THEMA: Fifty Shades of Green - Costa Rica zur Regenzeit
07 Nov 2022 08:00 #654849
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18. Kapitel: Der wilde Südwesten

Der neue Tag beginnt für mich einmal mehr mit einem kleinen Spaziergang in den Regenwald auf dem Lodgegelände. Wie am Vortag macht es große Freude, die schmalen Pfade zu bewandern. Als kleiner Höhepunkt zeigen sich in den Wipfeln der Bäume einige Brüllaffen mit Nachwuchs. Wie meistens sind sie nicht optimal zu fotografieren.



Außerdem kann ich das erste Mal seit langem mal wieder einen Chestnut-mandibled Toucan entdecken. Immer wieder schön!



Kleineres Federvieh ist durch die Erstsichtung eines Cherrie’s Tanager vertreten.



Nach einer guten Stunde kehre ich zu unserem Häuschen zurück und wecke meine Familie. Heute müssen wir schließlich die La Cusinga Lodge bereits wieder verlassen. Während wir uns für das Frühstück bereit machen, bekommen wir Gesellschaft. Man kann fast die Uhr nach ihnen stellen: Genau wie am Vortag sind erneut die Weißschulterkapuziner im Baum gegenüber auf Frühstückstour. Es macht Spaß, die quirligen Affen aus naher Distanz auf Augenhöhe zu beobachten. :)



In etwas weiterer Entfernung können wir gleich darauf einen Roadside Hawk entdecken, der wohl auch auf sein Frühstück lauert.



Wir genießen die letzten Stunden auf der Lodge in vollen Zügen: Das Wetter ist erneut schön sonnig, der Ausblick entsprechend wunderbar und auch das Frühstück kann wieder überzeugen. Während die Kinder noch etwas in unserem Zimmer spielen, lassen die Erwachsenen den Aufenthalt mit dem Genuss der unwiderstehlichen Fruchtsaftcocktails ausklingen, die glücklicherweise an so vielen Orten des Landes angeboten werden. B)

Am späten Vormittag wird dann schließlich das Auto gepackt. Knapp 55 Kilometer müssen wir heute nur zurücklegen. Über gute Teerstraßen und durch riesige Palmölpaltagen dauert die Fahrt nach Sierpe dabei weniger als eine Stunde.
Unser Ziel ist das Restaurant Las Vegas, das am Fluss Sierpe liegt. Hier wird unser Bootstaxi ablegen, das uns nach Drake Bay bringen wird.
Als wir ankommen, sind wir überrascht, um welch kleines Lokal es sich hier handelt. Aber Costa-Rica-typisch ist auch hier wieder alles gut organisiert: Auf der dem Restaurant gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich ein kleiner umzäunter Parkplatz, auf dem wir unseren Mietwagen für die nächsten Tage stehen lassen werden. Der Parkwächter erwartet uns bereits und alle Formalitäten sind schnell geklärt.
Dann heißt es erst einmal warten, bis nach einiger Zeit das Taxiboot auf dem Sierpe-Fluss erscheint.



Aber wider Erwarten ist es leider bereits voll besetzt… Und so warten wir weiter, während mehr oder weniger hektisch um uns herum an einer Lösung dieser augenscheinlichen Überbuchung gearbeitet wird. Nach einiger Zeit, die wir in der brütenden Hitze des Landungsstegs ausharren, wird ein kleines Motorboot betankt und auch ein weiterer Skipper hat sich eingefunden. Und so kann unser Transfer mit etwas Verzögerung beginnen.
Im Konvoi mit dem regulären Taxiboot rasen wir im Wahnsinnstempo den Sierpe-River entlang. Mehr als einmal heben wir dabei komplett ab und klatschen nach meterweitem Flug mit Macht auf die Wasseroberfläche. Da wird nicht nur den Kindern mulmig… :blink:
Die schöne Mangrovenlandschaft kann man in diesem Affentempo kaum genießen. Vögel und Waschbären, die wir am Ufer erblicken können, werden schnell wieder zu kleinen Punkten. :side: Beim nächsten Mal würden wir hier gern eine Mangroventour machen – das scheint sich landschaftlich auf jeden Fall zu lohnen. Aber so erleben wir heute eher eine Achterbahnfahrt, die noch einmal an Intensität gewinnt, als wir die Flussmündung erreichen und über die Brandung des Pazifiks kommen müssen. Zum Glück erledigt unser Kapitän diese Herausforderung routiniert und so langsam gewinnen wir vertrauen in die Situation. :whistle:

In Küstennähe rasen wir nun auf dem Ozean gen Drake Bay – vorbei an grüner, felsiger und wilder Landschaft. Die Blicke, die sich während der turbulenten Fahrt eröffnen, sind wirklich großartig – für vorzeigbare Fotos geht es hier allerdings aber wirklich zu schnell voran.

