THEMA: Island 2020: Als Corona ganz weit weg war
14 Nov 2020 18:08 #598719
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Diamantenfieber

James Bond, Lara Croft und ich haben etwas gemeinsam: Wir alle sind schon über das eisige Wasser der Jökulsarlon Gletscherlagune gedüst. 007, der alte Angeber, in einem Auto, was nur ging, weil der See zugefroren war. Superwoman Lara in einem Amphibien-Fahrzeug, was ich persönlich enttäuschend finde, und Thomas und ich in einem Zodiac, das wir dem Croftschen Fortbewegungsmittel vorgezogen haben, weil es wendiger ist und näher an die Gletscherkante herankommt - wenn auch nicht zu nah, denn es brechen regelmäßig Eisbrocken ab.

Jökulsarlon 2019




Diese nicht unerhebliche Tatsache führt zu einem weiteren Wunder: Die farbenfrohen Eisberge treiben erst munter auf der Lagune, schmelzen langsam und driften dann durch einen schmalen Zugang aufs Meer hinaus.



Dort spült der Atlantik sie schließlich im Rücken der Lagune auf den Vulkanstrand, wo sie im schwarzen Sand wie Diamanten funkeln. So kam der Strand zu seinem Spitznamen "Diamond Beach", und nicht nur Fotografen verfallen regelmäßig dem Diamantenfieber.

Tausende Jahre altes Eis am Diamond Beach




Die beiden Attraktionen stehen zu Recht in der Gunst der Touristen ganz weit oben. Wir frühstücken so früh wie möglich und steuern danach zuerst den Diamond Beach an, der bis auf einige weit entfernte Robben vollkommen verwaist ist. 2019 hatte uns der Strand absolut umgehauen - und wir waren damit nicht alleine. Ganze Busladungen ergossen sich auf den schwarzen Sand, Eisberge wurden geherzt, erklettert und geküsst, und wir waren ehrlicherweise nicht nur begeistert, sondern auch manchmal genervt.



Diesmal ist es deutlich ruhiger und das bleibt auch so, weil keine großen Gruppen unterwegs sind. Tipp für hoffentlich bald wieder Corona-freie Zeiten: Möglichst früh da sein, bei blauem Himmel sogar bei Sonnenaufgang, weil das Eis im Gegenlicht golden glüht, und möglichst weit nach hinten durchgehen, weil der Strand dort nicht mehr überwiegend aus Kieseln, sondern aus schwarzem Sand besteht.







Lange sind wir alleine, und als nach und nach andere Besucher auftauchen, gehen wir noch ein Stück weiter. Das Eis wird weniger, doch der Strand ist wunderschön und als schließlich sogar die Sonne durchkommt, ist mein Glück perfekt.







Über zweieinhalb Stunden verbringen wir an diesem einzigartigen Ort, dann fahren wir das kurze Stück über die Brücke zur Lagune.



Kein James Bond und keine Lara Croft, die "Gletscherflusslagune" ist aber auch so beeindruckend.





Sie entsteht auf natürlichem Weg aus dem Wasser, das vom Gletscher abschmilzt und weil das immer schneller passiert, wird der tiefste See Islands zusehends größer. Eine traurige Tatsache, und ich muss unwillkürlich an unsere erste Island-Reise im vorangegangenen August denken. Da waren uns an einem Morgen die vielen Flaggen auf Halbmast aufgefallen und wir erfuhren auf Nachfrage, was auch in unserer Heimat für Schlagzeilen gesorgt hatte: Island hatte an dem Tag den Gletscher Okjökull offiziell für "tot" erklärt. Die Trauer und Hilflosigkeit vieler Einheimischer, die ihre natürlichen Schätze direkt vor ihren Augen vor die Hunde gehen sehen, haben uns damals sehr berührt - und tun es noch.

Nach einem kurzen, aber schönen Stopp am Fjällsarlon, dem kleinen Bruder des benachbarten Jökulsarlon ...



... fahren wir rund 125 Kilometer durch wunderschöne Landschaft zurück in Richtung Kirkjubaejarklaustur und zum
Fjadrargljufur Canyon.







Bei Traumwetter und Windstille genießen wir den Spaziergang an der Schlucht entlang bis zu einer Aussichtsplattform, die die natürlichen Vorsprünge schützen soll.



Märchenhaft schön: Fjadrargljufur Canyon




Bestimmt ist Island immer eine Reise wert. Doch kaum zeigt sich die Sonne, explodieren die Farben, präsentiert sich die Insel von ihrer besten Seite. Rau und karg einerseits, aber auch freundlich und grün: Dazwischen liegen oft nur wenige Meter, und wir kommen wieder einmal nicht aus dem Staunen heraus.





Der Svinafellsjökull steht auf dem Plan, der "Hollywood-Gletscher". Ein wahr gewordener Traum für die Traumfabrik, Batman Begins wurde hier gedreht, Game of Thrones und Interstellar. Nicht, dass das eine Rolle für uns spielt; vielmehr, dass man einem Gletscher selten so nah kommen kann.



Es ist nur ein kleiner Abstecher von der Ringstraße, zumindest in der Theorie, doch die zwei Kilometer haben es in sich. Im Vorjahr haben wir mit unserem schon etwas angeschlagenen PkW nach wenigen Metern aufgegeben. Der SUV meistert die ruppige Piste allerdings problemlos und wir nehmen sie trotz der Warnschilder am Abzweig von der Ringstraße in Angriff. Steinschlaggefahr, die Erde ist seit Wochen in Bewegung, doch wir folgen dem isländischen Camper, der sich am Ende der Zufahrt häuslich einrichtet.

Wir steigen aus und biegen um die Ecke in Richtung Gletscher, ein schmaler Pfad, die Natur ist gigantisch, auch wenn das Eis in den vergangenen Jahren sichtbar zurückgewichen ist.



Geführte Wanderungen auf dem Gletscher begannen einst mit direktem Zugang, später halfen Leitern zur Überbrückung, heute müssen die Touren ihm ziemlich weit über die Felsen entgegen klettern, um ihn überhaupt zu erreichen. Das Betreten der zerklüfteten Eisfläche ohne Guide kommt offenbar vor, ist aber lebensgefährlich, ein kleines Schild am Parkplatz erinnert daran, dass hier vor wenigen Jahren zwei junge Deutsche verschwanden.

