Tag 3 – Arusha National Park
Büffelbegegnung
Die Hatari Lodge liegt direkt vor den Toren des Arusha National Parks. Mein gestriger Transfer führte bereits durch den Park und ich sah einige Büffel und Giraffen. Die Landschaft hier ist so ganz anders als die, die ich von meinen bisherigen Reisen in eher aride Gegenden im südlichen Afrika kenne.
Im Arusha National Park liegt der zweithöchste Berg Tansanias, der Mount Meru (4.565 Meter). Sein Gipfel soll vor sehr vielen Jahren, genau genommen vor ca. einer Viertelmillion Jahren, die 5.000er Marke überschritten haben, bevor er sich selbst durch eine Eruption dezimierte. Zuletzt ist der Mount Meru im Jahr 1879 ausgebrochen, wobei es sich um eine kleinere Eruption gehandelt haben soll. Anfang des vergangenen Jahrhunderts befand sich in dieser Gegend die Farm der Familie Trappe. Im Jahr 1960 wurde der Ngurdoto National Park gegründet. Bernhard Grzimek soll einen wesentlichen Beitrag dazu beigetragen haben. Das Gebiet wurde dann im Jahr 1967 erweitert - u. a. umfasst der Park seit dieser Zeit auch die Momella Seen. Im Zuge dessen wurde der Name geändert auf seinen heutigen, Arusha National Park.
Und genau in diesen Park soll es heute für mich gehen. Noch bin ich frei, denn den Arusha National Park werde ich auf einem Privatprogramm kennenlernen. Mit einem Safarifahrzeug fährt mich der Guide mit dem klangvollen Namen „Goodluck“ in den Park. Am Momella Gate werde ich einem bewaffneten Wildhüter für die nächsten zwei Stunden übergeben. Wir beide werden eine Fußsafari machen.
Der Park, wie auch die Hatari Lodge, liegen etwas höher, so ist es hier kühler und es kommt vor, dass sich die Sonne nicht zeigt. Ein netter Nebeneffekt dieser Gegend ist, dass sie als malariafrei gelten soll. Ich hoffe, es ist so, denn ich habe meine Malariaprophylaxe auf den Tag genau geplant. Es sind sehr angenehme Temperaturen, es ist längst nicht so heiß wie in Deutschland bei meiner Abreise. Ich trage heute sogar eine Vliesjacke.
Der Mount Meru liegt in den Wolken, ich sehe ihn nicht, als ich mit dem Wildhüter, mit dem Gewehr über seiner Schulter hängend, losziehe. Ich hoffe, dieses Teil muss nicht zum Einsatz gebracht werden. Der Ranger zeigt mir Schädel von Wildtieren, die am Wegesrand drapiert wurden, weist mich auf verschiedene Pflanzen hin und siehe da, ganz nah lässt sich ein Warzenschwein blicken. Diese Tiere finde ich witzig, allerdings sollte man ihnen auch nicht per Pedes zu nah kommen.
Wir laufen über eine freie, übersichtliche Fläche und dann mal wieder schmalere Pfade durch Busch- und Baumland. Ich frage mich, wie viele Tieraugen aus diesem Dickicht wohl gerade auf mich blicken und sich fragen, was diese beiden durchziehenden Gestalten hierher verschlagen hat. Aber vielleicht ist es den Tieren auch ziemlich egal.
Weniger egal ist mir dann aber unsere nächste Begegnung. Vor Büffeln habe ich allergrößten Respekt und wie ich einmal las, sollte man vor einzelnen Büffeln noch mehr Respekt haben als vor einer größeren Gruppe. Während wir uns gerade auf einer weitläufigeren Ebene befinden, tritt eine Büffelmutter mit ihrem Teenagerkalb aus dem Dickicht heraus, zum Glück in einiger Entfernung, aber nichtsdestotrotz doch noch viel zu nah. Beide stoppen, die Mutter blickt zu uns, sie fressen erst einmal. Immer wieder schaut die Mutter zu uns auf. Dann ein weiteres Mal schaut die Mutter hoch, geht jedoch ein paar Schritte auf uns zu. Das Ganze sieht nicht freundlich aus. Mir wird sehr mulmig, ich möchte am liebsten den Rückzug antreten, doch der Wildhüter lässt mich nicht. Er merkt, dass mir nicht ganz wohl ist und sagt mir, ich solle ganz nah bei ihm bleiben und ich müsse nicht „scared“ sein, es wäre alles in Ordnung.
