Es war kein Baseballschlag gewesen, sondern mir sonst völlig unbekannte anhaltende wahnsinnige Bauchschmerzen. Auf allen Vieren wartete ich auf dem Boden bis es annähernd eine christliche Zeit war um Werner anzurufen. Er kam sofort rüber, untersuchte und meinte er könne einen entzündeten Blinddarm nicht ausschliessen. Ich müsse in ein Spital. Es war noch Nacht als ich Halpha, einen unserer Fahrer rufen liess. Lotti, Werners Frau half mir etwas anzuziehen, denn draussen war es kalt, Halpha und zwei askaris (watchmen) schleppten mich mit einem von weiss-ich-wo-her-geschafften Rollstuhl ins Fahrzeug und wir fuhren eine gefühlte Ewigkeit auf Rumpelpisten. Es war grauenhaft. Die beiden askaris hielten mich auf der Rückbank, einer streichelte mit seiner schaufelgrossen Hand sanft über meinen Kopf und sagte unablässig pole mama, pole mama.
Zum Sonnenaufgang kamen wir ebenfalls auf einer holprigen Naturstrasse zu einem Gebäudekomplex auf einem Hügel und danach in einen winzigen Raum wo ein kleiner schwarzer Mann mit einer weissen Schürze Fragen stellte. Man brachte mich in ein Krankenzimmer mit zwei leeren Betten und legte mich auf eins, der kleine weissgekleidete Mann tastete vorsichtig meinen Bauch ab. Das war so schmerzhaft dass er es aufgab und ich bekam eine Spritze und danach sah und hörte ich Personen, welche unmöglich hier sein konnten. Die Schmerzen vergingen. Man legte eine Sonde, ich bekam Sauerstoff und dann machte ein anderer afrikanischer Arzt so gut es ging einen Ultraschall. Die Diagonose war nicht eindeutig. Während den folgenden 48 Stunden hattte ich sehr hohes Fieber. Ich kann mich nicht an allzu viel erinnern weil ich so gedopt wurde. Jeden Satz den ich anfing konnte ich nicht fertigreden weil ich sofort wieder vergass was ich eigentlich sagen wollte. Mein Mann rief mich jeden Tag aus Argentinien an und machte sich solche Sorgen, vorallem auch weil ich so wirr klang und er nichts verstand.
Die Alternative Flying Doctors nach Nairobi wurde erwogen, denn in ganz Tanzania gibt es keinen Computer Tomographen. Die mittlerweile zwei afrikanischen und drei ausländischen Ärzte fanden nicht heraus was ich hatte, denn der 1. Ultraschall hatte nichts Verdächtiges gezeigt. Ich wollte nicht nach Nairobi und langsam taten die Antibiotika ihre Arbeit, die täglich 2x entnommenen Blutwerte fingen an sich zu stabilisieren, wenigstens nicht verschlechtern. Dann untersuchte mich eine englische Ärztin, sie hatte von Anfang an nicht (wie die anderen) auf Blinddarmentzündung und nicht auf Beckenentzündung getippt, sondern auf eine akute Divertikelentzündung. Dieses Wort habe ich noch nie gehört. Der 2. Ultraschall bestätigte ihre Vermutung. Somit wurde noch ein weiteres Antibiotika zugegeben, plus Antibrechmittel, plus fiebersenkende Mittel, plus Magenwandschoner. Während den ersten Tagen wich Halpha kaum von meiner Seite und fungierte als Link zwischen der Agentur in Arusha, zwischen Leonard dem zweiten Fahrer und zwischen meinen Gästen. Ich werde meinen stillen Krankenbettgefährten nie vergessen. Ich vermute er hat im Auto geschlafen.
Die Gruppe reiste noch am selben Morgen planmässig mit Leonard an den Ngorongoro Kraterrand. Hier waren wir für zwei Nächte im Serena Ngorongoro gebucht. Sie konnten mit Leonard ausgiebige Kratertouren machen und von der Vielfalt der wilden Tiere profitieren. Täglich sandten wir einander via Halpha sms. Am Abend des zweiten Tages schickte ich Halpha zur Gruppe, damit sie planmässig und komfortabel in zwei Fahrzeugen weiterreisen konnten. Ich musste noch zwei weitere Tage im Spital bleiben, der hollänsiche Arzt nannte mich "time-bomb" ich glaube das bedarf keiner weiteren Erklärung, er wollte das Risiko nicht eingehen mich im Busch zu wissen. Darum habe ich auch die beiden Tage in der Ndutu Lodge verpasst. Das genau war der Aufhänger der Reise gewesen: die Gnu-Wanderung und die Jungtiere im Februar in Ndutu. Die Gruppe berichtete mir nachträglich es sei wirklich so grandios wie erwartet gewesen.
Am 5. Morgen war es endlich soweit und ich durfte "aus-checken". Der Konzessionär des kleinen Restaurants neben dem Spital brachte mich persönlich zum Manyara Airstrip. Dort bestieg ich eine kleine Maschine nach Seronera um mich mit der Gruppe in der Serengeti wieder zu vereinen. Mein grosser Dank an Sophie von Abercrombie & Kent die dies so kurzfristig ermöglichte. Der sonst nur 40 minütige Flug dauerte etwas länger weil der Pilot uns (nur zwei) Passagieren beim Start verkündete "we will be going around some heavy thunderstorms". Ironie des Schicksals dachte ich für einen Moment. Die Divertikel sind Dank Antibiotika nicht geplatzt, es gab keine Peritonitis, dafür crashen wir.
Leonard holte mich vom vermatschten Seronera Airstrip ab. Die Räder des Flugzeugs wurden bis zum nächsten Morgen mit dornigen Ästen abgedeckt zum Schutz vor den Honigdachsen und nach einer langsamen Fahrt auf glitschigem cotton soil, kam ich abends (inklusive Leopardensichtung) im Hotel an. Auf der Terrasse des Serena wurde ich von Allen in die Arme geschlossen, Halpha inklusive. Es gab feuchte Augen.
Im nächsten Teil werde ich ein wenig von Dr. Frank, seinem Lebenswerk, seinen Mitarbeitern und vorallem meinen lieben BetreuerInnen berichten.