loser schrieb:
Und ich habe auch noch eine Frage an dich als Kenner des Landes, und zwar anschließend zu deiner Schilderung des desolaten Gesundheitssystems in Kuba, anlässlich der Wundversorgung nach deinem Unfall.
Der Export medizinischer Dienstleistungen an „bedürftige und unterversorgte “ Staaten und/oder nach Katastrophen ist ja ein, wenn nicht der, Devisenbringer in Kuba. Das bringt laut Berichten 11 Milliarden US$ jährlich, mehr als der Export von Zucker, Rum und Tabak. Diese Leistungen und die kubanischen Leister sollen in armen Ländern ein hohes Prestige haben, weil Letztere große Erfahrung und eigene Techniken in „low-tech“- Medizin haben. Auch jetzt, durch die Corona-Pandemie ist gerade wieder Hochkonjunktur dafür.
Das sind Government to Government-Geschäfte, das medizinische Personal erhält ein Taschengeld, sonst nichts. Es wurde immer wieder berichtet, dass Ärzte und Pflegepersonal dafür praktisch zwangsrekrutiert werden, sich dem also nicht entziehen können, ist quasi wie Einberufung zum Militär. Das Argument ist, dass das eine angemessene Gegenleistung für die Ausbildung ist, die der Staat, die Gemeinschaft, ja bezahlt hat
Könntest du dazu noch etwas sagen und das bestätigen? Vielleicht passt’s ein Mal.
Grüße, Werner
Hallo Werner,
wie du schon schreibst, sind die Auslandsärzte ein Riesengeschäft für den kubanischen Staat. Nach meinen Informationen kassiert der Staat zwischen 3000-5000 USD pro Arzt und Monat im Auslandseinsatz, die Ärzte selber erhalten davon maximal 25% oder weniger.
Ich kann natürlich nicht für alle Ärzte sprechen, aber ich hatte eine Ärztin im Bekanntenkreis, die auf Auslandsmission ging, damals nach Venezuela, und die war wahnsinnig begeistert darüber, nicht nur weil sie während des Einsatzes mehr als das Zehnfache ihres normalen Gehaltes verdiente, sondern auch, weil Ärzte sonst kaum eine Chance auf Auslandsreisen haben. Ärzte unterliegen besonderen Reisebeschränkungen, der Staat will nicht, dass sich seine Devisenbringer ins Ausland absetzen. Deshalb werden sie auf den Auslandseinsätzen auch permanent beobachtet und dürfen sich nicht wirklich frei bewegen. Aber um auf deine Frage zurückzukommen, mein Eindruck ist, dass die meisten Mediziner diese Chance gerne ergreifen und ich denke auch, wenn einer nicht will, dass es auch Wege gibt, dies abzulehnen.
Grundsätzlich finde ich diesen "Medizinexport" nicht schlecht, jedoch sollten die Einnahmen zumindest zum Teil auch wieder in die medizinische Versorgung der eigenen Bevölkerung rückinvestiert werden. Wenn man dann sieht, dass trotz kostenlosem Gesundheitssystem und einer hohen Arztdichte, oft die grundlegendsten Medikamente und Materialien fehlen, oder nur auf dem Schwarzmarkt erhältlich sind, kann man verstehen, warum viele Kubaner keine so hohe Meinung von ihrem Gesundheitssystem haben.
Ich habe gerade den aktuellen Fall einer Bekannten, die eine Operation bräuchte, es aber praktisch unmöglich ist, zeitnahe einen Termin zu bekommen. Es gibt wochen- oder monatelange Wartelisten und die einzige Chance bald einen Termin zu bekommen, ist, die Ärzte zu bestechen. Wer das Geld nicht hat, muss warten und das mit allen Konsequenzen. So sieht die Realität für viele Kubaner aus.