelwald, der seinen Namen auch verdient.
Die Luft ist frisch und klar, ein krasser Gegensatz zur Schwüle zu Beginn unserer Reise und auch zum Orosi-Tal, wo es zwar trocken, aber warm war. Tagsüber reicht ein T-Shirt, wir lesen in der Sonne und gehen im Garten und im angrenzenden Regenwald auf Fotopirsch.
Hm, lecker...
Doch kaum verschwindet die Sonne hinter den Bergen, wird es knackig kalt. Zu kalt für meinen Geschmack, brrrr. Ich sehne den Einheizer herbei, der in unserer urigen Cabana, die mit weitem Blick in den Berghang gebaut ist, allabendlich den kleinen Gasofen anschmeißt. Alleine dürfen wird das nicht.
Nicht gerade hoch im Kurs stehen bei mir die Mahlzeiten morgens und abends im zwar schönen, aber viel zu kalten Restaurantbereich. Die wenigen Kaminöfen sind zu klein, um ernsthaft etwas auszurichten, und so kommen wir beim Essen um dicke Jacken nicht herum. Gemütlich geht anders.
An beiden Tagen haben wir allerdings noch vor dem Frühstück ein Highlight schon hinter uns: Die Gegend wirbt mit einer 100-prozentigen Quetzal-Garantie - und hält dieses Versprechen auch. Dieser Vogel ist allerdings ein besonders früher. Und so schälen wir uns morgens weit vor Sonnenaufgang aus dem warmen Bett; ziehen in vielen Lagen über, was uns in die Finger kommt und machen uns nach einem hastigen Kaffee/Tee auf, den Göttervogel zu finden. An Tag eins mit, am zweiten ohne Guide.
Kolibri mit Nachwuchs in der Nachbarschaft
Die Guides wissen genau, wo die Vögel zu finden sind. Weit laufen müssen wir nicht. Hinter der Lodge rund 300 m die Straße hoch wächst ein Avocadobaum und damit ein Zielobjekt allererster Güte für den Quetzal, der bei den Azteken das Symbol der Freiheit war. Deshalb, weil er in Gefangenschaft nicht überleben kann und schon nach wenigen Tagen eingeht.
Dummerweise liebt dieser prächtige Vogel nicht nur die Freiheit, sondern auch seine Privatsphäre. Ein weißer Strich auf der Straße markiert, wie nah wir ran dürfen an den Avocadobaum und damit im besten Fall an den scheuen Vogel. Sehr nah ist das nicht, ein Hoch aufs Tele, doch das Problem ist das Licht. Das ist bestenfalls schummrig, ich beobachte die Sonne, nur noch ein bisschen, dann steigt sie über die Bergkante, die ersten Strahlen - und schon ist er weg.
Am nächsten Morgen dasselbe Spiel: Wir laufen hoch, wenn auch diesmal ohne Guide, gehen auf den - pardon - bis zum Strich. Immerhin, es ist einen Tick heller, der Quetzal kommt, die Sonne auch - das war's. Wer den Vogel besser beobachten und ablichten will, sollte die Nistzeit wählen. Doch trotz seiner Schüchternheit war die Begegnung ein tolles Erlebnis für uns.
Zumal es mehr zu sehen gibt. Im Regenwald drumherum und im Dorf entlang des Savegre-Flusses. Eine Handvoll Häuser, ein friedliches Idyll mit herrlichen Gärten, vereinzelten Lodges und einer Vielzahl von Kolibris, die uns umschwirren.
Grüne Kolibris,...
...bunte Kolibris,...
...Kolibris mit XXL-...
...und mit XXS-Schnäbeln...
...und Kolibris mit Spoiler.
Man hört sie weit bevor man sie sieht, das Surren der flinken Flügel klingt wie das einer Hummel oder einer Biene.
Die unberührte Schönheit, die Ruhe und Abgeschiedenheit gefallen uns und auch die reiche Vogelwelt, die hier in den Bergen so ganz anders ist.
Nach zwei kühlen und ruhigen Abenden mit Hüttenfeeling sind wir aber auch bereit für neue Abenteuer - und den erhofften Höhepunkt dieser Reise: die Osa-Halbinsel mit dem Nationalpark Corcovado.