THEMA: 2x Algerien (ein Reisebericht)
05 Jun 2020 16:57 #589898
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Anreise nach Algerien

Mitte Dezember 1999 geht es los. Treffpunkt ist eine kleine Pension in der Nähe von Genua. Wir reisen mit dem Zug an, die Motorräder kommen auf einem Anhänger mit den LKWs.

Vor lauter Aufregung bekomme ich in dieser Nacht kein Auge zu.

Am nächst Morgen dann die ersten Kilometer mit dem Motorrad; auf der Via Aurelia zum Hafen von Genua.



Es geht mit der Fähre nach Tunis. Im Hafen wähnt man sich schon mehr in Afrika, denn in Europa. Ein unübersichtliches Gewusel und jede Menge vollkommen überladene Schrottautos. Nicht selten mit einer kompletten Küche oder Wohnzimmereinrichtung auf dem Dach. Einige Autos schaffen es noch nicht einmal mehr aus eigener Kraft auf die Fähre, sondern müssen geschoben werden. Der Lademeister der Fähre scheint damit aber Erfahrung zu haben. Die Fahrzeuge werden nur soweit geschoben, dass alle Räder auf der Rampe sind, dann wird die Rampe angehoben und die Autos rollen in den Bauch der Fähre. Wir waren mit die ersten, die auf die Fähre durften und beobachten das Schauspiel von Deck.



Am Nachmittag legt die Fähre relativ pünktlich ab. Uns steht eine Überfahrt von rund 24h bevor. Einige Mitfahrer werden seekrank. Zu meiner Überraschung trifft es auch Kathrin, die damit bislang noch nie Probleme hatte. Ich werde zwar nicht seekrank, schlafe in der stickigen Innenkabine aber erneut sehr schlecht.



Am folgenden Nachmittag laufen wir in den Hafen von Karthago ein. Die Einreiseformalitäten konnten wir zum großen Teil bereits auf der Fähre erledigen, so dass wir zügig im Land sind. Auf dem Motorrad ist es dann noch rund eine Stunde bis zu unserem Hotel in Hammamet.



Grundsätzlich ist das Hotel nicht schlecht, stinkt aber bestialisch nach Diesel. Anscheinend sind die Flure gerade alle mit Diesel gereinigt worden. Hab den Sinn davon nie verstanden. Das Resultat ist die dritte schlaflose Nacht in Folge.



Am nächsten Tag gilt es Tunesien zu durchqueren, damit wir nahe der Grenze zu Algerien übernachten können. Deshalb war es auch ein reiner Fahrtag und die Strecke wurde ausschließlich danach ausgewählt, möglichst schnell voran zu kommen. Das hat dann auch gut geklappt. Rechtzeitig am Nachmittag biegen wir hinter Nefta von der Straße ab und fahren ein paar Kilometer nach Süden in die Wüste, wo wir unsere erste Nacht im Zelt verbringen. Endlich kann ich gut schlafen.

Der gesamte nächste Tag war für den Grenzübertritt nach Algerien eingeplant. Ich konnte es im Vorfeld gar nicht glauben, dass wir dafür so viel Zeit einplanen müssen, wurde dann aber eines Besseren belehrt. Die Ausreise aus Tunesien ging noch recht zügig, aber für die Einreise nach Algerien brauchten wir rund 8h. Dabei war es nicht so, dass es an der Grenze sonderlich voll war. Außer uns passierte gerade mal eine Hand voll Fahrzeuge die Grenze.

Zuerst mussten wir alle unsere Pässe abgeben. Danach passierte dann erst einmal rund 2h gar nichts. Dann wurden wir einzeln aufgerufen. Man hatte anscheinend versucht unsere Passdaten im PC zu erfassen und war daran grandios gescheitert (trotz arabischer Übersetzung im Pass). Also ging man zunächst die Eintragungen mit dem Grenzbeamten Punkt für Punkt durch. Dann wurde noch das Motorrad im Pass eingetragen. Dieses Prozedere wurde bei jedem Einzelnen wiederholt. Danach geschah wieder 2h nix, bevor uns dann die Pässe ausgehändigt wurden. Parallel dazu wurden die beiden LKW gründlich gefilzt.

