THEMA: "Social distancing" mit Gorillas
25 Apr 2020 19:31 #587344
  • Carsten Möhle
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  • Carsten Möhle am 25 Apr 2020 19:31
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Social distancing mit Gorillas – Lockdown im Dschungel



In einer Zeit, in der die Welt im nächsten Supermarkt an den Regalen für Nudeln und Klopapier endet, gilt es weiterzusehen auf ein paar verschwindende Horizonte.
Aufgrund des aktuellen, gewaltsamen Überfalls auf eine Zivilisten begleitende Gruppe von Nationalpark- Rangern freue ich mich über jeden, der diesen Bericht liest und ein wenig Geld locker machen kann für die Unterstützung von Mitforikern angeschobenen Hilfsprojekte Kanyaruchinya Primary School oder Gorilladoctors.

Eine Zumutung und aktueller Reisebericht von einer Reise Ende Dezember 2019 zu den Berggorillas in der Demokratischen Republik Congo.

„Social distancing“ und Kontaktkontrollen wurde ja schon immer beim Besuch von Berggorillas angewandt und haben eine Erfolgsgeschichte zur Arterhaltung ausgelöst:



Der Bestand der im Virunga-Vulkan-Gebiet lebenden Tiere hat sich dadurch in den letzten drei Jahrzehnten auf über 600 Exemplare mehr als verdoppelt. Insgesamt gibt es jetzt wieder mehr als 1.000 freilebende Berggorillas.



Die Kombination aus länderübergreifenden Absprachen für aufwendige Schutzbemühungen, Integration von Nichtregierungsorganisationen, Veterinärbegleitung und hochpreisigem Tourismus mit Investitionen in Gemeinschaftsprojekte vor Ort und medialer Öffentlichkeit sind die Grundsteine für die erfolgreichen Bemühungen nachhaltig dieses Habitat zu schützen.




Die frühen Begegnungen von Menschen und Menschenaffen waren nicht immer so harmonisch. Immerhin hat der Berggorilla einen deutschen Nachnamen.

Wie ist es dazu gekommen?
In einer Zeit, als es Deutsche Bananen gab und der Kilimanjaro der höchste Berg Deutschlands war, führte der Verbindungsoffizier zum ruandischen König, Hauptmann Friedrich Robert von Beringe, eine Expedition durch, um einen der Virunga-Vulkane zu besteigen. Mit dabei war Chefarzt Dr Engeland, der eigentlich in einem Lungensanatorium in den Usambara Bergen in Wugiri stationiert war, 5 Askaris und die notwendigen Träger.
Am 17. Oktober 1902 starteten sie und es kam zu einer ersten Begegnung, die Beringe im Deutschen Kolonialblatt mit folgenden Worten schildert: „Von unserem Lager aus erblickten wir eine Herde schwarzer, großer Affen, welche versuchten, den höchsten Gipfel des Vulkans zu erklettern. Von diesen Affen gelang es uns, zwei große Tiere zur Strecke zu liefern, welche mit großem Gepolter in eine nach Nordosten sich öffnende Kraterschlucht abstürzten. Nach fünfstündiger, anstrengender Arbeit gelang es uns, ein Tier angeseilt heraufzuholen.“ Es handelte sich um einen männlichen, großen, menschenähnlichen Affen mit einer Körperlänge von 1,5 m und einem Gewicht von mehr als 200 Pfund. Er hatte keine Brustbehaarung, aber riesige Hände und Füße. „Es war mir leider nicht möglich, die Gattung des Affen zu bestimmen“, bedauerte der Hauptmann. Denn wegen der Größe des Tieres konnte es nach seiner Ansicht kein Schimpanse sein, und das Vorkommen von – aus dem Flachland bekannten – Gorillas im Gebiet um die ostafrikanischen Seen war bis dahin „nicht festgestellt worden“. Robert von Beringe beschloss deshalb, seinen Fund zur Untersuchung an das Zoologische Museum in Berlin zu schicken. Zwar wurden die Haut und eine Hand des Affen auf der Rückreise nach Usumbura von einer Hyäne gefressen. Doch anhand des Schädel und eines Teils des Skelettes, die unversehrt in Berlin ankamen - und heute noch dort im Museum für Naturkunde ausgestellt sind - , klassifizierte der am Museum tätige Professor Paul Matschie (1861–1926) das Tier als neue Gorilla-Art, die er nach ihrem Entdecker Gorilla beringei nannte.



