16. Kapitel: Auf Stippvisite im Manuel Antonio NP
Wieder scheint beim Erwachen im Nebelwald die Sonne. Wir genießen ein gutes Frühstück bei schönem Blick auf den nahen Wald und packen alsbald unsere Sachen, um uns auf den Weg gen Pazifikküste zu machen.
Die Straße nach Westen in ist viel besserem Zustand als die Zufahrt von La Fortuna aus und so kommen wir rasch voran. Immer wieder laden Ausblicke ins Tal dazu ein, ein wenig zu verweilen.
Die Fahrt führt immer wieder über recht enge Serpentinen. Auf möglichen Gegenverkehr ist dabei stets zu achten. Und auf die eigene Geschwindigkeit: Nimmt man die Kurven zu sportlich, so wird den Töchtern auf der Rückbank schlecht…
Die heutige Nacht werden wir in Uvita verbringen – also schon ziemlich weit südlich an der Pazifikküste. Etwa 50 Kilometer weiter nördlich unserer nächsten Station liegt der Manuel Antonio Nationalpark. Es sind nur wenige Kilometer Umweg, die wir fahren müssen, um auch diesen Park in unser Programm einzubauen.
Unsere Agentur hat uns bei der gemeinsamen Planung der Reise davon abgeraten, den Park zu besuchen oder sogar hier Übernachtungen einzubauen. Zu voll sei der kleine Nationalpark oft und zu rummelig die Umgebung. Und tatsächlich: Als wir das „Dorf“ Manuel Antonio erreichen, trauen wir unseren Augen nicht: Hier reiht sich Unterkunft an Unterkunft und Bar an Bar. Dieses Gesicht hat uns Costa Rica bisher noch nicht gezeigt. Auf den Gehwegen flanieren zahlreiche Touristen. Hier ist es wirklich ziemlich belebt. Und je näher man dem Eingang zum Park kommt, desto mehr ist los.
Wir haben im Vorfeld der Reise gelesen, dass man sich nicht auf den erstbesten Parkplatz lenken lassen soll und so fahren wir bis kurz vor das Gate, wo wir bequem Platz auf einem großen Parkplatz finden.
Seit einiger Zeit wird der Eintritt in den Nationalpark sehr stark reguliert. So muss man im Vorfeld online Tickets kaufen – vor Ort ist das nicht mehr möglich. Wir haben unsere Tickets gebucht, als wir in La Fortuna waren. Außerdem legt man sich bei der Buchung auf ein Zeitfenster fest. Für jeden dieser Slots gibt es ein begrenztes Ticketkontingent – so will man den Besucherströmen Herr werden. Wir dürfen den Park ab 13.30 Uhr betreten, was bei der heutigen Anreise aus Monteverde sehr gut passt. Nur noch wenige Menschen scheinen den Park am frühen Nachmittag besuchen zu wollen und so ist die Situation am Gate ziemlich entspannt. Und das ist auch gut so, denn hier werden unsere Rucksäcke auf mitgebrachtes Essen kontrolliert. Es wird verstärkt darauf geachtet, dass man keine Lebensmittel mit in den Park nimmt, um der Fütterung der Wildtiere, die hier wohl schlimme Ausmaße angenommen hat, entgegenzuwirken.
Wir wandern auf dem Perezoso-Trail bis zur Playa Manuel Antonio. Für weitere Trails ist heute Nachmittag leider keine Zeit mehr. Zu dieser Tageszeit ist hier wenig los. Die meisten Besucher sind wohl schon wieder aus dem Park raus oder halten sich an den Stränden auf. Und so wandert man hier zwar niemals ganz allein, aber nach dem befürchteten Massenauftrieb fühlt es sich keineswegs an.
Der Weg führt über einen breiten Schotterpfad und immer wieder über einen sehr gepflegten Boardwalk. Die Landschaft mit ihrem dichten Dschungel ist schön. Durch die Infrastruktur kommt jedoch nur bedingt so etwas wie Wildnis-Feeling auf. Dafür lassen sich zahlreiche Tiere entdecken. Vor allem Krabben in vielfältiger Größenordnung bevölkern die Erde links und rechts des Holzstegs.
Aber auch Säugetiere lassen sich sehen: In den Bäumen turnen Kapuziner- und Brüllaffen, verweigern sich aber überzeugenden Fotos. Auch ein Nasenbär am Wegesrand versteckt sich zu sehr im satten Grün. Die nördliche Unterart des Totenkopfäffchens, auf die wir hier so sehr gehofft hatten, zeigt sich uns leider nicht.