Nach einer knappen Stunde auf dem Boot erreichen wir schließlich Drake Bay – ein verschlafenes „Piratennest“ am Ende der Welt. Hier steigen die meisten Passagiere aus.



Wir jedoch fahren noch etwas weiter zur Las Caletas Lodge, die in einer kleinen Nachbarbucht liegt.
Wie bereits in Drake Bay, so gibt es auch in der Bucht von Las Caletas keinen Landungssteg und wir machen eine „wet landing“. :silly: Etwa 10 Meter vor dem Strand kommt das Boot zu einem Halt und wird mit Muskelkraft fixiert, die Hosenbeine werden hochgekrempelt, die Schuhe ausgezogen. Und dann geht es hinein in die starke Brandung. Die Kinder tragen wir mit Mühe an Land, der Sog des Meeres ist enorm kräftig. Unser Gepäck wird uns zum Glück von erfahrenen Männern mit höherer Körperkraft und -beherrschung an Land gebracht. Hier wäre ich sicher gescheitert und alles wäre salzwassergetränkt… :whistle:

Am Strand wird das Gepäck direkt von Mitarbeitern der Lodge geschultert und einen steilen Pfad gen Unterkunft getragen. Wir folgen neugierig und erreichen nach etwa 100 Metern einen Ort, der sicherlich zu den schönsten Herbergen gehört, in denen wir bisher genächtigt haben.



Die kleine Anlage der Las Caletas Lodge erstreckt sich auf einer Anhöhe mit wunderbarem Ausblick auf den Ozean. Insgesamt gibt es hier eine gute Handvoll Zimmer, zwei Safari-Zelte und ein offenes Häuschen, das als Restaurant, Bar und Aufenthaltsraum genutzt wird. Alles ist recht einfach, aber geschmackvoll gestaltet.



Der Manager – ein junger Mann namens Daniel – begrüßt uns total herzlich und erläutert uns die Annehmlichkeiten der kleinen Lodge. Wir werden zu einer Hütte geführt, die erst vor kurzer Zeit fertiggestellt wurde. Hier fühlen wir uns wohl: Ein großer, heller und blitzsauberer Raum, eine kleine Veranda, ein großzügiges Bad – es ist alles da, was man braucht.



Von der Veranda aus haben wir einen wunderbaren Blick auf unsere Nachbarn – zwei nistende Scharlacharas. :woohoo:





Und auch bei diversen Streifzügen über das Gelände lassen sich einige weitere Tiere entdecken.
Am Strand können wir einen Green Kingfisher bei der Jagd beobachten.



Nicht weit entfernt ruhen einige Helmbasilisken im Schein der warmen Nachmittagssonne.



Überhaupt ist die kleine Bucht, an der die Lodge liegt, paradiesisch. Man ist hier in der Regel ganz allein und hat einen wunderbaren Blick auf das Meer und den auch hier wieder wunderschönen Regenwald.





Und auch auf den Rasenflächen in der Nähe unserer Hütte ist etwas los. So können wir z.B. einen weiblichen Black-crowned Tityra ablichten.



In den hohen Bäumen sitzen zwei Yellow-headed Caracaras. Hier gelingen nur Beweisfotos. Die Distanz und die Lichtverhältnisse lassen leider keine überzeugenden Fotos zu. Aber da es das einzige Mal ist, dass wir diese Greifvögel sehen werden, kommt eines der Bilder trotzdem in den Bericht.