Sehr weit wagen wir uns auf dem felsigen Pfad nicht vor, ohnehin verliert sich schnell seine Spur. Ein heftiges Krachen im Eis unterbricht die magische Stille, und weil wir nicht fliegen können wie Batmann oder Daenerys' Drachen, treten wir vorsorglich den Rückzug an.





Das Licht auf der Rückfahrt ist fantastisch, die Sonne am späten Nachmittag noch hoch am Himmel.







Nach einer kleinen Pause im Hotel hoffen wir auf Mitternachtssonne an der Jökulsarlon Gletscherlagune. Leider vergebens, der Himmel zieht sich zu, doch die Stunde wirkt blau und auf uns grandios. Der Spot ist beliebt in der richtigen Jahreszeit für Nordlichter, und wir ahnen, warum.





Der Diamond Beach ist der krönende Abschluss dieses wunderbaren Tages. Eine gute Entscheidung, denn Diamonds are forever, das erweist sich schon am nächsten Morgen als Mär. Abends verschicken wir schnelle Liebesgrüße aus Island, dann fallen mir die Augen zu. Randvoll mit Eindrücken, träume ich von schwarzen Stränden und Diamanten. Was ja irgendwie logisch ist: Diamonds are a Girl's Best Friend!



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20 Nov 2020 19:20 #599289
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Stokksnes

Für einen Großteil der Touristen ist an der Jökulsarlon Gletscherlagune Schluss. Sie kehren um und fahren wieder zurück in Richtung Reykjavik. Weiter ostwärts ist dadurch deutlich weniger los und kaum noch Verkehr auf der Ringstraße, und das ist sogar in einem Corona-bedingt ohnehin ruhigeren Jahr spürbar.

Nur 90 Kilometer auf der Ringstraße sind es bis zu unserem nächsten Ziel, ungewohnt spät krabbeln wir aus den Federn und lassen uns beim Frühstück viel Zeit. Es ist Sonntag, das Hotel wegen der isländischen Ferien ausgebucht und aufgrund des Personalmangels heillos überlastet, doch wir freuen uns, in diesen schwierigen Zeiten überhaupt hier sein zu können. Andere sehen das anders, eine deutsche Familie macht Terror, weil es unbedingt ein Fensterplatz sein muss und die wenigen Servicekräfte mit dem Abräumen nicht nachkommen. Ein anderer Tisch kommt natürlich nicht infrage und überhaupt ist der Tonfall barsch. Wir schämen uns für unsere Landsleute, die offenbar so gar nicht verstanden haben, was die Stunde geschlagen hat.

Unser Tagesziel heißt Höfn, und weil wir ohnehin am Diamond Beach vorbeikommen, werden wir noch einmal schwach. Nur ein weiteres Auto ist auf dem Parkplatz, wir wundern uns und dann aber auch nicht mehr, als wir hinunter zum Strand gehen: Nicht ein Eisbrocken liegt im schwarzen Sand. Nichts, null, nada - wir sind platt und hätten nicht gedacht, dass das vorkommen kann. Okay, keine Diamanten an diesem Tag für uns, wir können es verkraften.

2019 hatten wir ein echtes Juwel glatt übersehen: die kleine Landzunge Stokksnes, die sechs Kilometer außerhalb des Ortes Höfn gut erreichbar unweit der Ringstraße, aber dennoch etwas abseits der ausgetretenen Touristenpfade liegt. Von der Straße aus kaum zu erkennen, lockt ihre einzigartige Kulisse viele Fotografen an, viele tolle Bilder im Netz zeugen davon.



Kurz vor dem Tunnel Richtung Djúpivogur biegen wir rechts ab auf eine gute Schotterpiste, die unterhalb des Bergs Klifatindur zum Café Viking führt, und blicken jenseits der Lagune rechterhand zurück auf die grandiose Gletscherlandschaft, aus der wir gerade kommen.



Am Café müssen wir einen Obolus von umgerechnet sechs Euro entrichten, denn die Landzunge ist in Privatbesitz und von einer Schranke blockiert. Die kleine Gebühr ist für Island eher ungewöhnlich, aber gut angelegt, denn mit dem Geld pflegt der Landbesitzer nicht nur die Zufahrt, sondern sie hält auch Reisebusse ab.

Eine schnurgerade Piste führt quer durch Stokknes in Richtung Küste, wir haben im Café eine Karte bekommen, wissen aber noch nicht so recht, wohin. Also zunächst einmal bis zum Parkplatz am Ende der Straße, geradeaus geht's zu einem Leuchtturm, wo es manchmal Robben geben soll, und zum (abgesperrten) Gebiet einer ehemaligen Radarstation. Uns zieht es in die andere Richtung, wo es auf den Felsen einen Aussichtspunkt gibt mit Blick auf das Vestrahorn (757 m), das Teil des Massivs Klifatindur ist und wohl einer der berühmtesten Berge Islands.



Vom Auto aus hat die Landschaft nicht recht auf mich wirken wollen, doch nun laufen wir am extrem flach abfallenden, schwarzen Strand entlang und mitten durch die mehrere Meter hohen Dünen, die unerwartet riesig sind und mit grünem Strandgras dekoriert ungemein fotogen.



Wir versinken im Sand und genießen den Spaziergang an der Lagune entlang zurück zum Café Viking, wo es nicht nur leckere Kleinigkeiten gibt, sondern auch Zimmer zum Übernachten. Stokksnes ist wie die Gletscherlagune sehr beliebt, um Polarlichter zu fotografieren, da ist die Pole Position bestimmt nicht schlecht. Der Hof gegenüber bietet Reittouren an, in Island eigentlich nichts Ungewöhnliches, aber in dieser Umgebung, im schwarzen Sand, das hat schon was...



Wir sparen uns die Stippvisite in einem falschen Wikingerdorf, das als Kulisse gebaut worden war für einen Film, der dann aus Kostengründen nicht mehr entstand. Mittlerweile sollen hier einige Folgen der Serie "Vikings" gedreht worden sein, was wohl kein Zufall ist, denn tatsächlich gab es hier im 9. Jahrhundert eine der ersten Ansiedlungen Islands. Historiker dürften dennoch enttäuscht sein.