Gleichzeitig sehe ich, wie er Büffelmutter und Kind ganz fest im Blick hat - und ist es zu meinem Entsetzen oder zu meiner Erleichterung? Er nimmt das Gewehr von seiner Schulter und während er noch seine nächsten Worte ausspricht, weiß ich, es ist Entsetzen … Er flüstert mir leise zu, wenn sich der Büffel für einen Angriff entscheiden sollte, müsse er sehen, ob er überhaupt Zeit hätte, um einen Warnschuss abzugeben oder ob er direkt auf das Tier schießen müsse. Aber egal, was immer nun passieren würde, ich dürfe keinesfalls wegrennen, sondern müsse mich auf den Boden legen. An seinem Verhalten merke ich, die Situation ist bedrohlich, trotz allem strahlt er Ruhe und Souveränität aus. Mir ist gerade ganz anders. Theoretisch weiß ich, dass man im Busch nicht wegrennen soll, denn nur Futter rennt, aber ob ich das jetzt hier in diesem Moment ganz praktisch umsetzen würde?
Zum großen, großen Glück entscheidet sich Büffelmutter gegen einen Angriff, vielleicht hat sie Mitleid mit mir, wie ich dort wie ein Häufchen Elend stehe. Sie zieht mit ihrem fast ausgewachsenen Kalb vorüber, und ich habe so gar keine Lust mehr auf die Fortsetzung der Fußsafari.
Der weitere Weg führt uns noch zu einem Wasserfall und ich bin heilfroh, als wir wieder unbeschadet unseren Ausgangspunkt erreichen. Ich habe mir fest vorgenommen, den Rest des Tages das Fahrzeug nicht mehr zu verlassen.
So langsam nähert sich mein Puls wieder Normalniveau, während wir im Fahrzeug durch bewaldetes Gebiet fahren. Wir stoppen am Fig Tree Arch. Dieser Würge-Feigenbaum ist so gewachsen, dass man mit einem Auto unter ihm hindurch fahren kann und damit ist natürlich klar, dass er es zu einem Touristenstopp gebracht hat.
Nach einem Picknick mit sehr leckerem, aus der Hatari Lodge mitgebrachtem Essen am oberen Momella See - ich habe derweil meinen Vorsatz, nicht mehr aus dem Auto steigen zu wollen, schon wieder verworfen -, fahren wir entlang der Seenlandschaft der sieben Momellaseen. Die Seen sind alkalisch und ziehen vor allem im Winter der nördlichen Hemisphäre viele Zugvögel an. Heute sehe ich vor allem Flamingos. Zum einen die weiß gefiederten Zwergflamingos, die den matschigen Ufersaum nach Fressbarem durchschnäbeln und zum anderen die größeren Rosaflamingos (Great Flamingo), die ihre Nahrungsaufnahme im tieferen Wasser bevorzugen.
Eine spielende Pavianfamilie sorgt dafür, dass wir unsere Rückfahrt kurz unterbrechen. Zurück in der Lodge lässt sich am späten Nachmittag sogar noch der Mount Meru blicken.
Auf der Plattform der Hatari Lodge findet der Sundowner statt, und ich lerne eine 6-köpfige Reisegruppe des gleichen Veranstalters kennen, als ich kurz aushelfe, um etwas zu übersetzen.
Die Managerin hat heute Abend andere Termine, fühlt sich aber scheinbar für mein Wohlergehen verantwortlich und hat ohne, dass ich es wusste, diese Reisegruppe und ihren Guide gefragt, ob ich mich zum Abendessen zu ihnen setzen dürfe, damit ich nicht alleine meine Mahlzeit einnehmen muss. Sehr gerne dürfte ich das. Ich finde diese Geste von allen ausgesprochen nett, genauso nett entpuppen sich die Teilnehmer dieser Gruppe und wir haben einen schönen Abend.