Insgesamt ein sehr langweiliger Tag, an dem ich mir sehnlichst ein Buch zum lesen gewünscht hätte. Leider war der E-Reader noch nicht erfunden und für richtige Bücher fehlte auf dieser Reise der Platz.

Nachdem wir endlich in Algerien angekommen waren, fuhren wir nur noch ein paar Kilometer und bogen dann erneut für einige Kilometer nach Süden in die Wüste ab.

Morgen soll es dann endlich losgehen.
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15 Jun 2020 14:51 #590402
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Grand Erg Oriental



Unser erstes wichtiges Etappenziel in Algerien war Ilizi. Diese Oasenstadt im Südwesten Algeriens war auch schon vor 20 Jahren bequem via Hassi Messaoud, Hassi Bel Guebour und In Amenas auf gut ausgebauter Asphaltstraße zu erreichen. Dieser Weg war aber nicht unser Plan. Wir wollten ab El Oued mitten durch den Grand Erg Oriental fahren, der lt. Wikipedia größten Sandfläche der Sahara. Die ersten rund 300km soll es weglos Richtung Südsüdwest gehen, um dann unweit der Grenze nach Tunesien auf die Straße von Hassi Messaoud zum Erdölfördergebiet Borma zu treffen.

Der Tag begann für uns schon kurz vor Beginn der Dämmerung und als die Sonne über den Horizont kam, befanden wir uns schon auf der Straße nach El Oued.




In El Oued kauften wir reichlich Brot für die nächsten Tage und stockten unsere Brennholzvorräte auf. Vor allem trafen wir uns hier aber mit unseren algerischen Tuareg-Guides, die uns von hier bis an die Grenze zum Niger begleiten würden.



Die Guides waren in erster Linie dafür verantwortlich für die beiden Unimogs den leichtesten Weg durch den Erg zu finden. Während wir mit den Motorrädern auch auf direkter Linie über jede Düne fahren könnten, stoßen die schwer beladenen und relativ schwach motorisierten Unimogs im tiefen Sand schnell an ihre Grenzen. Aus diesem Grund versuchten wir mit den Unimogs soweit wie möglich immer in en Dünentälern zu bleiben. Wenn man bereit ist, den einen oder anderen Umweg in Kauf zu nehmen, ging das auch erstaunlich gut.

Wir Motorradfahrer blieben zunächst noch in den Spuren der Autos, wurden mit der Zeit aber immer übermütiger und fuhren ab Mittag eigentlich nur noch in den Dünen, welche die Dünentäler zu beiden Seiten begrenzten. Dabei achteten wir aber immer darauf in Sichtweite der Autos zu bleiben.












Da wir mit den Motorrädern viel schneller waren, als die Autos, fand sich aber auch immer wieder Zeit, sich mit den Details der Wüste zu beschäftigen. So war ich überrascht, wie viel Bewuchs es im Erg gab.




Hin und wieder lies es sich natürlich nicht vermeiden, dass auch die Autos über einen Dünenkamm mussten. Das ging leider nicht immer gut. Wenn dann so ein Unimog auf dem Dünenkamm mit dem ganzen Chassis aufsaß, bedeutete das eine verdammte Plackerei. Wer schon mal ein aufsitzendes Auto ausgegraben hat, weiß was das für eine Arbeit ist, aber bei einem LKW ist das noch eine ganze Nummer heftiger. Zum Glück waren wir genug Personen, um uns bei der Schinderei an den Schaufeln abzuwechseln.





Gegen Abend hatten wir dann die Hälfte der Strecke bis zur Straße geschafft und fanden einen geschützten Übernachtungsplatz in einem, mit relativ viel Gras bewachsenen, Dünenkessel.





Die Verpflegung war leider noch stark ausbaufähig. Sowohl geschmacklich, als auch von der Menge war noch viel Luft nach oben.

Auch der nächste Tag begann mit Anbruch der Dämmerung. Es war uns wichtig immer früh zu starten, um zum Ende des Tages nicht unter Zeitdruck zu geraten.