Falsches Wikingerdorf am Fuß des Bergmassivs


Im Hotel Milk Factory in Höfn, einer stilecht zur Herberge umgebauten ehemaligen Molkerei, beziehen wir ein wunderbar großes, modernes und blitzsauberes Zimmer mit Panoramafenster. Bei der Online-Buchung hatten wir die Frage bejaht, ob wir ein ruhiges Zimmer möchten. Ob es daran liegt, dass wir einen separaten Eingang haben? Das gefällt uns jedenfalls, und auch die Gesellschaft auf der anderen Seite der Straße ist ganz nach unserem Geschmack.



Die Kontaktaufnahme gestaltet sich allerdings schwierig, denn die Nachbarn zur anderen Seite sind scheinbar viel interessanter.

Ein schöner Rücken kann auch entzücken...


Am späten Abend unternehmen wir einen weiteren Abstecher zur Stichstraße nach Stokksnes,...



...wo wir auf den Klippen mutterseelenallein die stille Lagune und den Ausblick auf die Gletscher genießen.







Die Uhr zeigt 23.05 Uhr, und noch immer ist es hell.



Am nächsten Tage fahren wir weiter in Richtung Ostfjorde, doch weil sich die Sonne zusehends durchsetzt, steuern wir auf dem Weg ein weiteres Mal Stokksnes an. Diesmal lassen wir das Auto am Café, zahlen den kleinen Betrag und gehen direkt hinter der Schranke hinunter an den Strand.



Wir sind fast allein und laufen begeistert durch die fantastische Kulisse mit ihren tollen Kontrasten, klettern auf Dünen...





...und haben Glück mit dem richtigen Moment für die Reflexion in der Lagune. Fototipp: Wer sein Glück erzwingen will, der sollte die Gezeiten im Blick behalten und auch den Wind. Bei Ebbe verschwindet der schöne Spiegel fast komplett, im Idealfall findet gerade ein Wechsel statt, läuft die Lagune also voll oder leer. Und: Ohne gutes Weitwinkel passt der Berg nicht drauf.



Schließlich verlassen wir die Landzunge und fahren weiter gen Osten zu unserem nächsten Ziel Seydisfjördur.





Das Wetter wechselt, kurz hinter Stokksnes ist es grau und stürmisch, das war auch im Vorjahr so und zu gerne würde ich diese Strecke einmal bei Sonnenschein fahren. Tiefe Fjorde prägen die Landschaft, die schon wieder ganz anders ist als alles bisher. Eine ganze Bucht ist voller Singschwäne (sie ist bekannt dafür),...





... schließlich wird es wieder sonniger und im malerischen Fischerörtchen Djupivogur machen wir Mittagspause im Restaurant Framtid, in dem es auch schöne Zimmer gibt, eine tolle Fischsuppe und tolles Flair.





Schon im vergangenen Jahr wollten wir in Seydisfjördur übernachten, hatten aber keine Unterkunft bekommen, denn einmal in der Woche legt die Autofähre aus Dänemark an und weckt den Ort aus dem Dornröschenschlaf. Diesmal haben wir mehr Glück, wir überqueren den steilen Bergpass, der hinter Egilsstadir nach Seydisfjördur führt. Hier oben liegt noch Schnee, doch der Blick hinunter verzaubert mich,...





...ebenso wie der Ort selbst, der uns mit Sonnenschein begrüßt.



Wir wohnen im Aldan, weniger ein Hotel als vielmehr ein Projekt, das es sich zum Ziel gesetzt hat, die alten Häuschen im Ort zu restaurieren und zu bewahren.



Zimmer mit Aussicht


Unser Haus liegt direkt neben der blauen Kirche, einem der Wahrzeichen von Seydisfjördur.



Die Dielen knarzen, der Style ist authentisch, aber nicht altbacken. Wir fühlen uns auf Anhieb wohl und freuen uns auf die nächsten zwei Tage und Nächte in diesem Idyll.

Letzte Änderung: 23 Nov 2020 00:48 von Beatnick.
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23 Nov 2020 19:03 #599475
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Von Bruchpiloten und Verkehrssündern

Strahlend blauer Himmel am frühen Morgen in Seydisfjördur, das ist toll und kann doch trügen, der Wetterbericht bestätigt das. Schnell Handeln ist das Gebot der Stunde, ich scheuche Thomas aus dem Bett und aus dem Haus.

Der sonnige Fjord, die bunten Häuser, die weiß gesprenkelten Berge belohnen uns. In Island reisen heißt den Augenblick nutzen, und ohnehin hat Morgenstund' angeblich Gold im Mund (was ich bis vor einigen Jahren allerdings gar nicht fand).





Hier legt die Fähre aus Dänemark an. Bei gutem Wetter muss es fantastisch sein, durch die Fjorde anzureisen.


Der Ort mit kaum 700 Einwohnern ist winzig, der See schnell umrundet, doch das Flair packt uns. Malerisch und abgelegen, lockt Seydisfjördur seit jeher Schöngeister an. Eine Künstlerkolonie mit Galerien, Bio-Läden und Slow-Food-Restaurants, die Island-Pullis sind selbstgestrickt, die Marmeladen handgemacht, wir lassen sie uns beim Frühstück in unserem gemütlichen Zimmer schmecken. Tee- und Kaffeestation zählen zum Standard in den Unterkünften, nicht nur eine feine, sondern auch kostensparende Sache in einem der teuersten Reiseländer der Welt.



Es ist noch immer früh, als wir nach Borgarfjördur Eystri aufbrechen. Eigentlich nur eineinhalb Fjorde in nördlicher Richtung entfernt, müssen wir rund 90 Kilometer weit fahren, weil Berge und Wasser im Weg sind. Schnell folgt der erste Stopp, nur wenige Schritte sind es von der Pass-Straße zum von Bergen umgebenen Gufufoss, dem "Dampfwasserfall".



So heißt er offiziell, nicht aber bei uns, wir taufen ihn kurzerhand in "Guggufoss" um, weil wir an eine liebe Forumsfreundin denken müssen - und so geht er auch dauerhaft in unsere persönliche Reisegeschichte ein.

