THEMA: Vertreibung von ca. 40 000 Massai?
20 Nov 2014 21:30 #363370
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  • Biologe am 20 Nov 2014 21:30
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ein freundschaftliches und friedliches Hallo in die Runde,

dieses Thema scheint sehr emotionsgeladen, was durchaus verständlich ist. Es macht aber wenig Sinn, den Verdacht aufkommen zu lassen, dass man sich an altbiblischen Regeln orientiert.
Die Masai selbst haben erst vor rund 150 Jahren - teils gewaltsam und grausam vorgehend gegen andere Stämme - Land in Tansania besiedelt und sind dabei wahrlich nicht zimperlich umgegangen.

Wann war die Geschichte schon mal zimperlich? In der Schule haben wir ausschließlich die Kriege auswendig lernen müssen; oK, es gab auch mal kurze Zeit Frieden. Ich habe aber auch gelernt, dass diese vergangenen Zeiten keine Rechtfertigung bieten dürfen, anderes Unrecht dadurch zu legitimieren.

Die Masai zählen wahrlich nicht zu meinen Favoriten und Lieblingen, dennoch halte ich es für mehr als bedenklich, wie mit ihnen verfahren werden soll. Warum schmeißt man nicht auch die Farmer raus, die Löwenbabys überfahren?

Ich möchte weiß Gott keinen scharfen Ton in die Diskussion bringen, vielleicht habe ich den letzten Beitrag auch nur völlig in den falschen Hals bekommen -- dann tut es mir leid.

Ich denke, dass wir alle viel zu wenig die Materie kennen, um wirklich profunde Kenntnis von der Problematik zu haben.
Ich weiß, dass ich eigentlich naiv wirke, aber ich hoffe immer auf die Einsicht der verantwortlichen Menschen. Das ist naiv.

Beste Grüße
Michael
7x Namibia, 2x S-Afrika, ca. 45x Atlantische Inseln (Kapverden > 25x, Kanaren, Madeira, Azoren); 7x W-Afrika (Senegal, Guinea Bissau, Gambia, Sierra Leone), Marokko, Tunesien, Jemen, Madagaskar, USA, Kanada, Costa Rica, ziemlich viel ME & SE rauf und runter und kreuz und quer
Letzte Änderung: 20 Nov 2014 22:01 von Biologe. Begründung: Schreibfehler
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21 Nov 2014 15:11 #363462
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  • Erika am 21 Nov 2014 15:11
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Hallo zusammen

In dem kürzlich von avaaz verschickten Massen-Mail steht:
Jetzt hat die Regierung angekündigt, dass sie einen riesigen Teil unseres Landes in Loliondo räumen will, um Platz für einen angeblichen “Korridor für Wildtiere” zu schaffen. Doch viele vermuten, dass sich dahinter nur ein Trick verbirgt, der es einem ausländischen Jagdunternehmen und reichen Touristen erleichtern soll, anmutige Tiere abzuschießen.
Da steht schwarz auf weiss, dass „viele vermuten“, dass in der Gegend von Loliondo ein neues Jagdrevier geplant ist. Was heisst „viele vermuten“? Dann ist das erst ein Gerücht? Aber da steht auch, dass die Regierung einen Korridor für Wildtiere schaffen will. Was stimmt nun?
Unsere Gemeinschaften respektieren unsere tierischen Gefährten und beschützen und erhalten das empfindliche Ökosystem.
Das stimmt so leider schon lange nicht mehr (siehe Beitrag von Butterblume). Wenn man so durchs Land fährt und die vielen Massais mit ihren teilweise sehr ausgemergelten, riesigen Kuhherden sieht, fragt man sich schon, wofür das gut ist, da die Tiere ja gar nicht verwertet werden. Man treibt sie einfach vor sich her, bis sie eines Tages von selbst tot umfallen.
Es sind wirklich viel zu viele geworden und da das Weideland wegen der Bevölkerungsexplosion immer knapper wird, treibt man die Kühe in die Nationalparks, wie Serengeti oder Masai Mara. Gemäss Elvira /Bushtruckers sind es allein in der Masai Mara ca. 20‘000 Stück, die dort den Wildtieren das Gras wegfressen. Wenn sich dann ein Löwe an die Kühe heran macht, ist es völlig klar, dass der umgebracht wird. Wir selbst haben dieses Jahr Nacht für Nacht die Kuhglocken in der Masai Mara bimmeln gehört. Ausserhalb des Parks war die ganze Gegend total überweidet und verwüstet. Wir sind extra einen ganzen Tag aussen rumgefahren, um uns ein Bild zu machen. Da wächst praktisch nichts mehr, aber da liegen tausende von abgemagerten Rindern rum, die darauf warten, dass man sie nachts in den Park treibt. Und als wir übers Klein's Gate in die Serengeti fuhren, haben wir erst mal viele tote Massai-Kühe gesehen.