Vom Prinzip verlief dieser Tag in weiten Teilen wie der vorherige. Zum Glück fuhr sich aber kein Unimog fest. Lediglich der Landcruiser unserer Guides hatte eine Reifenpanne, was bei der typisch afrikanischen Bereifung aber auch kein Wunder war.










Zum Ende des Tages wurde dann das Licht sehr schön, so dass ich mich beim fotografieren mehr auf die landschaftliche Schönheit dieser Wüstenlandschaft konzentrierte.












Nur wenige Kilometer vor Erreichen der Straße richteten wir unser nächstes Camp ein. Wir lagen weiterhin gut im Plan.

Für die Nacht waren ausgiebige Kometenschauer angesagt. Wo kann man das besser beobachten, als mitten in der Sahara, hunderte Kilometer entfernt von jeglicher Lichtverschmutzung. So lagen wir nach dem Essen im noch warmen Sand und beobachteten die zahlreichen Sternschnuppen. Wie es der Aberglaube verlangt, überlegte ich mir auch einen Wunsch. Eigentlich nichts besonderes, sondern lediglich sicher in Dakar anzukommen. Leider sollte sich schon sehr bald zeigen, dass man auf Aberglauben nichts geben sollte.
Letzte Änderung: 15 Jun 2020 15:30 von Topobär.
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17 Jun 2020 16:28 #590514
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Auf guten und schlechten Straßen nach Ilizi



Es ist der 17.Dezember – mein Geburtstag.

Wie immer beginnt der Tag sehr früh. Nach nur wenigen Kilometern haben wir die gute Asphaltstraße nach Borma erreicht. Dieser folgen wir aber nur wenige Kilometer, dann biegen wir Richtung Süden auf die alte noch aus der Kolonialzeit stammende und nicht mehr unterhaltene Straße nach In Amenas ab. Die macht anfangs noch einen guten Eindruck und bietet weiterhin glatten Asphalt. Allerdings steht die Sonne noch sehr tief und blendet häufig. So kommt es, dass ich ein mit Fech-Fech gefülltes tiefes Schlagloch übersehe und mit ca. 100km/h ungebremst hineinfahre. Das Motorrad taucht weg, als würde ich in ein Wasserloch fahren und ich fliege über den Lenker. Nach 20-30m schlage ich hart auf dem Asphalt auf. Es scheint aber alles gut gegangen zu sein. Weder bin ich besinnungslos gewesen, noch habe ich größere Schmerzen. Lediglich die linke Hüfte macht komische Geräusche, wenn ich gehe.



Inzwischen ist auch ein Großteil der Gruppe eingetroffen und erkundigt sich nach meinem Befinden.

Bald darauf wird mir ein wenig schwindelig. Das kenne ich von anderen Unfällen; wahrscheinlich der Schock. Ich setze den Helm ab, lege mich hin und lege die Füße auf den Helm, damit der Kreislauf wieder ins Gleichgewicht kommt. Tatsächlich vergeht der Schwindel schon nach kurzer Zeit. Als ich dann die Beine wieder vom Helm nehmen will durchfährt mich ein Schmerz, als hätte man mir ein Messer in die Hüfte gerammt. Die kleinste Bewegung meines linken Beins verursacht höllische Schmerzen.

Da war der Unfall wohl doch heftiger, als im ersten Moment gedacht. Ich sehe jetzt auch, dass der Helm von zahlreichen feinen Rissen durchzogen ist. Der hat anscheinend einiges abgehalten. Zumindest habe ich mit Kopf und Nacken keine Probleme.

Das Motorrad wird aufgeladen und ich in die Fahrerkabine verfrachtet. Dann geht es weiter wie geplant nach Ilizi, denn dort in 550km Entfernung befindet sich das nächste Krankenhaus.

Die Straße wird jetzt auch Zusehens schlechter. Die Wüste hat in weiten Teilen die von Menschen erschaffene Schneise zurück erobert. Oft befinden sich große Dünen mitten auf der ehemaligen Strecke und immer häufiger muss offroad in die Wüste ausgewichen werden.