Lovely Guggu(foss)


Die Hochebene Fjardarheidi zeigt sich von ihrer besten Seite, wir parken in einer Haltebucht und spazieren durch die stille, einsame Landschaft mit fischreichen Seen und fantastischen Farben.







Der Osten des Landes verfügt nicht über die üppige Vielzahl an Sehenswürdigkeiten, mit denen zum Beispiel die Südküste gesegnet ist. Doch großartige Wasserfälle, eine herrliche Küste, charmante Dörfer, der größte Wald Islands und Rentierherden, es ist eine Landschaft wie aus dem Bilderbuch, ein Eldorado für Wanderer und Naturliebhaber.

Die Strecke zum Borgarfjördur, mittlerweile weitestgehend asphaltiert, ist eine eindrucksvolle Berg- und Talfahrt. Immer wieder halten wir an, es geht einfach nicht anders, und die Sonne spielt auch mit.





Wir biegen ab, über eine spektakuläre Küstenstraße...



...geht es immer tiefer in den Fjord hinein über Borgarfjarðarhöfn...



... bis zum kleinen Hafen Hafnarholmi, wo die Straße 94 endet. Wir sind da! Rund 10.000 Puffin-Paare nisten hier im Sommer auf der kleinen Halbinsel hinter der Marina, schon vom Parkplatz aus können wir sie hören und sehen.

Hafnarholmi, im Hintergrund der Vogelfelsen


Der Vogelfelsen ist eine Sensation. Papageitaucher überall, über uns, unter uns im Wasser, neben uns im Gras, wo sich eine Bruthöhle an die andere reiht.







Ein Puffin-Wunderland, so viele und so nah, wir schauen, staunen und hören, wie die drolligen Vögel unentwegt vor sich hin brummen. Wie ein Teddy, wenn man ihn kippt.





Treppen und Plattformen schützen die Landschaft und die Tiere, das wirkt auf den ersten Blick vielleicht nicht attraktiv, ergibt aber Sinn. Furchtlos liefern die putzigen Puffins direkt vor unserer Nase eine riesige Show.





Höhlen müssen ausgebessert,...





...die besten Balkonplätze erkämpft und besetzt...





...und der Nachwuchs nicht nur versorgt,...



...sondern auch auf den Ernst des Lebens vorbereitet werden.

Flugübungen


Die Flügel der Vögel sind insgesamt ein wenig mickrig geraten, bei der Landung fallen die kleinen Bruchpiloten fast wie ein Stein vom Himmel. Dazu der tolpatschige Gang, doch der Schein trügt: Im Wasser sind Papageitaucher nicht nur geschickte Schwimmer, sondern auch begnadete Fischer.





Perfekte Landung - gelingt nicht immer.


Stundenlang beobachten wir das Treiben. Ausgepowert, aber glücklich gehen wir schließlich zurück zum Auto, plündern unsere stets gut gefüllte Fresskiste und picknicken mit Blick auf die Vogelfelsen. Der Tag bleibt mir als einer der schönsten dieser Reise im Gedächtnis.



Was bemerkenswert ist, denn auf der Rückfahrt...





...gibt es einen ärgerlichen Zwischenfall. Ich weiß, dass es die Isländer mit ihrem Tempolimit ganz genau nehmen. Außerorts liegt es auf befestigten Straßen bei 90 km/h, die Kontrollen sind häufig und streng, Blitzer allgegenwärtig, die Strafen drakonisch. Doch die schöne Landschaft lenkt uns ab, und so sehen wir beide die Schilder nicht, die erst 70 und dann gar 50 anzeigen. :pinch:

Wir sind in Hochstimmung und allein auf weiter Flur, dann plötzlich im Rückspiegel ein Auto, illuminiert wie New York in der Vorweihnachtszeit. Ich bin irritiert, kein Santa Claus, keine Häuserschluchten, nur wir, drei Schafe - und rechterhand ein Verkehrsschild. Oops! :pinch: :pinch: :pinch:

Ob ich denn die Schilder nicht gesehen hätte, fragt die freundliche junge Polizistin und glaubt mir mein Versehen, weil ich knapp bei 90 lag - und somit scheinbar regelkonform. Doch es ändert nichts. Wir kriegen Rabatte, für Reue, Sofortzahlung per Kreditkarte, für was auch immer. Am Ende blechen wir weit über 200 Euro, das tut weh, doch der Lappen bleibt meiner. Immerhin.

Selbst schuld, natürlich, aber auch schwierig, diese Beschränkungen an jeder Milchkanne. Zügig wollen wir das Ereignis aus unserem Gedächtnis streichen, was auch deshalb gelingt, weil wir trotz allem viel richtig gemacht haben an diesem herrlichen Tag. Das wissen wir spätestens, als wir im dicken Nebel nach Seydisfjördur zurückkehren. Gute Zeiten, schlechte Zeiten, Sonne und Wolken - dazwischen liegt auf Island manchmal nur ein einziger Fjord.

Blick von Borgarfjördur Eystri nach Süden. In Richtung Seydisfjördur hat sich was zusammengebraut.
Letzte Änderung: 23 Nov 2020 19:24 von Beatnick.
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27 Nov 2020 18:21 #599879
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Auf den Fuchs gekommen

Der Abschied aus Seydisfjördur wird uns nach zwei wunderbaren Tagen leicht gemacht. Den Pass hinter dem Ort, wo es am Vortag noch so aussah,...



...überqueren wir nun gefühlt im Blindflug.

Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.


Wir haben nur 135 Kilometer vor uns und alle Zeit der Welt, weshalb ich einen Abstecher zum 60 Kilometer entfernten Hengifoss eingeplant hatte, der ein wenig abseits der üblichen Touristenrouten liegt. Doch bei diesem Wetter? Wir sind unschlüssig...

Allerdings, in Island weiß man ja nie, wir überlegen hin und her und fahren schließlich doch zum südwestlichen Ende des Lagarfljot-Sees, wo der Wasserfall hoch über dem Tal in den Felsen thront. Bis zum Parkplatz an der Straße 931, die von Egilsstadir rund um den See führt, hat sich die Lage kaum verändert, es nieselt, pfui Spinne, mein Ding ist das nicht, doch immerhin ist der Wasserfall von unten zu sehen und nicht von Wolken verhangen. Eine Familie geht an uns vorbei, kleine Kinder, wasserdicht verpackt, also wirklich, wenn die das schaffen... Wir schultern die Rucksäcke und gehen den 45-minütigen steilen, aber dennoch leichten Aufstieg tapfer an.