Baam!Baam! So ging Forschung damals und es war noch ein langer Weg vom ausschließlichen Wert als Jagdtrophäen zu einem Forschungsobjekt von Dian Fossey, von "King Kong" zu den "sanften Riesen".

Eine DVD des Enkels von Hauptmann Beringe auf den Spuren seines Großvaters und zur Geschichte des sich entwickelnden Naturschutzes im Virunga Vulkangebiet kann hier eingesehen, geliehen und gekauft werden.
oder für ANNICK auf französisch hier.




... wird fortgesetzt mit Start in Kigali
Letzte Änderung: 25 Apr 2020 19:33 von Carsten Möhle. Begründung: Anhang
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25 Apr 2020 19:44 #587348
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Guten Tag Carsten,

...seit unserem zufällig abendlichen Treffen im Restaurant der Arebbusch Anfang November

ist so VIELES passiert, was eigentlich NIE vorstellbar war.................!!!!!

LG..................................BMW
Letzte Änderung: 25 Apr 2020 21:51 von BMW.
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26 Apr 2020 08:34 #587368
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Hoi Carsten

Ein Reisebericht aus den Virungas?
Da bin ich doch sofort dabei!!!
Und jetzt los, hü, mach vorwärts! B) ;) :laugh:
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26 Apr 2020 15:32 #587404
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Hallo Carsten,
auch ich bin sehr interessiert an diesem Bericht.
Beste Grüße
Friederike
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27 Apr 2020 12:49 #587479
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Hallo Carsten, unter Deinem link kann man die DVD nur leihen.........
Gruß
Friederike
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27 Apr 2020 18:51 #587499
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Warum Congo?
Namibia ist die Afrika Grundschule, manchmal auch nur Kita, Botswana und Sambia die Realschule für Afrikareisende, aber Congo ist das Afrika-Abitur, Heimat des flexiblen, individuellen Reisens.
Hier kann man das Gorilla-Trekking mit der Besteigung des Nyiragongo-Vulkans kombinieren und im Congo bei Kabara begann Dian Fossey mit ihrem Landrover „Lily“ 1966 mit Ihren wissenschaftlichen Gorilla Forschungen.

Leider ist der Ostteil des Congos seit den 90er Jahren für Touristen nur eingeschränkt bereisbar. Herrlich schlechte Straßen, keinerlei Infrastruktur für Massentourismus, immer ein bisschen undurchschaubarer Bürgerkrieg, statt grenzüberschreitender „Peace Parks“ haben sie dort grenzüberschreitende „War Parks“ etabliert. Seit kurzem noch gesteigert durch Ebola, und noch viel tödlicher, Masernausbrüche. Impfgegner sind mir dort nicht begegnet.

Ein stetiger Blick auf die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes ist notwendig.
Die Region um Goma und der südliche Teil des Virunga Nationalparks war im Zeitfenster Februar 2019 bis März 2020 mit Einschränkungen möglich. Zurzeit ist wegen Gefährdung der Berggorillas mit Covid-19 der Virunga Park geschlossen.

Ich war bereits mehrere Male zu Land, Wasser und Luft im Congo, verfüge also über eine gewisse Ortskenntnis und zeitweise sprach ich auch ganz gut Lingala und Swahili. Kurze Hosen konnte ich damals nur eingeschränkt.





Da ich in den nächsten Jahren mehrere Reisen in den Congo (Forschung und Touristik) plane, suchte ich nach einem Veranstalter vor Ort, der meine Wünsche umsetzten kann. Empfehlung durch picco sowie dem deutschen Militärattaché im Congo führten zu Jean Bosco von Virunga Amani Tours.



