Guten Tag Jaw, ausdrücklichen Dank für die sachkundigen Situationsbeschreibungen. Ich kenne dieses Forum lange genug um diese Antwort erwartet zu haben und klar ist vorweg, dass ich im Vergleich zu deinem Sachwissen gerade Mal über den Zaun schnupper(t)e. Auf alle Fälle weiß ich auch, dass es dort überall Parallelgesellschaften gibt. Diese sind von den Staaten auch durchaus dort gewollt und toleriert, wo rechtstaatliche Institutionen nicht etabliert wurden oder werden konnten und ich habe das auch gar nicht kritisiert. Dass die Schnittstellen zu traditionellen Rechtsordnungen auch bei bestem Willen echt kompliziert sind, ist auch klar und kommt auch bei uns vor. Eine Erbschaft oder Scheidung eines in einem nordafrikanischen Staat islamisch und bei uns standesamtlich getrauten, bei uns legal ansässigen oder eingebürgerten Paares, mit einem dort und einem hier geborenen Kind, ist auch hier eine Herausforderung, bei der wohl mehr islamisches Recht umgesetzt wird, als man an die große Glocken hängen will. Auch bei uns gab (und gibt es wieder mehr) Parallelgesellschaften, die „keinen Richter brauchen“, weil der Clanchef das regelt.
Mein von dir zitierter (Ab)Satz ist aber doch klar im Konjunktiv gefasst und in die Zukunft gerichtet. Dass ich das weniger resignativ sehe als du, hat, mit Verlaub, mit weißem Paternalismus überhaupt nichts zu tun, ich halte bloß gesellschaftlichen Fortschritt (auch in Afrika) für grundsätzlich möglich und wünschenswert. Auch steht klar da, dass die Veränderung aus der Gesellschaft selber heraus kommen muss.
In unserer Kindheit gab es in Regionen Europas Blutfehden zwischen Clans, im Kosovo war das ein strafmindernder Tatbestand bei vorsätzlichem Mord. Die Frau zu verdreschen war höchstens ein Kavaliersdelikt. Am Balkan und in mediterranen Ländern waren Frauen weitgehend, bei uns (bis in die 70/80er) teilweise rechtlos und bevormundet. Schau dir die Situation heute an. Nicht alles ist weg, aber die Situation von Frauen am (beispielsweise) Balkan ist heute um Lichtjahre besser als vor 50 Jahren und bei uns ist rechtliche Gleichstellung längst erreicht. Fortschritt ist möglich!! Er geht mit Urbanisierung, Schulbildung und Bildung einer Mittelschicht einher und wurde durch den Informationsfluss durch die neuen Medien befördert und beschleunigt.
Das südliche Afrika ist mE diesbezüglich keine Ausnahme. Nach meinem Beobachtungen über die Jahrzehnte in SA (und Namibia wird nicht anders sein) lief und läuft der gleiche Prozess dort auch. Er hat bloß später begonnen als bei uns und es wird auch länger dauern, weil es dort unvergleichlich schwieriger ist. Aber es wird mE weiter gehen, und zwar nicht, weil ihnen das post/neo-koloniale Weltverbesserer und Besserwisser aufoktroyieren, sondern weil Teile der Gesellschaft (also noch nicht alle) das selber wollen.
Wenn ich in RSA den Umgang vieler schwarzer Paare miteinander und mit ihren Kindern beobachte, sehe ich schon eine positive Veränderung zu vor 30 Jahren. Dass das nicht immer und überall so ist, ist eh klar, aber es tut/tat sich schon was, ist „work in progress“……………..
Die eigentlichen Probleme dabei sind die brutalen und brutalisierenden Lebensbedingungen in materiellen Dauernotlagen.