Ein erster Stopp am attraktiven Wasserfall Litlanesfoss macht Hoffnung, kein Regen mehr, immerhin.



Wir gehen weiter, der Hengifoss (=hängender Wasserfall) rückt näher, sein Tosen auch, aus rund 130 m stürzt er in die Tiefe und ist damit der dritthöchste Wasserfall der Insel.



Dann zeigt sich sogar die Sonne, bloß gut, dass wir uns überwunden haben. Das Glück und die Tüchtigen, man weiß ja, wie das läuft (manchmal zumindest ;) ), wir freuen uns und sind begeistert von der Kulisse.



Thomas klettert über Geröll und einen Bach näher heran, ich setzte mich auf einen Felsen und staune. Auch über die roten Streifen im Gestein, die Natur macht schon wundersame Sachen.



Wir bleiben lange, wie so oft, auch weiter unten am Litlanesfoss mit seinen beeindruckenden Basaltsäulen. Sieht aus wie von Menschenhand gemacht, ist es aber nicht, ein Wunder, schon wieder.





Zurück am Auto sind wir happy, das Timing war goldrichtig, der Regen kehrt zurück und begleitet uns durch menschenleere Gegenden, die zunächst grün sind und dann schwarz. Der Schicksalsberg gehört nach Neuseeland, das weiß ich genau, sonst würde ich Ausschau halten nach Sam, Frodo und dem verhängnisvollen Schatzzzzzzz.



Wir biegen ab von der Ringstraße auf die Schotterpiste 901. Nur acht Kilometer sind es nach Mödrudalur, dem höchstgelegenen Hof Islands auf 469 m inmitten der weiten Ebene Mödrudalsöræfi.



Der Himmel ist verhangen und uns dennoch gnädig, der 1.682 m hohe Tafelvulkan Herdubreid zeigt seine unverwechselbare Silhouette. Anders als im Vorjahr, da hatte sich die Königin der isländischen Berge bei unserem Kaffeestopp in Mödrudalur hinter Wolken versteckt.



Mödrudalur ist das Tor zum Hochland, und die wüstenartige Landschaft faszinierte mich 2019 so sehr, dass ich unbedingt einmal in einem der Grassodenhäuser auf dem Hof übernachten wollte. Ich hatte mit einem schlichten Zimmer gerechnet, doch das Gegenteil ist der Fall. Rustikal, aber stylisch, mit Blick vom Bett auf den Herdubreid - , ich bin hin und weg; auch von der riesigen Gemeinschaftsküche, deren gemütliche Kaminecke bevölkert ist von isländischen Familien in dicken Socken. Ein Haus betreten in Schuhen, auf Island ein No-Go.

Unsere Unterkunft Fjalladyrd in Mödrudalur


Nebenan auf der Wiese huscht etwas. Thomas ist irritiert, ich auch, dann Begeisterung: drei kleine Polarfüchse, wir hätten nicht gedacht, welche zu sehen; wir stürmen nach draußen, die Kameras im Anschlag, die Schuhe hatten wir anbehalten, nicht sehr isländisch, aber ein Glück.







Die Racker sind unsere Nachbarn, ihr Bau ist nur wenige Meter entfernt. Scheu sind sie nicht, wenn auch nicht handzahm.



Wir werden sie noch ein paarmal sehen, sie sollen verwaist sein, was angeblich häufiger vorkommt. Ich hoffe, das sind wahre Geschichten und die Kleinen nicht nur eine Touristen-Attraktion. Süß sind sie allemal und augenscheinlich auch mit ihrem Los zufrieden.





Polarfuchs, auf den (etwas konsternierten Hof-)Hund gekommen


Obwohl nicht weit von der Ringstraße, wirkt Mödrudalur vollkommen abgelegen. Das Flair ist ländlich und idyllisch, das urige Restaurant Fjallakaffi bekannt für Lammgerichte und isländische Spezialitäten; wenn auch nicht für Vegetarier, für die der Farmer nicht viel übrig hat. Fleisch ist sein Gemüse.



Wir sagen den Füchsen Gute Nacht...





...und schlafen wie die Babys. Schade, dass es am nächsten Tag schon weitergeht.

Wenn auch nicht ganz so bald, denn nach dem Frühstück haben wir Pläne. Hinter dem Campingplatz beginnt ein schöner, wenig begangener Wanderweg, der mit Holzpflöcken gekennzeichnet ist und mitten hineinführt in die verwunschene Ebene.



Der Pfad ist zugewuchert und manchmal kaum zu erkennen, die Natur wild und unberührt. Es ist ein Traum, auch ohne Blick auf den Herdubreid, der sich am Morgen nicht zeigt.





Vögel sind unsere einzigen Begleiter,...



...die eine oder andere Brücke existiert nicht mehr, doch es finden sich immer Stellen, an denen die Bäche überquert werden können. Schließlich kehren wir schweren Herzens um, es wird Zeit, und ich bedaure, dass wir nicht noch eine zweite Nacht eingeplant haben.





Wir verabschieden uns von den Füchsen, die sich an diesem Tag etwas weiter auf die Ebene hinausgewagt haben,...







...dann geht's zurück auf die Ringstraße und westwärts zum Myvatn, dem Mückensee.
Letzte Änderung: 27 Nov 2020 20:32 von Beatnick.
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03 Dez 2020 21:30 #600450
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Der Mückensee

Der Myvatn im Nordosten der Insel zählt - nicht zuletzt bei den Einheimischen selbst - zu den beliebtesten Urlaubszielen Islands. Aus gutem Grund. Heiße Quellen, blubbernde Schlammlöcher, Vulkane und Lavaformationen: Das Gebiet rund um den "Mückensee", das auch heute noch vulkanisch aktiv ist, wartet mit so vielen Besonderheiten auf, dass wir uns entschlossen hatten, diesmal drei Nächte in der Gegend zu verbringen und nicht nur zwei wie im Vorjahr. Gewohnt haben wir beide Male im schönen Fosshotel Myvatn, das am Nordende des Sees direkt an der Ringstraße unweit des winzigen Örtchens Reykjahlid und damit strategisch günstig liegt. Attraktionen und Ausflugsziele sind von hier aus sehr gut zu erreichen.