Etwas besser zu erkennen ist ein Zweifinger-Faultier, das mit seinem Nachwuchs im Wipfel eines nahen Baums ruht.
Während wir die zwei Faultiere betrachten, spricht uns eine Einheimische an, die eine kleine Gruppe durch den Park führt. Ihr sind unsere Kameras aufgefallen und sie verrät uns aus reiner Nettigkeit, wo wir am Wegesrand einen gut getarnten Gladiator Treefrog finden können. Das Tier sieht bei oberflächlicher Betrachtung wie ein welkes Blatt aus.
Wenig später treffen wir erneut auf den Guide. Und wieder hat sie einen Tipp für uns. Dieses Mal handelt es sich um den Endgegner – eine der giftigsten Schlangen, der man in Costa Rica begegnen kann: Die Fer-de-Lance (Terciopelo-Lanzenotter). Gleich neben dem Wanderweg liegt die Schlange eingerollt, wie immer regungslos und gut getarnt zwischen Steinen und Blättern. Die Gefährlichkeit dieser Schlange ist mir in der Situation leider überhaupt nicht bewusst – erst in der Nachbereitung am Abend lese ich mich bei Wikipedia über die Fer-de-Lance ein und bekomme einen dicken Kloß im Hals.
Und so bin ich leichtsinnig und komme dem Tier mit der Kamera ziemlich nahe. Rückblickend ist es ein großes Glück, dass die Schlange diese Annäherung toleriert hat und/oder ich die kritische Distanz, die einen Angriff auslösen kann, nicht unterschritten habe – sonst würde ich diese Zeilen im schlimmsten Fall nicht mehr schreiben können.
Nach einiger Zeit erreichen wir den Strand. Hier sind durchaus einige Menschen unterwegs – aber es ist noch immer kein Vergleich mit einem typischen Badestrand an anderen Ecken der Welt. Die kleine Bucht ist im wahrsten Sinne des Wortes malerisch. Dichtes Regenwaldgrün flankiert den weißen Sand, der von einer rauschenden Brandung umspült wird. Einfach schön.
In den Wipfeln eines hohen Baums klettert ein Dreifinger-Faultier herum. Es soll das letzte sein, das wir auf dieser Reise sehen werden.
Ein Spotted-Sandpiper ist am Strand unterwegs.
Dann sehen wir, wie einige Menschen im Kreis herumstehen. Als wir uns nähern, können wir eine Parrot Snake dabei beobachten, wie sie gerade einen Frosch verspeist. Das ist mal ein interessantes und unerwartetes Sighting.
Als die Schlange nach beendeter Mahlzeit in den Wald zurückkehrt, gelingt mir noch ein Foto auf Augenhöhe, über das ich mich ziemlich freue.
Nachdem Frau und Kinder in der Brandung das Meer genossen haben – ich bin dafür leider nicht so der Typ – ist es bald Zeit, den Rückweg anzutreten.
Wir nehmen den Boardwalk und queren erneut die dichte Vegetation. Unter uns wieder zahlreiche Krabben.
Leichter Regen setzt ein, als wir uns dem Nationalparktor nähern, und plötzlich ein hohes Fiepen ertönt. Was ist das? Sind das nicht etwa? Oh ja: Da nähert sich tatsächlich eine große Gruppe Totenkopfäffchen!
Wir hatten die Hoffnung, den Mono Titi hier zu erleben bereits aufgegeben und nun – kurz vor Ende des Besuchs – turnen die Äffchen über unseren Köpfen umher. Was für ein Finale!
Das Fotografieren ist wegen des Regens und der Perspektive zwar nicht gerade einfach, aber die kleinen Affen zu erleben ist auch so eine große Freude. Und das am Ende noch einige Aufnahmen gelingen, macht uns beim Verlassen des Nationalparks noch zufriedener.
Vor den Toren sind einige fliegende Händler aktiv. Die Kinder wünschen sich Tonflöten in Tiergestalt. Ich freue mich über eine erfrischende Kokosnuss.
Bald treten wir im stärker werdenden Regen die Weiterfahrt nach Uvita an. Bei Einbruch der Dunkelheit erreichen wir die La Cusinga Lodge, die außerhalb des Ortes im Regenwald über dem Meer thront. Wir sind ganz schön erschöpft, aber der Tag hält (leider) noch etwas für uns bereit.
Über dieses kleine Abenteuer werde ich aber erst im nächsten Teil berichten...