THEMA: Corona und Solidarität
28 Apr 2020 11:34 #587547
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  • A7456 am 28 Apr 2020 11:34
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Maputo schrieb:
Was mir langsam an der ganzen "Diskussion" zu denken gibt, ist, dass es nur eine Meinung geben darf. Wissenschaftliche Debatten sind weitgehend unerwünscht.
Es stimmt schon, dass die Darstellung etwas einseitig ist. Der "offene Brief" von irgendeiner bräsigen Tante oder irgendwelches Zeug vom regelmäßig krude Verschwörungstheorien verbreitenden KenFM kann aber auch nicht ernsthaft Diskussionsgrundlage sein.
Maputo schrieb:
Er benutzt die offiziellen Zahlen des RKI, stellt aber die Methodik der Auswertung des RKI in Frage...
"Von der fehlenden wissenschaftlichen Begründung der Corona-Maßnahmen"
www.heise.de/tp/feat...09563.html?seite=all  
Im Thread zum flexiblen Reisen hatte ich ja schon vor 4 Wochen geschrieben, dass es zu dem Zeitpunkt in Deutschland bei den Fallzahlen kein exponentielles Wachstum mehr gab und bin dafür teilweise angegriffen worden. Mittlerweile ist es wohl Konsens.

Es ist auch nicht völlig auszuschließen, dass man zukünftig mit mehr Wissen rückblickend zu der Einschätzung kommt, dass ergriffene Maßnahmen gegen die Verbreitung des neuen Corona-Virus übertrieben und in der Wirkung auf die Wirtschaft unnötig desaströs waren. Mit dem, was man bisher wusste, halte ich diese Maßnahmen aber trotzdem für richtig.

Relativierungsversuche zum Beispiel mit Verweis auf Malaria-Tote gehen ins Leere. 2018 gab es weltweit 405.000 Malaria-Tote. Wir haben trotz massiver Maßnahmen in knapp 2 Monaten weltweit mehr als 200.000 Corona-Tote. Es ist mathematisch nicht zu anspruchsvoll, dann zu der Erkenntnis zu kommen, dass wir ohne Gegenmaßnahmen sehr wahrscheinlich weit mehr Tote durch Corona als durch Malaria produziert hätten. Dann kommt als Gegenargument sicher gleich, dass einiger dieser Corona-Toten ja nur mit dem und nicht durch das Virus gestorben sind. Stimmt wahrscheinlich. Ganz sicher wissen wir aber auch, dass in vielen Ländern viele Corona-Tote gar nicht gezählt werden, weil nicht jeder Tote standardmäßig getetest wird.

Eigentlich bin ich immer Pessimist. In Bezug auf die zukünftigen Entwicklungen rund um Corona finde ich aber viele Prognosen zu negativ. Prognosen bestehen im Moment vor allem darin, den Ist-Zustand in die Zukunft fortzuschreiben. Reisen geht jetzt nicht, also geht es auch im Sommer nicht. So wird es aber garantiert nicht laufen. Es wird gravierende Fortschritt geben und dann wird man die Lage neu beurteilen.

Jetzt wird es für einige besonders langweilig, aber einen Aspekt möchte ich noch ausführen. Viele südeuropäische Länder kotzen wahrscheinlich gerade ab, das ausgerechnet das so gern besserwisserische Deutschland nun anscheinend besonders gut durch die Krise kommt. Aber wir haben schlicht Glück gehabt. Nach allen Statistiken und Metriken vor der Krise musste man zu dem Schluss kommen, dass wir mit Krankenhaus-/Intensivbetten überversorgt sind und da mehr Geld als andere ausgeben, ohne dass das zu messbar mehr Gesundheit führt. Weil die deutsche Politik in so vielen Bereichen inaktiv ist, war man noch nicht vorangekommen, den Sektor zu reformieren und effizienter auszugestalten. Jetzt in Corona-Zeiten war die Überversorgung eine glückliche Fügung.

Genau so bei den Finanzen. Wenn Deutschland sich zu Negativzinsen verschulden kann und gleichzeitig Brücken, Schulen, ... mithin wichtige Infrastruktur zerbröseln, dann war die "Schwarze Null" schon lange nicht mehr rational zu rechtfertigen. Die CDU hat das aber mit einigem Popanz vor sich her getragen, als wäre das ein Wert an sich. Nun in der Corona-Krise ein glücklicher Umstand: Deutschland hat mehr finanzielle Spielräume als andere Länder.