Das Gerüttel und Geschaukel ist die Hölle. Ich versuche mich irgendwie in der Fahrerkabine zu verklemmen, damit sich mein Bein möglichst wenig bewegt.

Kurz vor In Anemas setzt die Dämmerung ein. Für die Gruppe wird es jetzt zu gefährlich weiter zu fahren. Da man mir aber keine Übernachtung im Zelt zumuten will, werde ich in den Landcruiser unserer Guides umgeladen und zusammen mit Kathrin geht es durch die Nacht weiter in Richtung Ilizi. Zum Glück befinden wir uns inzwischen auf der Hauptzufahrt nach Ilizi und so ist die Strecke gut zu fahren.

Kurz nach 2:00Uhr erreichen wir Ilizi und steuern direkt das Krankenhaus an. Innerhalb kürzester Zeit sind zahlreiche Ärzte, Pfleger*innen und sonstiges Personal zur Stelle und ich werde direkt aus dem Auto zum röntgen gebracht.
Letzte Änderung: 17 Jun 2020 16:33 von Topobär.
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22 Jun 2020 14:15 #590734
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Ilizi – Hannover

Schon kurz nach dem Röntgen kommt der Arzt mit der Diagnose – Oberschenkelhalsbruch. Ich dachte immer so etwas passiert nur alten Menschen.

Am liebsten würde mich der Arzt gleich operieren. Die Aussicht hier in einem Buschkrankenhaus mit fraglicher Hygiene solch einen Eingriff durchführen zu lassen schreckt mich schon gehörig ab, aber ich will die hilfsbereiten Menschen hier auch nicht vor den Kopf stoßen. Als für alle Seiten gesichtswahrende Erklärung bringe ich vor, solch eine schweren Eingriff lieber mit dem Beistand meiner Familie durchzustehen zu wollen. Familie ist hier sehr wichtig und so haben alle Verständnis für meine Entscheidung. Um das Bein bis zur OP ruhig zu stellen, wird eine typisch afrikanische Lösung erdacht. Ich bekomme um den Fuß einen kiloschweren Gips, in dem an der Ferse ein alter Besenstiel im rechten Winkel eingefügt wird. Das funktioniert auch sehr gut und bis auf gelegentliche Muskelkrämpfe im Bein bin ich schmerzfrei.

Nicht nur für mich ist die Reise hier in Ilizi zu Ende. Auch Kathrin steigt aus, um meinen Rücktransport zu organisieren und mich im Krankenhaus zu betreuen. Für die alltägliche Pflege gibt es in afrikanischen Krankenhäusern meist kein Personal; dafür sind die Angehörigen zuständig. Für alles, was Kathrin hier für mich getan hat bin ich Ihr noch immer unendlich dankbar.

Gleich am nächsten Morgen fängt Kathrin an den Rücktransport zu organisieren. Hierbei und auch bei vielen anderen Dingen wird Sie von der Familie unseres Tourguides unterstützt.

Grundsätzlich ist die Sache mit dem Rücktransport klar. In unserer ADACplus-Mitgliedschaft ist weltweiter Krankenrücktransport enthalten. Die Schwierigkeiten beginnen aber schon damit, ein internationales Telefon zu finden. Wie sich herausstellt gibt es in ganz Ilizi einen internationalen Anschluss und der befindet sich in Privatbesitz. Glücklicherweise ist der Besitzer, wie alle Menschen die wir in Algerien kennengelernt haben, sehr hilfreich und bietet Kathrin jederzeit Zugang zum Telefon. Die Kosten erstatten wir selbstverständlich.

Die erste Reaktion des ADAC ist ein leichter Unglauben über unseren Standort. Die mussten wahrscheinlich erst einmal auf der Landkarte nachsehen. Dorthin hatten sie noch nie einen Einsatz. Deshalb muss auch der Arzt erst einmal die Diagnose bestätigen. Dann ist aber auch schnell klar, dass ich mit einem Sanitätsflugzeug ausgeflogen werde. Da es mit Algerien keinerlei Vorerfahrungen gibt, muss seitens des ADAC einiges organisiert werden und Kathrin soll sich an nächsten Tag wieder melden, dann hofft man uns einen Termin für die Rückholung mitteilen zu können.