Blick vom Hotel


Fosshotel Myvatn rechts im Bild


Wenn es überhaupt etwas Schlechtes über den Myvatn zu sagen gibt, dann sind es die Mücken. Sie können in den Sommermonaten wie ein schwarzer Nebel über dem Wasser hängen und geben dem mit 37 Quadratkilometern viertgrößten See Islands seinen Namen. Die wenigsten stechen, doch sie sind wahre Plagegeister, kriechen in alle Ritzen und wir hatten eigens Moskitonetze für den Kopf mitgebracht, was sich allerdings (zumindest an dieser Stelle) als überflüssig erwies, weil ein anderer Vorzug der Region ausblieb: gutes Wetter. Eigentlich für isländische Verhältnisse von der Sonne verwöhnt, gab es diesmal vor allem Regen. Die Mücken blieben verborgen, aber der Himmel auch unerfreulich grau.

Das fiel vor allem deshalb besonders ins Gewicht, weil wir im Vorjahr glücklicherweise das genaue Gegenteil mit makellos blauem Himmel erlebt hatten. Ähnliche Dinge bei viel schlechteren Bedingungen zu unternehmen, erschien uns nicht sinnvoll, weshalb wir diesmal - in bewährter Weise orientiert an den Wetterprognosen - unseren Fokus vor allem auf die Ziele in der Umgebung des Myvatn legten; nicht aber direkt auf ihn selbst. Das klappte ganz gut, aber bevor es im nächsten Kapitel mit den Schilderungen aus 2020 weitergeht, reisen wir zurück ins Jahr 2019, als für uns die Welt am Myvatn wettertechnisch dermaßen in Ordnung war, dass wir nach einem langen Tag und ebensolchen Wanderungen vollkommen erschöpft in die Kissen sanken; nur, um nach einer kurzen Nacht bei strahlendem Sonnenschein erneut auf Entdeckungstour zu gehen.

Myvatn 2019


Myvatn 2020


Tipps für den Myvatn, aus der Erinnerungskiste von 2019 gekramt:

Hverir (heiße Quellen) oder Hverarönd (Linie von heißen Quellen) im Namaskard (Minenpass):
Ein Solfatarenfeld direkt an der Ringstraße und nicht zuletzt auch deshalb gut besucht. Es dampft, gurgelt und spuckt im Hexenkessel und riecht nach Schwefel, die Farben sind eine Sensation.







Das Gebiet ist nicht sehr groß, es lohnt sich, zumindest ein Stück den Namafjall (Minenberg) hinaufzugehen. Tipp: Richtig früh morgens dort sein. Dann hat man den Mars ganz für sich allein.





Grjotagja Höhle:
Es war einmal eine klare heiße Quelle, die lag im Nirgendwo verborgen unter der Erde. Nur einige wenige Landleute kannten ihr Geheimnis und nahmen weite Wege durch Schnee und Eis auf sich, um sich in ihrem warmen Wasser aufzuwärmen und zu baden. Doch immer mehr Menschen kamen, parkten wild ihre Campingwagen, putzten sich im Quellwasser die Zähne und hinterließen jede Menge Müll. Das erboste die Landbesitzer, die Schilder aufstellten, aber nicht viel damit erreichten. Das war ärgerlich, doch es kam noch schlimmer, denn eine Serie wurde gedreht, und weil der attraktive Hauptdarsteller, der zudem auf Drachen reiten konnte, angeblich in dem dampfenden Wasser seine Unschuld verlor, wurde es immer enger in der kleinen Höhle - auch wenn er dort nachweislich nicht zum Mann wurde, denn zu dem Zeitpunkt war die Wassertemperatur durch geothermale Aktivität schon so weit angestiegen, dass er sich all das unwiederbringlich verbrüht hätte, wovon seine weiblichen Fans träumen. Allen, die das stille Naturwunder mit seinem dampfenden blauen Wasser einmal sehen und erleben wollen, hilft nur eins: früh aufstehen!

Eingang zur Grjotagja




Über der Höhle steigen Dampfwolken auf. Die Felsspalten östlich des Mückensees zeigen den Verlauf der Grenze zwischen den Kontinentalplatten an, und sie vergrößern sich von Jahr zu Jahr. Einige sind mit warmem Grundwasser gefüllt - wie die Grjotagja.



Hverfjall:
Der Kraterberg, ein 160 m hoher Tuffring östlich des Mückensees, liegt unweit der Grjotagja, überragt die Landschaft...



...und kann nicht nur bestiegen, sondern der Krater auch umrundet werden. Der Durchmesser des Explosionskraters, der vor etwa 2.500 Jahren während eines einzigen Ausbruchs entstand, beträgt einen Kilometer.



Die etwa vier Kilometer lange Runde dauert etwa eine Stunde und bietet fantastische Ausblicke in alle Richtungen. Machen!





Dimmuborgir:
Dimmuborgir (dunkle Städte/Burgen) ist ein Feld mit bizarren Lavafelsen ebenfalls östlich des Sees. Unterschiedlich lange Wanderwege führen zwischen den Türmen und Wänden aus Lava hindurch, die Heimat der 13 Isländischen Weihnachtsmänner und vieler Trolle sind. Uns sind sie allerdings nicht begegnet - vielleicht hat auch deshalb der Zauber von Dimmuborgir auf uns nicht gewirkt.



Pseudokrater bei Skutustadir:
Bis zum August 2019 wusste ich noch nicht einmal, dass es sie gibt. Doch es war Liebe auf den ersten Blick.



Die Pseudokrater entstanden durch Gasexplosionen, bei denen schmelzende Lava über den Sumpfboden floss. Wieder was gelernt; ist aber auch fast egal. "Pseudokrater" habe ich als Synonym in meinen aktiven Wortschatz aufgenommen, ein Synonym für "wunderschön". An der Südseite des Sees führt ein kleiner Weg durch sie hindurch. "Pseudokrater" - mehr ist dazu nicht zu sagen!



