20. Kapitel: Unter dem Meer
Heute steht unser Schnorchelausflug zur Isla del Caño an. Als wir nach einem guten Frühstück hinunter zum Strand gehen, werden wir von einem Fasciated Tiger Heron begrüßt, der im schönen Licht der Morgensonne auf Beute lauert.
An diesem Tag haben wir Glück mit dem Wetter – während des gesamten Ausflugs wird es trocken bleiben. Wir werden pünktlich um 7.30 Uhr von einem kleinen Boot abgeholt, auf dem sich schon einige weitere Mitschnorchler befinden. Mit uns ist es bis auf den letzten Platz belegt – viel Raum für Bewegung und Gepäck bleibt da nicht.
Bis nach Caño Island sind es etwa 40 Minuten mit dem Schnellboot über das offene Meer hinweg. Die Seekrankheit ist dabei auch heute wieder nach einigen Seemeilen meine treue Begleiterin – zum Glück hat sie mich nicht ganz so fest im Griff wie am Vortag. Schön ist aber trotzdem anders.
Der Rest der Familie hat zum Glück nicht mit der gleichen Gegnerin zu kämpfen und kann die Fahrt mehr oder weniger genießen. Die Kinder ärgern sich aber etwas darüber, dass die Reling an unseren Sitzplätzen teilweise so hoch ist, dass sie nicht wirklich heraussehen können.
Als wir in die Nähe der Insel gelangen, können wir einige Delfine beobachten, die nicht weit von unserem Boot vorüberziehen. Ich glaube, es sind Schlankdelfine. Eine schöne Sichtung.
Caño Island selbst ist eine bis auf eine Rangerstation unbewohnte Insel, die von Korallenriffen und Unterwasser-Felsformationen umgeben ist. Die Riffe sind jedoch nicht in einem allzu guten Zustand. Vieles ist abgestorben, Weniges farbenprächtig. El Niño lässt grüßen.
Wir werden zwei Schnorchelgänge machen. Dazwischen liegt eine Rast am schönen Strand der Insel. Da pro Tag nur 100 Menschen als Besucher zugelassen werden, ist es nicht zu rummelig – aber trotzdem natürlich weit entfernt von der traumhaften Einsamkeit des Arco Beaches bei Uvita.
Als wir die vom Veranstalter gestellte Ausrüstung anlegen – Schwimmwesten, Flossen und Masken – und es ernst wird, haben die Kinder durchaus großen Respekt vor dem Sprung ins Meer. Eine sehr nette Tauchlehrerin begleitet sie jedoch einfühlsam und so haben beide bald Freude am Erkunden der Unterwasserwelt, während wir sie im Schlepptau haben.
Leider ist das Wasser nicht sehr klar, sodass man nicht wirklich weit sehen kann. Dies mag an der Jahreszeit mit ihrem turbulenten Wetter liegen – vielleicht ist die Sichtqualität in der Trockenzeit besser? Wir wissen es nicht. Jedenfalls werden die im Netz manchmal angepriesenen 24 Meter Sichtweite heute ganz bestimmt weit unterboten.
Dies und die bereits erwähnte weitgehende Farblosigkeit der Unterwasserlandschaft schmälern das Erlebnis beträchtlich. Bei mir kommt dann noch die Übelkeit dazu, die auch durch den Wellengang im Wasser nicht so recht von mir weichen möchte…
Im Vorfeld der Reise haben wir eine günstige Unterwasserkamera gekauft, die nun zum Einsatz kommt. Wir haben nichts Großartiges von ihr erwartet – und das haben wir auch bekommen.
Einiges an bunten Fischen können wir ablichten.
Auch sehen wir zwei Oliv-Bastardschildkröten (olive ridley sea turtle), die jedoch so weit unter uns grasen, dass unsere Mini-Kamera hier an ihre Grenzen kommt (oder eigentlich weit darüber hinaus…). Zur Verteidigung des kleinen Knipsers sei es wiederholt: Die Sichtverhältnisse sind nicht optimal.
Etwas mehr Glück haben meine Frau und die Kinder mit einem Weißspitzen-Riffhai, der unter ihnen ruht. Die sie begleitende Tauchlehrerin schwimmt mit unserer Kamera herab zu dem Tier und so erhalten wir ein Dokumentationsfoto dieser Sichtung. Ich erlebe den Hai leider nicht, weil ich abermals ein Rendezvous mit Nausea habe.
Insgesamt bin ich (auch unabhängig von der lästigen Seekrankheit) etwas von dem Ausflug enttäuscht. Ich hätte auf der Grundlage der oft recht vollmundigen Berichterstattung im Netz und dem hohen Preis von 95 $ pro Erwachsenen hier einen spektakuläreren Schnorchel-Spot erwartet. Die Kinder finden es jedoch ganz toll und sind für weitere Schnorchelabenteuer in der Zukunft offen. Wir finden es aus der Elternperspektive prima, dass sie ihre anfänglichen Ängste überwunden haben und wirklich Spaß an der neuen Aktivität gefunden haben.
Auf der Rückfahrt kommen wir an einigen Buckelwalen vorbei. Uns zeigen sich nur einige Finnen und Fluken in den nahen Wellen und wir lassen die Kamera stecken. Das Boot vor uns – in dem aus Gründen der ausgleichenden Gerechtigkeit eine Familie sitzt, die gestern im Corcovado den Puma nicht gesehen hat – bekommt dagegen ein tolles Breaching aus nächster Nähe geboten.
Auch in diesem Ausflug ist ein Mittagessen inkludiert. Wir bitten jedoch darum, direkt zur Lodge gebracht zu werden, denn bereits gestern war das angebotene Paketessen nicht das beste und außerdem bin ich noch immer mit meiner Seekrankheit beschäftigt.
Zurück in der Las Caletas Lodge muss ich mich erstmal hinlegen und ausruhen. Die nächsten Stunden verbringen wir lesend und Uno-spielend auf dem Lodgegelände. Die zwei Scharlacharas leisten uns immer mal wieder Gesellschaft und erinnern uns daran, dass wir hier im Paradies sind.
Um 15 Uhr beginnt es plötzlich wie aus Eimern zu gießen und es wird den ganzen Tag über nicht mehr damit aufhören. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn wir haben ja nichts mehr vor. Und so können wir uns von den herunterfallenden Wassermassen ohne Groll beeindrucken lassen.
Das Abendessen ist einmal mehr exquisit, die Nachtruhe ebenso.
Am nächsten Tag müssen wir leider schon früh am Morgen Abschied nehmen von der wilden Osa Halbinsel. Unser Weg wird uns zur letzten Station der Reise vor dem Heimflug führen – in den Nebelwald von San Gerardo de Dota. Quetzale aufgepasst: Wir kommen!