Aber es besteht jetzt nicht der geringste Grund für Auslegungen wie "Siehste, Deutschland lag schon immer richtig und hat es besser gewusst." Es ist ja nicht so, dass Deutschland schon immer für eine Corona-Pandemie geplant hätte. Die Rahmenbedingungen haben sich unerwartet gravierend geändert. Damit haben sich auch Bewertungskriterien massiv verschoben. Was bisher Überkapazitäten im Krankenhaus waren, sind nun wertvolle Reservekapazitäten. Zufällig sind wir da nun auf einigen Gebieten große Gewinner. Auf anderen Feldern sind wir dafür auch Verlierer. Zum Beispiel legt Corona noch mehr offen, wie sehr wir bei der Digitalisierung in vielen Bereichen hinterher hinken.
Letzte Änderung: 28 Apr 2020 11:38 von A7456.
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28 Apr 2020 11:53 #587551
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Danke Maputo für den interessanten Artikel.
Das hier gibt mir allerdings Rätsel aufMaputo schrieb:
Dies angesichts des Median-Alters von über 84 Jahren der Corona-Toten.  
Ist das für die Schweiz?
Es gibt so viele Berichte in (mir) vertrauenswürdigen Medien, die ein ganz anderes Bild zeigen. Z.B werden in GB in Altenheimen Verstorbene grundsätzlich NICHT bei Corona zugeordneten Todesfällen mitgezählt.
Grüße, Werner
Letzte Änderung: 28 Apr 2020 11:59 von loser.
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28 Apr 2020 12:12 #587555
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  • Maputo am 28 Apr 2020 12:12
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Hallo Werner

Der Wert wurde im NZZ Artikel unten erwähnt. Ich habe auch schon von 71 Jahren irgendwo gelesen.

Der Artikel zeigt, wie die "Meinungsbildung" in der Schweiz funktioniert ....

www.nzz.ch/feuilleto...nd-kritik-ld.1553213

lg Maputo
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28 Apr 2020 12:37 #587558
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  • Maputo am 28 Apr 2020 12:12
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@A7456

Ich finde Relativierung nicht unbedingt sinnlos. Massnahmen mussten sein, keine Frage. 

Nur wie lange sollen die dauern und wie gross darf der Schaden sein, der angerichtet wird, auf beiden Seiten des Spektrums, Gesundheit und Wirtschaft.

Die ETH Zürich (Eidgenössische Technische Hochschule), konnte belegten, dass schon vor dem strickten Lockdown mitte März die Zahlen der Neuansteckungen stark zurück gingen (Reproduktionszahl gegen 1) . Der Grund war, dass die Leute schon Physical Distancing betreiben. 
 
ethz.ch/de/news-und-...-zeigen-wirkung.html  

Wäre es gar möglich gewesen, nur mit Physical Distancing durch die Krise zu kommen, wie  Schweden? War es nötig Läden, Restaurants über Wochen / Monate zu schliessen..? Wie reagiert man bei der nächsten grossen Influenza Welle? Nimmt man dort die Toten einfach in Kauf, oder leitet konsequenterweise auch Massnahmen ein um die Ausbreitung zu stoppen...?

lg Maputo 
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28 Apr 2020 12:42 #587559
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Maputo schrieb:
Wäre es gar möglich gewesen, nur mit Physical Distancing durch die Krise zu kommen, wie  Schweden? 
Vorzeigerebell Schweden hat - gemessen auf Deaths/1M pop - eine recht hohe Sterberate :whistle:

im Nachhinein ist es natürlich trefflich möglich, über Sinn und Unsinn entsprechender Massnahmen zu reden, und auch die - im Nachhinein - berechnete - Reproduktionszahl kann nicht als Argumentation herangezogen werden (eben weil sie erst nachträglich berechnet werden kann) - bekannt ist, dass es keinerlei Behandlung gegen Covid-19 gibt, es wird zur Zeit symptomatisch by "try and error" behandelt und auch, wenn es in DLand bisher "glimpflich" abging (bei über 6000 Toten) - in DLand mag es zwar mehr Intensivbetten im Vergleich geben, leider fehlt es nur an Personal, diese auch alle "in Betrieb zu halten" - und das Personal (Pflegekräfte (egal ob Alten- oder Krankenpflege), Ärzte und und und) läuft auch schon ohne SARS Cov II am Limit!
lG und bleibt gesund! M@rie
M@rie's on the road again - Namibia-Botswana 2012

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M@rie schrieb:
Maputo schrieb:

Wäre es gar möglich gewesen, nur mit Physical Distancing durch die Krise zu kommen, wie  Schweden? 
Vorzeigerebell Schweden hat - gemessen auf Deaths/1M pop - eine recht hohe Sterberate :whistle:

Schweden liegt im Mittelfeld etwa gleich auf mit der Schweiz... ;)


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