Währenddessen wird mir im Krankenhaus auch nicht langweilig. Gefühlt die Hälfte der Einwohner Ilizis kommen bei mir vorbei und erkundigen sich nach meinem Befinden. Hier scheint ansonsten nicht viel los zu sein und ich bin das allgemeine Stadtgespräch. Alle wollen mich sehen und kennenlernen. Grundsätzlich habe ich aber ein Einzelzimmer. Für Kathrin hat man ein zweites Bett reingestellt, so dass Sie auch nachts bei mir sein kann. Für die reichliche Verpflegung sorgt die Familie unseres Guides, was besonders hoch anzurechnen ist, da derzeit Ramadan ist.

Am Nachmittag trifft auch der Rest unserer Gruppe in Ilizi ein. Alle besuchen mich noch einmal und wünschen mir gute Besserung. Für sie geht die Tour morgen weiter.
Mein Motorrad wird abgeladen, da es in meinem Reisepass eingetragen ist und ich ohne Motorrad ausreisen werde, wird es erst einmal in einem Zollhof eingelagert.

Das Telefonat mit dem ADAC am nächsten Tag bringt gute Neuigkeiten. Das Flugzeug für meinen Rücktransport wird am folgenden Morgen in Nürnberg starten und gegen Mittag in Ilizi eintreffen. Für Kathrin wurde auch bereits ein Rückflug über Algier und Paris gebucht. Auch diese Kosten übernimmt er ADAC, ebenso wie Organisation und Rücktransport meines Motorrades.

Am nächsten Mittag geht es dann zum Flughafen. Nachdem ich die Zeit im Bett recht schmerzfrei verbracht habe, ist das jetzt sehr unangenehm. Wir stehen mit dem Krankenwagen auf dem Vorfeld des Flughafens und pünktlich, kurz nach Mittag, setzt der Mini-Düsenflieger zur Landung an. Jetzt ist auch klar, weshalb Kathrin hier nicht mitfliegen konnte. Da passt keine Maus mehr rein. Direkt hinter Pilot und Copilot befindet sich auf der einen Seite der Platz für die Trage und gegenüber die Schränke für die medizinische Ausrüstung. Direkt im Anschluss daran sitzen Notarzt und Rettungssanitäter kuschlig eng beieinander und dann ist der Flieger auch schon wieder zu Ende.

Der Arzt lässt sich die Röntgenbilder und den Befund aushändigen. Seine erste Einschätzung hört sich nicht so gut an. Bei einem solchen Bruch ist ein Gefäßabriss nicht ungewöhnlich und sollte das bei mir der Fall sein, wäre ein künstliches Hüftgelenk erforderlich. Bei meinen Freizeitaktivitäten wäre das eine Katastrophe.

Kommen wir aber zu den naheliegenden Problemen. Ich frage mich schon die ganze Zeit, wie ich durch die kleine Einstiegsluke in den Miniflieger kommen soll. Die Lösung für dieses Problem ist ein Pharmacocktail der es in sich hat. Ich bekomme Dormicum und Ketamin. Das macht müde, glücklich und man sieht bunte Farben. Für Kathrin bietet sich ein ganz anderer Eindruck. Während man mich ins Flugzeug stopft schreie ich vor Schmerz wie am Spies. Schon krass, sie solche Drogen Körper und Geist voneinander trennen können. Ich bekomme davon jedenfalls nichts mit und fühle mich prächtig. Freue mich vielmehr auf die nächste Runde, denn ich muss ja auch wieder auf dem Flieger rausgebracht werden.