Der Nachmittag geht herumstromernd und faulenzend gemütlich seinem Ende entgegen. Immer wieder schlendern wir zum Strand, genießen die Hängematten mit Premium-Ausblick oder den kühlen Luftzug des Ventilators im Inneren unserer Hütte.
Als wir schließlich das Programm für die nächsten Tage mit Daniel besprechen wollen, erleben wir eine böse Überraschung. Eigentlich wollten wir morgen zum Schnorcheln nach Cano Island fahren – jedoch weiß die Tauch-Agentur nichts von unserer Buchung… :pinch: Und der nächste Dämpfer folgt sogleich. Wir waren davon ausgegangen, dass wir unseren Ausflug in den Corcovado Nationalpark hier spontan vor Ort buchen könnten und erfahren nun, dass Daniel sich gar nicht sicher ist, ob es für die nächsten Tage überhaupt noch freie Plätze bei irgendeiner Agentur in Drake Bay geben wird… :evil: :evil:
Daniel verspricht, dass er sich um unsere Probleme kümmern und herumtelefonieren wird. Wir sind dankbar, aber auch besorgt. Werden wir auf der Osa Peninsula am Ende gar keine Aktivitäten unternehmen können? Es vergeht eine gute Stunde der Ungewissheit. :unsure:
Nach bangem Warten stellt sich folgendes heraus: Tatsächlich wurde unserer Schnorcheltour auf den falschen Monat gebucht: Am 30. August – dem Tag, an dem die Agentur unsere Buchung vermerkt hat – werden wir aber leider schon lange wieder zurück in Deutschland sein. Und morgen ist spontan kein Platz auf einem Schnorchelboot zu bekommen. :pinch: Zum Glück aber übermorgen! Und so verschieben wir den Ausflug natürlich gern auf diesen Tag. :) Das hat zur Folge, dass einer von uns morgen allein in den Corcovado Nationalpark wird fahren können – denn es gibt nur noch einen einzigen freien Platz für diese Tour in den nächsten Tagen. Hätte es also die Schorchel-Fehlbuchung nicht gegeben, wäre der Besuch des Corcovado Nationalparks für uns unmöglich gewesen... In der Situation, wie sie sich nun darstellt, kann wenigstens einer von uns fahren. Meine Frau verzichtet auf den Ausflug und wird mit den Kindern den Tag in der Lodge und am Strand verbringen. Für die Kinder ist das eine gute Sache, denn der Nationalparkbesuch wird ziemlich anstrengend werden. Für meine Frau tut es mir jedoch sehr leid. Aber einmal mehr bin ich dankbar dafür, dass sie mir als Wildlife-Freak dieses Erlebnis ermöglicht und selbst zurücksteht. :kiss: (Hier lernen wir: Touren in den Corcovado NP sollte man auch in der Nebensaison weit im Voraus buchen!)

Das Abendessen genießen wir im kleinen Restaurant der Lodge. Hier wird auf hohem Niveau sehr liebevoll gekocht. Alle Gänge schmecken ausgezeichnet. Vielleicht ist Las Caletas sogar der kulinarische Höhepunkt der ganzen Reise.

Als es dunkel ist, setzt heftiger Regen ein. Schnellen Schrittes gehen wir zurück zu unserer Hütte und haben am Fuße der Treppe eine letzte Sichtung, die im Schein der Taschenlampen zum Gruseln einlädt: Ein Tailless Whip Scorpion (Geißelspinne).



Eine ruhige Nacht begleitet von der Brandung des Pazifiks und des anhaltend starken Tropenregens erwartet uns.
Morgen früh zu Sonnenaufgang werde ich allein gen Sirena Ranger Station im Corcovado NP aufbrechen. Auf das Berichten über die Erlebnisse dort freue ich mich ganz besonders… B)
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08 Nov 2022 16:29 #654986
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Auf das Berichten über die Erlebnisse dort freue ich mich ganz besonders… B)
Ich mich auch :-)
VG, Nette (die ebenfalls "damals" Las Caletas in der Planung hatte...)
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08 Nov 2022 16:31 #654987
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19. Kapitel: Eine Sichtungsfee in Bestform

Vor Sonnenaufgang werde ich wach. Der starke Regen, der am Vorabend eingesetzt hat, trommelt nach wie vor auf Dach und Blattwerk. Na, das kann ja was werden… :S