Tansania war ja schon früher ständig am Menschen umsiedeln. Unter dem heute noch sehr verehrten Julius Nyrere wurden von 1968 bis 1977 ca. elf Millionen Menschen mit teilweise brutaler, militärischer Gewalt zur Umsiedlung in so genannte Ujamaa-Dörfer gezwungen, wo sie oft ohne richtige Hilfeleistung ganz von vorne anfangen mussten. Nur hat sich damals niemand für sie eingesetzt und Unterschriften gesammelt.

Ach, ich könnte noch so vieles erzählen, aber ich weiss ja nicht mal, ob das jemanden interessiert.

Viele Grüsse
Erika
Meine Reiseberichte:
1971: Mit dem VW-Bus von Kapstadt bis Mombasa
www.namibia-forum.ch...ahren.html?start=120
2013: Durch den wilden Westen Tansanias (Am Anfang war die Hülle)
www.namibia-forum.ch...g-war-die-huelle.htm
2013: Nordmosambik, mal schön - mal hässlich + ein Stück Südtansania
www.namibia-forum.ch...n-mal-haesslich.html
2014: Auf bekannten und unbekannten Pfaden durch Tansania
www.namibia-forum.ch...-durch-tansania.html
2015: Eine Reise wird zum Alptraum/Kenia
www.namibia-forum.ch...rd-zum-alptraum.html
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21 Nov 2014 15:13 #363464
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Hallo Marina,Butterblume schrieb:
Hallo,

es geht mir keineswegs um die Art und Weise, wie die Masai möglicherweise enteignet werden. Da passiert sicherlich viel Unrecht (Hütten abbrennen und Todesopfer in Kauf nehmen – wenn man den Berichten trauen darf). Die unglaubliche Art und Weise, wie unkontrolliert mitunter Trophäenjagd betrieben wird, hat meines Erachtens in der Diskussion um eine Enteignung der Masai ebenso wenig zu suchen, wie der aktuell ad acta gelegte Bau des Serengeti Highways.
Worum geht es dir dann?
Geht es darum, dass eine Entscheidung von 1974 (!!!) endlich durchgesetzt wird und das unberechtigt besetzte Land geräumt wird? Diese Menschen (4000 Familien) haben schon immer dort gelebt (okay, vielleicht nur 150 Jahre) und sind dem Räumungsbefehl vor 40 Jahren nicht gefolgt. Ich halte das nicht wirklich für "Landbesetzung".
Butterblume schrieb:
Die Masai selbst bekleckern sich im Hinblick auf Wildtierschutz nicht gerade mit Ruhm....
Das mag heute durchaus richtig sein. Wenn man sich aber die Karte von Kenia und Tansania anschaut, muss man feststellen, dass die großen Nationalparks hauptsächlich auf dem Land der Masai liegen (mit der Ausnahme von Tansanias Süden). Warum ist das so? Schlichtweg weil die Länder in den anderen Regionen zersiedelt wurden und es kein großes zusammenhängendes Wildgebiet mehr gab .
Wären die Masai Mara und die Serengeti von Kikuyu oder Luo bevölkert gewesen, wäre der Ruf "Serengeti darf nicht sterben" vermutlich nie um die Welt gegangen, weil sich der Wunsch nach einem großen Nationalpark an diesem Ort von selbst erledigt hätte.
Aber inzwischen ist der Gärtner hier der (Sünden-)Bock.
Butterblume schrieb:
@ Nenette:
Zu diesem Thema habe ich vor einiger Zeit einen Artikel von einer französischen Spezialistin übersetzt:
Den ich für einseitig, lückenhaft und polemisch halte, sorry!
Marie-France hat lange für die französische CNRS Feldforschung bei den Masai betrieben. Sie lebte jahrelang mit den Masai und hat die Vertreibung in den 70-er Jahren vor Ort miterlebt. Insofern kann ein Artikel von ihr nur einseitig sein. Für mich kommt er eher emotional als polemisch rüber.

Viele Grüße,
Nenette
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21 Nov 2014 15:44 #363471
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Nenette schrieb:
Wären die Masai Mara und die Serengeti von Kikuyu oder Luo bevölkert gewesen, wäre der Ruf "Serengeti darf nicht sterben" vermutlich nie um die Welt gegangen, weil sich der Wunsch nach einem großen Nationalpark an diesem Ort von selbst erledigt hätte.

Um das zu verstehen, bin ich jetzt leider zu dumm :blush:
Wäre schön, wenn Du mir (und evtl auch anderen) das etwas näher erklären könntest.