Wer jetzt denkt, dass es auf direktem Weg zurück nach Deutschland geht, kennt die algerische Bürokratie nicht. Wie Ihr Euch erinnert, steht noch mein Motorrad in meinem Reisepass. Solange es da drin steht, darf ich das Land nur zusammen mit meinem Motorrad verlassen. Da das in dem kleinen Flieger natürlich nicht möglich ist, müssen wir eine Zwischenlandung in Algier einlegen. Dort kommt dann extra ein Zollbeamter an Bord, der mein Motorrad aus dem Reisepass austrägt. Gleichzeitig muss ich einen Wisch unterschreiben, dass das Motorrad nicht in Algerien verbleibt, sondern separat von mir außer Landes gebracht wird. Gegen Mitternacht landen wir dann endlich in Hannover.

Der Krankenhausaufenthalt hat uns im übrigen keinen Cent gekostet. Das gesamte algerische Gesundheitssystem ist kostenlos. Nicht nur für die einheimische Bevölkerung, sondern auch für alle Gäste des Landes.

Kathrins Rückflug ging dann erst 2 Tage später und um diese 2 Tage beneide ich Sie sehr. Nachdem ich aus dem Krankenhaus ausgezogen war ist Kathrin ins Haus unseres Guides umgezogen und hat dort das authentische Leben der sesshaft gewordenen Tuareg miterlebt. Höhepunkt war das abendliche Fastenbrechen, wofür die Frauen fast den gesamten Tag mit der Vorbereitung beschäftigt waren.










Letzte Änderung: 22 Jun 2020 14:32 von Topobär.
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25 Jun 2020 17:13 #590936
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Zwischen den Reisen

Schon am nächsten Vormittag kam ich unters Messer. Zum Glück blieb mir das Worst Case Szenario erspart. Die Gefäße zur Versorgung des Hüftgelenks waren intakt und mir blieb ein künstliches Hüftgelenk erspart. Stattdessen bekam ich eine dynamische Hüftschraube. Während des Einbaus herrschte im OP eine Geräuschkulisse wie in einer Schlosserei. Die dynamische Hüftschraube hat super funktioniert und mir nie Probleme bereitet. Da der Ausbau mit min. 4 weiteren Wochen Krücken verbunden gewesen wäre, habe ich sie nie entfernen lassen. Das sorgt hin und wieder für Verwirrung bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen.

Nach der OP war ich 3 Monate auf Krücken angewiesen. So musste ich leider auf die von mir organisierte Skifahrt unserer Alpenvereins-Sektion verzichten. Lt. Kathrin war es super. Ich wollte so schnell wie möglich wieder uneingeschränkt laufen können und keinerlei Einbußen bei Kraft und Fitness erleiden. Deshalb war ich täglich bei der Physiotherapie und im angeschlossenen Kraftraum. Das zahlte sich dann auch aus. Gleich am ersten Wochenende, an dem ich ohne Krücken laufen durfte, war ich wieder zum Klettern am Fels und bald darauf auch wieder mit dem Motorrad unterwegs.

Die KTM stand 6 Wochen nach meinem Unfall wieder bei mir vor der Tür. Sie hatte den Überschlag wesentlich besser überstanden als ich. Lediglich die vorderen Stoßdämpfer und das Cockpit waren beschädigt. Das schwere Originalcockpit wollte ich sowieso schon seit längerem austauschen und so wurde es jetzt gegen ein leichtes Rallyecockpit ausgetauscht.

Der ADAC hat einen super Service abgeliefert. Alles lief wie am Schnürchen. Nach den anfänglichen Telefonaten mussten wir uns um nichts mehr kümmern. Insgesamt hatte der ADAC Kosten in Höhe von über 80.000,-DM.

Inzwischen war auch der Rest der Gruppe wieder zurück in Deutschland. Es waren unterwegs noch 2 weitere Motorradfahrer mit Knochenbrüchen ausgestiegen. Immer häufiger hörte ich jetzt, dass die Sahara alle 40.000 Personenkilometer ein Opfer fordert.

Von Anfang an war mir klar, dass der Unfall nicht das Ende meiner Reiseambitionen in der Sahara sein durfte. Nirgends hatte mir das Motorradfahren so viel Spaß gemacht, wie in der Sahara und von den fantastischen Landschaften hatte ich bislang kaum etwas gesehen. Deshalb buchte ich mich für den November des gleichen Jahres in eine Motorrad-Rundtour durch Algerien ein. Genug Urlaub war bei mir noch übrig. Bei Kathrin leider nicht und so war ich diesmal allein unterwegs.