Ich verabschiede mich schnell von meinen Lieben, ohne sie groß wecken zu wollen. Bei den Kindern gelingt das meistens gut, bei meiner Frau weniger.
Meinen Rucksack habe ich bereits am Vorabend gepackt. Wasser, Drybag für die Kamera und Regenponcho befinden sich darin. Letzterer kommt nun leider bereits zum Einsatz. Weitere Nahrungsmittel darf man nicht mit in den Park nehmen – dies wird nach der Landung am Strand mittels Rucksackkontrollen sichergestellt. Und so reist man mit eher leichtem Gepäck. Auch das große Teleobjektiv lasse ich in der Lodge – es ist mir für eine mehrstündige Wanderung durch den Regenwald zu schwer und unflexibel. Stattdessen entscheide ich mich für unser wesentlich leichteres 150-600er Tele. Eine rückblickend gute Wahl, denn unsere 500mm-Festbrennweite hätte bei der oft kurzen Distanz zwischen Fotograf und Motiv im Corcovado im seltensten Fall funktioniert. Die Wanderschuhe binde ich von außen in einer Plastiktüte an den Rucksack.

Geduckten Gangs im Regenponcho mache ich mich auf zum Frühstück. Mehr als einen kleinen Pancake bekomme ich zu dieser Tageszeit leider nicht herunter. Das muss also für den halben Tag genügen.

Bald ist es auch schon Zeit, zum Strand herunterzugehen. Pünktlich nähert sich ein kleines Boot, das mich und zwei weitere Familien, die in der Lodge nächtigen, an Bord nimmt. Bei dem herrschenden Wetter ist es umso abenteuerlicher, das Schiff zu besteigen. In harscher Brandung wippt es auf und nieder und nur mit Hilfe der Besatzung gelingt mir der Einstieg, ohne dass alles gleich zu Beginn auch salzwassernass ist. :blink:

An Bord bezahle ich die Tour in bar: 110 $ kostet der Ausflug derzeit – und er ist jeden Cent wert.

Und schon beginnt die wilde Fahrt, die ich neben einem sehr mitteilungsfreudigen US-Amerikaner verbringe. Nur wenige hundert Meter sind wir gefahren und schon reißen die Wolken auf. Der Regen hört so plötzlich auf, wie er begonnen hatte und die Sonne wärmt uns im schönen Morgenlicht. :)
Rund eine halbe Stunde kann ich die Fahrt genießen, dann fordert der Wellengang seinen Tribut. So richtig seetauglich war ich noch nie, aber ich habe das Gefühl, dass die Anfälligkeit für Seekrankheit mit den Jahren stark zunimmt. Leider habe ich kein Medikament dagegen eingeworfen. Und so bleibt mir nichts anderes übrig als den Horizont zu fixieren und zu leiden, während der Amerikaner mir begeistert vom Oil-Business in Texas erzählt und nicht zu bemerken scheint, dass ich immer einsilbiger antworte… :sick:
Als dann noch Buckelwale auftauchen und das Schiff mit zur Beobachtung der Tiere abgeschaltetem Motor gänzlich zum Spielball der Wellen wird, verschlechtert sich meine Lage zunehmend. Die Begegnung mit den nahen Meeressäugern kann ich so nur im Ansatz wertschätzen. Fotos entstehen hier keine brauchbaren – Blicke durch den Sucher rächen sich sogleich mit verstärkter Übelkeit. Und außerdem sind die riesigen Tiere so nah, dass das montierte 150-600 Tele hier sowieso die falsche Wahl ist.
Als wir die Wale hinter uns lassen, geht es mir richtig schlecht. Kurz vor Erreichen des Zielstrandes ist es dann soweit – ich muss mein karges Frühstück dem Meer überantworten. :sick: Danach geht es mir zum Glück schlagartig besser.

Am Corcovado-Strand erwartet uns einmal mehr eine nasse Landung. Flipflops zu tragen, ist hier keine gute Idee – die Strömung reißt sie unweigerlich von den Füßen und man muss schnell sein, um sie noch zu erwischen, bevor sie ins Meer abtreiben.
Ist man am Strand angekommen, kann man kurz durchatmen. Hier ist ganz schön viel los, denn die Ausflugsboote aus Drake Bay kommen allesamt zur gleichen Uhrzeit an. Am Waldesrand stehen einige Tische. Hier muss man sich registrieren und sein Gepäck kontrollieren lassen. Ist diese Prozedur erledigt, kann man in die Wanderschuhe schlüpfen und sich zu seiner Kleingruppe gesellen.
Wir werden heute früh zu acht unterwegs sein: Drei junge Französinnen, ein junges Paar aus den USA, der mitteilungsfreudige Öl-Texaner, ich und unser Guide – ein mittelalter Mann, der seit Jahren in Drake Bay wohnt und den Park wie seine Westentasche kennt. Ohne Guide ist es seit einigen Jahren nicht mehr erlaubt, den Nationalpark zu betreten. Das ist sicher gut für die wundervolle Natur, die uns nun empfängt.
Die anderen Gäste der Las Caletas – Lodge sind als zweite Kleingruppe unterwegs. Zum Glück bin ich nicht dabei, denn sie werden leider weit weniger Sichtungsglück haben als unser Trupp.