Kraflagebiet: .
Das Zentralvulkansystem Krafla liegt etwa zehn Kilometer nördlich des Namaskard. Es geht vorbei am Geothermalkraftwerk, rechterhand lohnt ein Stopp beim Viti (=Hölle)-Krater mit seinem fantastisch aquamarinblauen See.



Gegenüber führt ein Weg zum Parkplatz der Leirhnjúkurspalte, einem Lavafeld aus den 1980er-Jahren.







Die Lavaformationen sind atemberaubend, der Weg führt erst über Holzbohlen und dann direkt über die Lava, die stellenweise noch so warm ist, dass sie den Kleber meiner damals fast nagelneuen Wanderschuhe teilweise gelöst hat. Naja, ein bisschen Schwund ist immer, und: Es hat sich gelohnt!



Mehr Myvatn-Tipps:
Einmal den See mit seinen 50 Inselchen und Schären mit dem Auto komplett umrunden. Immer wieder neue Ausblicke, viele Haltepunkte und kleine Spaziergänge.







Der Mückensee, als Naturreservat ausgewiesen, ist außerdem ein Vogelparadies und das größte Brutgebiet für Enten auf Island. In diesem Jahr hatten wir zur Vogelbeobachtung eine mehrstündige Wanderung eingeplant. Sie ist leider ins Wasser gefallen. :pinch:

Wer überlegt, der Blauen Lagune einen Besuch abzustatten, ist wahrscheinlich mit dem Myvatn Nature Bath besser bedient. Ebenso blau, viel günstiger und längst nicht so überlaufen.

Letzte Änderung: 03 Dez 2020 22:06 von Beatnick.
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07 Dez 2020 15:46 #600719
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  • Beatnick am 14 Nov 2020 18:08
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Outer Space

Island - unendliche Weiten. Wir befinden uns zurück in der Gegenwart im Jahr 2020. Dies sind die Abenteuer von Betti und Thomas. Sie sind unterwegs, um fremde Welten zu entdecken und dringen auf ihrer Reise in ferne Galaxien - ähm, in den Diamond Circle vor.

Zugegeben, Pioniere sind wir nicht. Und wir stehen auch keineswegs vor solchen Herausforderungen wie Patrick Stewart im Weltraum. Aber wir fühlen uns wie Entdecker auf der 260 Kilometer langen Sightseeing-Route, die in Anlehnung an den Golden Circle im Süden der Insel Diamond Circle genannt wird; was ein bisschen verwirrend sein kann, weil es im Süden den Diamond Beach gibt... Neben dem Myvatn zählen unter anderem der Dettifoss, die Asbyrgi-Schlucht, die Hljodklettar-Felsen, der Godafoss und das Fischerstädtchen Husavik dazu.

Dettifoss 2019


Das 50 km nördlich von Reykjahlid gelegene Husavik ist die Hauptstadt der Walbeobachtungs-Touren in Island.



Die Sichtungsrate in der wunderschönen, von Bergen umschlossenen Bucht Skjalfandi liegt bei fast 100 Prozent, es gibt unterschiedliche Anbieter mit fast identischem Angebot. Wir haben uns zwei Jahre in Folge für Gentle Giants entschieden, und zwar nicht für eine Tour an Bord eines traditionellen Holzschiffes,...



...sondern mit einem zodiacartigen und wendigen Schnellboot, bei dem man sich vorne an Griffen festhält und den Sitz zwischen den Beinen hat. Die Wellen gilt es wie beim Rodeo auszugleichen, und da zumindest 2019 der Seegang so schwer war, dass die Tour kurz vor der Absage stand, war das nicht nur ein großer Spaß, sondern ging auch ganz schön in die Beine.

Auf Walbeobachtungs-Tour 2019


Vor dem Start beginnt erst einmal das große Einkleiden, die Kluft ist sperrig wie ein Astronautenanzug, hält aber warm. Dazu dicke Handschuhe, im Corona-Jahr 2020 allerdings keine Plexiglas-Brille als Spritzschutz. Weil die See ruhig war, ging es auch gut ohne.



Im Vorjahr hatten wir Delfine und einen einzigen Buckelwal entdeckt, die Puffin-Saison war jedoch bereits vorbei. Anders als in diesem Juli. Bei der Umrundung der kleinen Insel Lundey, die nicht betreten werden darf und mit rund 250.000 Papageitauchern leicht überbevölkert wirkt, sind wir umringt von Vögeln.



Auch die Buckelwale sind diesmal zahlreich, bei zehn höre ich auf zu zählen. Ich habe den Eindruck, dass sich die Isländer sehr um einen verantwortungsvollen Umgang mit ihren natürlichen Schätzen bemühen. Dass sie den Walfang 2003 nach 14-jähriger Pause aus einem Traditionsgedanken heraus wieder aufgenommen haben, kann ich aber nicht nachvollziehen, und daran muss ich auch in diesem Jahr beim Anblick der friedlichen Riesen wieder denken. Das Walfleisch findet allerdings keine Abnehmer mehr, und so regelt der Markt das Problem offenbar zusehends von selbst.





Einer der Giganten taucht direkt neben uns auf, Moby Dick, da bläst er, und zwar direkt auf mein Objektiv :pinch: . Das Boot schwankend, das Putzleder in den Tiefen des riesigen Raumanzugs verschwunden, Fotografieren kann ich jetzt vergessen. Nicht, dass das vorher anders gewesen wäre bei dem Geschaukel, Thomas macht es besser.



Trotz des dicken Overalls sind wir nach drei Stunden durchgefroren, im Thermalbad Geosea in den Klippen von Husavik wärmen wir durch. Preislich nicht gerade ein Schnapper, aber mit fantastischem Blick über die Bucht und auch im Nicht-Corona-Jahr 2019 wunderbar ruhig. Angeblich sind von hier oben aus manchmal Wale zu erkennen, uns gelingt das nicht.



Zwei volle Tage haben wir am Myvatn und keine wirklichen Pläne, denn die (vorgebuchte) Waltour haben wir schon am Ankunftstag und zum Glück zumindest regenfrei gemacht.

Indoor geht ja auch bei Regen, weshalb wir noch einmal in die Grjotagja klettern, tiefblau, weniger dampfend und vor allem weniger besucht als im Vorjahr.