Geleitet wurde diese 2.Tour von Eddy Hau und Gregor Haug. Zwei Urgesteine der Rallye Paris – Dakar.

Eddy war mehrfacher Enduro-Europameister und erfolgreichster deutscher Teilnehmer bei der Rallye Paris – Dakar in der Motorrad-Klasse. Er war unser Tourguide auf dem Motorrad.

Gregor hat die Rally Paris – Dakar, als im Teilnehmerfeld mitfahrender Werksmechaniker, mit Motorrad, Geländewagen und LKW bestritten und ist immer in Dakar angekommen. Er fuhr unseren Begleit-LKW; war Mechaniker und Koch. Gregor verunglückte 2002 mit seinem LKW auf der Masters-Rallye in Russland tödlich.
Letzte Änderung: 25 Jun 2020 17:18 von Topobär.
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01 Jul 2020 15:16 #591294
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Zweite Anreise nach Algerien

Dieses Mal war die Anreise wesentlich bequemer. Nur der Begleit-LKW mit unseren Motorrädern ging in Genua auf die Fähre nach Tunis. Wir Motorradfahrer flogen zusammen mit vielen Pauschalurlaubern direkt nach Djerba. Ich kam mir in dieser Gesellschaft merkwürdig deplatziert vor. Treffpunkt auf Djerba war ein Mittelklasse-Allinclusiv-Hotel. Wir Teilnehmer waren auch nicht zusammen geflogen, sondern jeder von seinem nächstgelegenen Flughafen. So lernten wir uns sowie Eddy und Gregor erst auf Djerba kennen. Ich hatte gleich den Eindruck, dass wir eine sehr nette Gruppe sein werden und wurde in dieser Ansicht auch nie während der Tour enttäuscht.

Der LKW war schon morgens angekommen und da ich als einer der letzten erst am späten Nachmittag landete, waren die Motorräder bereits entladen, als ich eintraf. Jeder überprüfte noch einmal sein Motorrad und seine persönliche Ausrüstung, bevor die Tour dann mit einem gemeinsamen Abendessen offiziell begann.

Am nächsten Tag ging es dann in einem Rutsch bis an die algerische Grenze.



Was ich bei der Durchquerung von Djerba sah überzeugte mich noch immer nicht. Die gesamte Insel ist topfeben und karg. Keinerlei natürliche Erhebung ragt mehr als 4m über den Meeresspiegel. Was macht man hier im Urlaub? Man kann doch nicht die ganze Zeit nur in der Sonne liegen, den Hautkrebs pflegen und sich besaufen.

Danach war die Anreise aber wesentlich interessanter als bei der ersten Tour. Wir waren viel weiter im Süden Tunesiens und fuhren die ganze Zeit am Rand der Sahara. Hier in Tunesien allerdings noch durchgehend auf guten Asphaltstraßen. Nur gelegentlich wurde noch ein wenig Landwirtschaft betrieben.



Sehr gut gefallen hat mir die Durchquerung des Chott el-Jerid. Um diese Begeisterung zu teilen, muss man allerdings große „leere“ Flächen mögen.




Westlich von Nefta schlugen wir uns dann für die erste Nacht im Zelt in die Büsche.




Der Grenzübertritt am nächsten Tag war genauso zeitaufwändig wie bei der ersten Tour. Allerdings fuhren wir diesmal noch ein wenig weiter und wurden dafür mit einem sehr schönen Übernachtungsplatz in einem Dattelpalmenhain belohnt.



Die Ernte war gerade im vollen Gange und so fragten wir, ob wir ein paar Datteln kaufen können. Wir gaben umgerechnet rund 10DM und waren dann doch sehr überrascht, dass wir für diesen geringen Betrag einen Berg Datteln erhielten, der eine ganze Reisetasche füllte und für die gesamte Gruppe als permanente Zwischenmahlzeit über die gesamte Tour ausreichte.



Letzte Änderung: 02 Jul 2020 17:04 von Topobär.
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