Als sich hier ca. 20 Kleingruppen formieren, zweifle ich, ob das hier nicht eine Wanderung im Konvoi werden wird. Aber unser Guide beruhigt uns präventiv: Er werde mit uns andere Pfade wählen, als der Großteil der Gruppen, wir sollten keine Sorge haben.

Und das stimmt. Die meisten orientieren sich nach rechts, wir aber schlagen einen Pfad nach links ein. Sofort umfängt uns dichter Wald und das Sonnenlicht dringt nur noch gedämpft zu uns durch.
Mir geht es zum Glück wieder richtig gut und ich freue mich auf die Stunden im Corcovado, die nun vor uns liegen. (Anmerkung: Landschaftsfotos gibt es leider keine, da ich keinen Objektivwechsel machen wollte, nachdem uns ein solcher im feuchten Wald Ugandas vor Jahren mal eine Kamera gekillt hat…)
Wir steuern zuerst einige schlammige Tümpel an, in denen sich gern Tapire suhlen. Dies tun sie aber vor allem in der Trockenzeit. Jetzt gibt es hier überall genug Wasser und der Morast ist tapirfrei. Schade. :(
Nach einigen Minuten haben wir aber bereits eine erste erwähnenswerte Sichtung in den Wipfeln, die den Pfad überspannen. Ein junger Klammeraffe spielt lebensfroh in den Ästen. Er schaukelt wie wild und scheint für uns eine wahre Show abzuziehen. Ebenso neugierig, wie wir ihn betrachten, betrachtet er auch uns.





Der weitere Weg führt uns wechselweise durch den Wald und am Strand entlang. Wir entdecken Walknochen im Sand und auch die Spuren eines Pumas. Die Katze selbst zeigt sich leider nicht. Unser Guide erzählt, dass Pumas im Nationalpark nur sehr selten gesichtet werden. Es kam schon vor, dass er zwei Pumas in einer Woche gesehen hätte und dann wieder zwei Jahre lang keinen einzigen. Jaguare hätte er in all den Jahren noch nie gesehen – sie seien hier vor allem nachtaktiv und ihre Anwesenheit würde, wenn überhaupt, durch Fotofallen dokumentiert.

Dafür zeigen sich ein Krabbenbussard und zahllose Einsiedlerkrebse – hier beim kollektiven Verspeisen einer Kokosnuss.





Unser Guide hört ein Rascheln im Gebüsch und wir steigen erneut in das dichte Grün des Waldes ein. Und kurz darauf sind wir umringt von etwa 40 Nasenbären. :woohoo: Eine Großfamilie aus Muttertieren und ihrem Nachwuchs ist auf Nahrungssuche und lässt sich von uns überhaupt nicht in ihrem natürlichen Verhalten stören. Die Tiere interessieren sich gar nicht für uns, obschon wir nur ein bis zwei Meter von ihnen entfernt sind. Das ist das Grandiose an Corcovado. Das Gebiet steht seit den 1970er Jahren unter Schutz, die Tiere haben über Generationen keine Bedrohung durch Menschen erfahren und kennen sie nur als auf Wanderpfaden laufende Teile ihres Ökosystems.
Ich hocke mich hin und genieße das Gewusel um mich herum. Die Kleinbären halten kaum jemals still und wenn doch, dann haben sie ihre Nasen tief in der Erde versteckt – immer auf der Suche nach schmackhaften Krabben. Daher ist das Fotografieren hier auch gar nicht einfach. Oft ist Bodenbewuchs im Weg oder die Tiere sind einfach zu nah… Einige Schnappschüsse gelingen dann aber doch.









Und weiter geht es durch den Dschungel! Bald erreichen wir einen Bachlauf. Gestern habe hier ein Tapir in der Ferne gebadet – heute leider nicht… :dry: Dafür begegnet uns jedoch eine ganze Horde Totenkopfäffchen. Ich bin wieder begeistert. Ganz nah kommen die Tiere – teilweise ist nur eine Armeslänge Abstand zwischen uns. Und trotzdem kommt es zu keiner Interaktion. Es ist so, als ob wir für die Äffchen gar nicht existieren würden. Unbeeindruckt von unserer Nähe gehen sie ihrem Tagewerk nach.