Der Wetterbericht weist uns an diesem Tag den Weg gen Westen. Zum Godafoss sind es knapp 50 Kilometer, und tatsächlich wird es deutlich heller.





Den "Götterwasserfall" kennen wir schon von 2019. Er ist aus allen möglichen Perspektiven eine wahre Schönheit, heißt aber so, weil im Jahr 1.000 n.Chr. Stammesführer (="Godar") zum Zeichen ihrer neuen Religionszugehörigkeit heidnische Götzenbilder in die Fluten warfen.



Unser eigentliches Ziel ist der Aldeyjarfoss, der für uns Neuland ist. Beim Godafoss-Parkplatz beginnt über die Straße 842 (oder alternativ 844) der Abstecher zum 41 Kilometer entfernten Wasserfall. Die Schotterpisten sind gut zu fahren, erst die letzten 3 Kilometer sind schon eine F-Straße und somit ohne 4x4 tabu. Warum, erschließt sich uns nicht, denn die Qualität der Hochlandpiste ist nicht wirklich schlechter. Der Aldeyjarfoss liegt in einer traumhaften, einsamen Gegend und entpuppt sich für uns als echtes Highlight.



Nur in anderes Paar ist da und geht, kurz nachdem wir gekommen sind. Wir sind allein, der babyblaue Wasserfall bettet sich in eine Umgebung aus Basaltsäulen und fabriziert spektakuläre weiße Schlieren.





Zurück am Mückensee hängt der Himmel weiterhin tief, doch wir sind mit unserem Schicksal ganz zufrieden.

Zweiter Tag, andere Richtung: Östlich des Myvatn lassen sich gleich mehrere Attraktionen des Diamond Circle hervorragend miteinander verbinden. Zwei Wege führen zum Dettifoss, dem mächtigsten Wasserfall Islands. Die östliche Zufahrt ist eine ruppige Schotterpiste, die aber den Blick über die gesamte Fallhöhe erlaubt. Die westliche Strecke verbindet die Asbyrgi-Schlucht mit dem Dettifoss, hat eine ganze Reihe weiterer Sehenswürdigkeiten zu bieten und ist auch deshalb mittlerweile fast durchgängig asphaltiert.

Wir haben uns diesmal die Ostseite vorgenommen, entscheiden uns aber um, weil das Wetter für Fotos nicht ausreichend mitspielt und wir stattdessen im Vatnajökull-Nationalpark wandern wollen. Wandern geht ja immer, und aus Zucker sind wir nicht.

Im Vatnajökull-Nationalpark 2019


Der Sprühnebel des 100 m breiten und 45 m hohen Dettifoss ist schon bei der Anfahrt von Weitem zu sehen. Vom Parkplatz aus führt ein etwas 15-minütiger Fußmarsch zum Wasserfall, der von verschiedenen Plattformen aus bewundert werden kann. Wer ganz nah rangeht, wird mit ohrenbetäubendem Tosen belohnt - aber auch pitschnass.

Dettifoss 2019




Der Blick von der Ostseite auf den benachbarten Selfoss soll eigentlich besser sein, trotzdem machen wir diesmal den kurzen Abstecher.



Dann geht's weiter nordwärts in Richtung Asbyrgi. Die hufeisenförmige Schlucht mit ihren bis zu 100 m hohen Felswänden haben wir bereits im Vorjahr besucht.



Diesmal wollen wir zu den Hljodaklettar-Felsformationen, die zwischen Dettifoss und Asbyrgi liegen und über die 862 miteinander verbunden sind. Auf dem Weg zu den "Echofelsen" durchfahren wir Baustellen, die letzten Kilometer werden asphaltiert und neue Parkplätze rund um das Vesturdalur-Tal entstehen. Dass dieser einst so abgelegene Landstrich nun so leicht erreichbar ist, hinterlässt bei uns wie überall auf der Welt zwiespältige Gefühle.

Der Wegweiser zum Parkplatz zeigt hügelaufwärts, dann gehen wir hinunter ins Tal und nehmen die rot markierte Runde über fünf Kilometer in Angriff. Kein blauer Himmel, aber immerhin Licht und kein Regen, damit sind wir ganz einverstanden und marschieren fröhlich durch die erst grüne, dann zusehends vulkanisch geprägte Landschaft. Die Impressionen sind fantastisch, und ich nehme mir fest vor, eines Tages bei Sonnenschein wiederzukommen.

An den Raudholar (Rote Hügel), den Resten einer Vulkankette, steigen wir so hoch es geht, die höchste Spitze ist mittlerweile gesperrt, weil sie zusehends abflachte.



Dann steigen wir hinab zu den Echofelsen, wo es Trolle geben soll. Keine Trolle und kein Echo, aber spektakuläre, durch Erosion entstandene Felsformationen und Basaltsäulen.

Blick hinunter zu den Echofelsen


Thomas in der Basalthöhle "Kirkjan" (Kirche)


Eine tolle Wanderung mit viel rauf und runter, wir sind happy und folgen den Schildern in Richtung Parkplatz, der nur einen knappen Kilometer entfernt sein soll. Wir wundern uns ein wenig, aber nicht genug und bemerken unseren fatalen Irrtum erst, als wir auf einem verwaisten Schotterplatz mitten im Nirgendwo stehen. Der ausgeschilderte Parkplatz; wegen der Baustelle aktuell gesperrt und definitiv nicht unserer :huh:.

Wir stapfen bergan, ziemlich orientierungslos und mitten durch die Baustelle. Fühlt sich an wie outer space, schön ist das nicht, dann endlich eine Menschenseele. Der Baggerfahrer staunt nicht schlecht, wo kommt ihr denn her, uns interessiert vor allem, wo müssen wir hin? Er weist auf einen Hügel, knapp zwei Kilometer, die Luft ist raus und auch die Lust, doch schließlich sind wir da und ganz schön kaputt. Der Himmel lacht Tränen, kaum fahren wir los, fallen die ersten Tropfen, gutes Timing, immerhin.

Am Myvatn muss eine Belohnung her. Steinofen-Pizza und Wikinger-Bier bei Daddi's Pizza, die Welt ist doch ein guter Ort. Nicht nur auf Island - aber vor allem auch dort.

Letzte Änderung: 07 Dez 2020 16:12 von Beatnick.
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