Beate
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21 Nov 2014 16:37 #363484
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Hoi zämä
Erika schrieb:
Ach, ich könnte noch so vieles erzählen, aber ich weiss ja nicht mal, ob das jemanden interessiert.

Mich interessierts!!! :)
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Guten Abend allerseits

Erika, ja, es hat "ein paar" Rinder in und um die Mara, was auch immer wieder zu sehr hitzigen Debatten fuehrt.

Ja, es hat zu viele Rinder oder zu wenig Land, wie man das auch drehen will. Und jede Duerre schlaegt haerter zu, da die Vegetation grossteils bis unter den Boden zerstoert ist, sprich die Ziegen haben die Wurzeln ausgerissen und die Kuehe sie totgetrampelt. All dies sind Tatsachen und glaubt mir, es gibt hoch gebildete Maasais, Samburu und andere aus Pastoralistenstaemmen, doch Kuehe muessen in grosser Zahl vorhanden sein. Was Ihr also seht sind nicht nur die Viehherden von Maasais, die davon abhaengen, sondern von Reichen, die sich durch die Viehzahl noch reicher fuehlt.

Kuerzlich hat ein Samburu Professor seine 300 Rinder in mein Wohngebiet per Lastwagen hingebracht. Ich lebe tief im Kikuyu Gebiet, doch er lehrt an der Universitaet in der Naehe. Dies ein Beispiel. Er versuchte auch seine Rinder, auf das Land, wo ich spazieren gehe zu bringen, doch wurde verjagt. Es ist Privatland und das Gras ist fuer deren Kuehe. Die Besitzerin will auch nicht eine Wueste hinterlassen bekommen. Arme Kuehe hatten echt Hunger bevor es anfing zu regnen. Nun lindert es sich etwas.

Doch die meisten Wildtiere leben auf Maasai und Samburu Land und 70% davon ausserhalb der Schutzgebiete. Das heisst sie fressen den Pastoralisten das Gras weg, wie sie sagen. Ich kenne auch etliche Maasais, die sehr viel fuer den Wildtierschutz tun und eingreifen, wenn Grosskatzen umgebracht werden sollen. Die Maasais/Samburu haben immer mit Wildtieren gelebt und ganz selten mal ein Wildtier gegessen. Fuer Anlaesse schlachten sie einen ihrer Bullen oder Ziege. Die Tradition einen Loewen zu toeten, um zum Mann zu werden ist am Aussterben und diejenigen, die das immer noch tun wollen, werden an den Pranger gestellt.

Da Land immer dichter besiedelt wird, das heisst dem Bevoelkerungswachstum keinen Einhalt geboten wird, wird das Land schneller verwuestet. Ich kenne Gegenden da suche man nach mehr Gras als auf meinem Kuechenboden, doch Ziegen sind present! Das heisst auch, dass keine jungen Baeume eine Chance haben, zu wachsen. Doch Maasais kochen fast ausschliesslich mit Feuerholz und brennen Kohle zum Verkauf in Kenia (trotz Verbot!)

Wasserdaemme ziehen Elefanten an und diese zerstoeren sie gelegentlich. Also ein weiterer Konflikt. Grade eben sind wir am Sammeln, um einen elefantensicheren Damm im suedlicheren Kenia zu erstellen. Die Zukunft der Wildtiere haengt auch davon ab, dass man Mittel zur Verfuegung stellt, die den Leuten wie auch den Wildtieren ein Leben ermoeglicht. Dies, Daemme und Lichter zur Verhinderung, dass Grosskatzen sich an Wildtieren guetlich tun.

Es gibt ein Maasai Sprichwort das sagt: "Wenn ein Loewe eine Deiner Kuehe frisst, sei froh, dass Du so reich bist, dass Du mit ihm teilen kannst". Leider ist dies, wie auch viele andere Weisheiten, die die Maasais auch haben, ziemlich verloren gegangen. Der Schritt von Tradition in eine technisierte Welt bringt Gedankenkonflikte.
Hier ein Artikel, um noch etwas mehr zu verunsichern, was stimmt nun und was nicht.

mobile.thecitizen.co...77il5xz/-/index.html

Auf Facebook sind derzeit Bilder von der Royal Familie wie sie mit Pistolen Tiere erlegen, was vom Jagdgesetz her nicht erlaubt ist. Auch schossen sie Riesentrappen, welche nicht auf der Abschussliste stehen.

Es ist auch schon lange eine Diskussion, einen Teil der Maasais aus dem Ngorongoro Krater Gebiet auszusiedeln. Sie haben schon lange und bei Weitem die vertraglich festgelegte Zahl an Personen und Nutztieren ueberschritten. Ueberweidung ist gut sichtbar.

Liebe Gruesse
Elvira
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