14. Kapitel: Das Thermometer fällt
Einmal mehr werde ich vor dem Rest meiner Familie wach und schleiche mich aus unserem Häuschen. Ich streife durch den Garten des Hotels und fotografiere einige Kolibris. Die pfeilschnellen und kunterbunten Vögel wecken bei mir echtes Jagdfieber…
Als die anderen drei Familienmitglieder schließlich Morpheus‘ Armen entkommen sind, genießen wir ein letztes Frühstück am Fuße des Arenal und packen unser Auto zur Weiterreise. Heute wird uns der Weg gen Monteverde führen. Luftlinie trennen uns gar nicht viele Kilometer von unserem Ziel – allein: Es fehlt eine direkte Straßenverbindung. Und so müssen wir den riesigen Arenalsee beinahe umrunden.
Auf unserem Weg entdecken wir einen Crested Caracara in einem Baum neben der Straße. Erfreut halten wir an und betrachten den interessanten Greifvogel ausführlich. Eine Sichtung dieses ungewöhnlichen Vogels hatte ich mir im Vorfeld der Reise gewünscht. Mit einem Lächeln im Gesicht fahre ich also weiter.
Und die Strecke zieht sich etwas...
Zuerst führt der Weg über gut geteerte Straßen (eine Pause machen wir in einer deutschen Bäckerei mit saftigen Preisen und leckerem Backwerk am Wegesrand). Irgendwann ist es dann vorbei mit dem Teer und es folgen recht enge Dirtroads, die uns kurvenreich ins Gebirge führen. Das ist nicht ganz unanstrengend zu fahren, da man ständig mit Schlaglöchern zu rechnen hat, jedoch für den afrikaerprobten Fahrer kein wirkliches Problem. Die Vegetation ändert sich, als wir den Nebelwald erreichen. Dichtes Grün umfängt uns immer wieder: Flechten hängen wie lange Bärte von den Ästen herab. Eine zauberhafte Szenerie.
Und so kommen wir gegen Mittag an unserer Herberge für die nächsten zwei Nächte an: Die Trapp Family Lodge. Wir finden ein sehr gepflegtes kleines Hotel vor, das mit seiner Holzoptik auch im Yellowstone NP stehen könnte. Beim Aussteigen wird uns deutlich, warum wir auch Fleecejacken im Gepäck haben – im Vergleich zu unseren bisherigen Destinationen ist es hier ziemlich kalt. Dass aber die Schwüle erstmals verschwunden ist, macht das Atmen leicht und angenehm.
Ein wenig Zeit haben wir, um uns im Hotel einzuleben und unsere Blicke über den Nebelwald schweifen zu lassen. Gegen 15 Uhr werden wir jedoch bereits pünktlich zu unserer Nachmittagsaktivität abgeholt. Wie überall in CR, ist auch hier alles sehr gut organisiert.
Um einen Gegenpart zur wildlifelastigen Ausrichtung der Reise zu legen, haben wir uns im Vorfeld der Reise entschieden, in Monteverde eine Trapiche-Tour zu machen, die uns unsere Agentur empfohlen hat.
Mit einem Kleinbus werden wir zu einer Farm gefahren. Dort nehmen wir an einer sehr professionell gestalteten Führung teil, die uns den Kaffee-, Kakao- und Zuckerrohranbau in der Region näherbringt. Bald setzt ein feiner Regen ein, der an Intensität zunimmt. Gut, dass wir heute nicht mehr wandern wollten…
Der Guide macht seinen Job gut: Alles wird mit Humor und Detailverliebtheit sehr anschaulich erläutert und wir übersetzen fleißig für die Kinder.
Jedoch kann auch das Engagement des Guides und die kleine Gruppengröße während der Führung nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir hier in einer gut geölten Tourismusmaschinerie unterwegs sind. Die Tour ist naturgemäß eine weit weniger individuelle und nachhaltige Erfahrung als der Schokoladen-Workshop in Cahuita.
Zuerst geht es um Kaffee vom Anbau der Pflanzen über die Bohnenernte, die Trocknung bis hin zur Röstung. Das ist für Kaffeeenthusiasten sicher interessanter als für Kostverächter wie uns…
Als es um Kakao und Schokolade geht, sind die Kinder wieder in ihrem Element. Hier dürfen wir verschiedene Schoko-Sorten probieren. Alles sehr lecker.
Die namensgebende Trapiche – eine wasserbetriebene Zuckermühle – sehen wir gegen Ende der Tour in Betrieb. Hier legt der Chef des Unternehmens selbst Hand an und führt den Verarbeitungsprozess von Zuckerrohr vor Augen.
Aus der Melasse können die Kinder mit unserer Hilfe eine traditionelle karamellartige Süßigkeit herstellen, die gegenwärtig noch immer in unserem Süßigkeitenschrank ihrem Verzehr entgegensieht… Der Herstellungsprozess jedoch hat unserem Nachwuchs Freude bereitet.
Eine kleine Verköstigung von auf der Farm erzeugten Produkten schließt die Tour auf sehr schmackhafte Weise ab.
Alles in allem haben wir hier einen informativen und kurzweiligen Nachmittag verbringen können, der dem heute herrschenden Regenwetter sehr entgegengekommen ist. Ob die Führung den CR-typischen hohen Preis von 38 $ pro Erwachsenen und 11 $ pro Kind gerecht werden kann, steht auf einem anderen Blatt.
Zurück im Hotel versuchen wir für den kommenden Tag einen Guide zu organisieren, der uns die Vogelwelt des Nebelwaldes näherbringen kann. Trotz wirklich rührender Bemühungen des Rezeptionisten, der sich die Finger wundtelefoniert, ist dies aber leider nicht von Erfolg gekrönt. Trotz der Nebensaison sind alle Guides bereits gebucht und auch die Gruppenführungen im Nebelwaldreservat sind ausverkauft…
Damit haben wir nun gar nicht gerechnet und sind etwas enttäuscht, da ohne kundiges Auge in dem hier herrschenden dichten Grün die Sichtung von Wildlife ziemlich schwierig werden dürfte. Hier hätten wir also im Vorfeld reservieren müssen… Hinterher ist man immer klüger.
Der Rezeptionist empfiehlt uns, morgen früh auch ohne Guide das Curi-Cancha Reservat zu besuchen, das aus einer Mischung aus Sekundär- und Primärwald besteht. Er meint, dort habe man die besten Chancen in der Region den Quetzal zu entdecken.
Beim (wirklich guten) Abendessen im Hotelrestaurant wird klar, dass die Kinder keine rechte Lust auf eine frühe Birding-Tour bei wahrscheinlich nebelwaldtypischer Nässe haben und so entscheiden wir, dass ich morgen früh allein gen Curi-Cancha aufbrechen werde. Ob sich mir der Göttervogel auch ohne Guide zeigen wird? Ehrlich gesagt fehlt mir da der Glaube…
Heute schlafen wir sehr erholsam. Das erste Mal auf dieser Reise ist es gut, dass hier (dicke) Bettdecken angeboten werden.