Nachdem wir die quirligen Tiere eine Zeit lang beobachtet haben, queren wir den zum Glück nur knöcheltiefen Fluss. Mit Wanderschuhen ist das kein Problem. Ich habe im Vorfeld von Flussquerungen im Corcovado gelesen, bei denen man bis zur Brust durch das Wasser waten muss – Krokodile und ggf. Bullenhaie inklusive. Auf diese Erfahrung kann ich gern verzichten. :silly:
Am anderen Ufer angekommen, können wir einen Crested Caracara in einiger Entfernung entdecken.



Und dann steigen wir erneut in den Wald ein. Bald darauf begegnen uns einige Brüllaffen, die wie gewöhnlich in den hohen Wipfeln unterwegs sind.



Und dann folgt ein nächstes Highlight: Ein Pale-billed Woodpecker lässt sich neben dem Pfad nieder. Dieser farbenfrohe Specht stand ziemlich weit oben auf meiner Vogel-Wunsch-Sichtungsliste. Entsprechend glücklich bin ich in diesem Moment. :)



Es vergehen vielleicht zehn Minuten, bis das Handy unseres Guides klingelt und er mitgeteilt bekommt, dass nicht weit entfernt ein Tamandua gesichtet wurde. Wir beschleunigen unseren Schritt und können den kleinen Ameisenbär tatsächlich bald darauf erblicken. Leider ist er in extrem dichtem Geäst unterwegs, sodass von dieser Sichtung keine Fotos gelingen wollen. Aber immerhin: Wenigstens einen Tamandua durfte ich auf dieser Reise erahnen.

Bald kommen wir anscheinend wieder in gutes Tapir-Gebiet. Unser Guide lässt uns kurz allein und sucht den Umkreis nach einem Tapir ab. Leider bleibt er erfolglos – einzig den Geruch der Tiere, eine olfaktorische Mischung aus Pferd und Kuh, ist nicht zu überriechen.
Dafür sehen wir alsbald Lesson’s Motmot und Black-throated Trogon. Besonders interessant ist die Beobachtung des Motmots, der mit seinem langen Schwanz wie mit einem Uhrpendel einen Tanz aufführt.





Wir wandern durch ein Gebiet, in dem häufiger Tayras anzutreffen seien – leider heute nicht. Dafür sehen wir einen Crested Guan.



Bald ist Mittagszeit und der Guide fragt, ob wir nun zur Sirena Station zur Mittagsrast gehen oder weiter nach Tieren suchen wollten. Die Gruppe entscheidet sich bei Enthaltung des US-Pärchens zum Glück für die zweite Alternative. Denn wir wollten ja eigentlich noch einen Tapir finden… :whistle:

Bei einsetzendem Starkregen – also schnell Poncho an und Kamera im Drybag verstaut – wandern wir weiter, bis unser Guide einen weiteren Tipp per Handy bekommt und wir vom gemächlichen Wandertempo in den Laufschritt wechseln… Über Stock und Stein geht es und mehr als einmal muss man auf tief hängende Äste mit durchaus stattlichen Dornen achten. Der heftige Regen macht das Ganze zu einem surrealen Erlebnis.
Nach einigen Minuten und dem völligen Orientierungsverlust meinerseits haben wir unser Ziel erreicht.
Wir stehen etwa zehn Meter entfernt von einem Puma, der unlängst einen Affen gerissen hat und nun seine Mahlzeit vertilgt. :woohoo:
Die Gefühle, die ich bei dieser Begegnung habe, sind total intensiv. Ich bin aufgeregt und voller Freude. Mit dieser Sichtung hätte ich im Leben nicht gerechnet. Der Raubkatze ist unsere Anwesenheit völlig egal. Manchmal schaut sie entspannt zu uns herüber, die meiste Zeit beschäftigt sie sich jedoch mit dem blutigen Kadaver, den ich im Unterholz nur erahnen kann. Nach einigen Minuten steht der Puma schließlich auf und zieht sich zur Fellpflege ins Dickicht zurück.











Was für ein Erlebnis! Ich bin selig und finde es gar nicht mehr schlimm, dass wir keinen Tapir gesehen haben. :)

Bald hört der Regen auf, mein zufriedenes Lächeln hält aber noch lange an. Die Wanderung neigt sich ihrem Ende zu und wir kehren glücklich und erschöpft zum Strand zurück und warten darauf, in die Boote einsteigen zu können. Die Wanderschuhe werden ausgezogen, die Hosenbeine abgezippt.

Kurz vor Ende der Exkursion zieht meine Sichtungsfee jedoch noch ein unerwartetes Ass aus dem Ärmel. In vielleicht hundert Metern Entfernung können wir zwei Baird-Tapire erspähen, die aus dem Dickicht heraustreten und am Strand entlangwandern. :woohoo: :woohoo:
Vorsichtig nähere ich mich gemeinsam mit einigen anderen den großen Tieren, die ohne Scheu und Interesse an uns ihres Weges ziehen. Dass ich am Ende der Tour noch Tapiren so nah kommen werde und ein derart intensives Erlebnis haben darf, ist ganz wunderbar und setzt der Stippvisite im Corcovado Nationalpark einen krönenden Schlusspunkt.









Begeistert klettere ich schließlich in unser Boot, die Rückfahrt vergeht zum Glück ohne Übelkeit vorbei an Walen, braunen Pelikanen und Blaufußtölpeln.

In Drake Bay erhalten wir ein Mittagessen, das nicht der Rede wert, aber im Ausflugspaket inkludiert ist. Gemeinsam mit der Gruppe schwelge ich in schönsten Erinnerungen an den Tag.

Im Anschluss werde ich zurück zur Lodge geschippert und von meiner Familie empfangen, die eine tolle Zeit am Strand verlebt hat. Schön ist, dass sich alle drei über meine Erlebnisse mitfreuen können.

Den restlichen Tag genießen wir in ruhiger Gangart in der Lodge.



Zum Sonnenuntergang kehren wir ans Meer zurück. Wir haben mit Las Caletas einen neuen Eintrag auf unserer imaginären Liste der Lieblingsorte gefunden. :)

Aktuell: Kruger 10.23 www.namibia-forum.ch...nacht-im-kruger.html

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08 Nov 2022 16:47 #654989
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Lieber Sascha,
selbst auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Du bist in jeglicher Hinsicht ein Glückspilz , sowohl was Ehefrau als auch Kinder und Sichtungen betrifft!
Schöne Grüße
Friederike
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08 Nov 2022 17:47 #654993
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Wow! So ein erfolgreicher Ausflug mit enorm schönen Bildern! Sehr gut gemacht und geschildert. (ich glaube du bist vielleicht Germanistik Lehrer?)und einen Puma am Riss zu finden ist ja wirklich the cherry on top! Hier warte ich jeden Tag sehnsüchtig auf eine Panther Sichtung hinter meinem Haus. Die Nachbarin hat mal zwei Panther entdeckt. Es gibt hier in Florida einige, aber sie sind eben meistens nur nachtaktiv und einige werden leider roadkill.
Es nimmt mich Wunder wieviele Kilometer deine Gruppe im Urwald gewandert ist. Kannst du das einschätzen, oder auch wie lange wart ihr auf Pfad?
Danke für deinen interessanten Bericht und die Mühe Di du dir machst!
Liebe Grüsse Von Katrin
If life is a journey be sure to take the scenic road!

Expedition Antarktis:
www.namibia-forum.ch...s-und-s-georgia.html

Island In Herbstfarben
www.namibia-forum.ch...-september-2018.html


Nordamerikanische Safari und Landschaften May Till October 2019

www.namibia-forum.ch...landschaft-2019.html

Zweite Selbst Fahrer Tour in Tansania. Same same but different.
Juni 2018
www.namibia-forum.ch...e-but-different.html

Trip reports in English:

Namibia and KTP 2016
safaritalk.net/topic...-tr-nam-sa-bots-nam/

Botswana 2016:
safaritalk.net/topic...fari-tr-bots-nam-sa/

Tanzania 2015:
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Nam-SA-Bots 2014:
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08 Nov 2022 20:16 #655015
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  • picco am 08 Nov 2022 20:16
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Hoi Sascha und wau, wau, wau!!!

Kätzchensichtung in Costa Rica, da kann mein Sichtungsglück noch nicht mithalten!
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