Jean Bosco verkörpert geradezu einen Berggorillabesuchsveranstalter. Nach namibischen Maßstäben ist er ebenfalls ein Vegetarier.

Man kann die permits, transfers und Unterkünfte auch direkt buchen und mit Kreditkarte bezahlen.
3 Wochen Minimum Vorlauf ist notwendig, um das Sondervisum ( 105 US$ pro Person ) aus Kinshasa rechtzeitig genehmigt zu bekommen.
Ich empfehle trotzdem jedem den Congo mit einem Reiseveranstalter zu bereisen, der im Congo und in Ruanda lizensiert ist, denn nur so kann man kostengünstig und flexibel auf Planänderungen im Verbund mit Sach- Personen und Ortskenntnis reagieren. Unabhängig davon wäre ein Schriftverkehr mit congonesischen Behörden zur Erlangung eines Sondervisums nutzlos aufgewendete Lebenszeit.
Als Vorsichtsmaßnahme habe ich für die geplante Dauer des Aufenthaltes bei der Deutschen Botschaft in Kigali und in Kinshasa meine Reise- und Kontaktdaten hinterlegt.
Ich bin kein Hasardeur, habe eine ganze Menge Expedition- und Einsatzerfahrung und hielt zu diesem Zeitpunkt das Risiko für vertretbar. Ich habe 3 Jahre Recherche und Abstimmung mit meinen Kontakten für diese Einschätzung gebraucht und dann das Zeitfenster genutzt.
Auch ich möchte nicht die Bundesrepublik Deutschland in die Lage bringen, erpresst zu werden und das KSK zum Abholen schicken zu müssen. (Kleiner Tipp aus der Praxis: Das KSK braucht in solchen Lagen einen Hinweis, dass man sich 48 Stunden an einem Platz aufhält, dann klopfen die an)

Von Windhoek geht es mit Air Ruanda unkompliziert und unglaublich günstig (229 Euro) via Johannesburg nach Kigali. Multiple Entry Visa 70 US$ / 63 € bei Ankunft am Flughafen mit Kreditkarte. Den Koffer habe ich in Windhoek einschweißen lassen. Ich hoffte, so dem Plastikverbot in Ruanda zu entgehen. Klar, wer kein Shampoo für krause Haare im Koffer transportieren muss, braucht auch keine Plastiktüten.
In der Empfangshalle händigte man mir dann unaufgefordert ein Teppichmesser aus, um die Plastikverpackung abzuschälen.
Abholung vom Flughafen um 22:10 Uhr durch das Yambi Guesthouse (Einzelzimmer 50 US$ / Doppelzimmer 30 US$ pro Person)


Zur Akklimatisierung empfehle ich mindestens 3 Tage in Kigali oder am Lake Kivu.
Es wird mittlerweile erstaunlich viel englisch geredet und verstanden.
Das reiseberichte ich aber ein andermal und nicht in diesem an Aus- und Abschweifungen reichhaltig gefülltem Füllhorn.

Von Kigali nach Gisenyi
Abholung durch Jean Bosco. Von Kigali geht es auf guten Teerstraßen durch hügelige Landschaften zur Grenze nach Goma.
160 km. 5 Stunden gemütliche Fahrt.

Manchmal ergeben sich Mitfahrgelegenheiten


In den Dörfern herrscht mehr Verkehr. Bewölkt und bevölkt.


Auffällig auch im Vergleich zu vor 30 Jahren ist, dass es kaum noch traditionelle Rundhütten gibt, sondern fast ausschließlich quadratische Steinbauten.


Abzweig nach rechts zum Ruanda Eintrittstor zum Virunga Nationalpark. Mit Wikingerschiff. Yara! Habe ich wohl doch 1991, bei meinem ersten Gorillabesuch in den Mondbergen einen Eindruck hinterlassen.


1991 kostete das Gorilla Permit auch schon 350 US$ pro Person für eine Stunde bei den Gorillas. Ruhengeri war durch ein wenig Bürgerkrieg schon schwer erreichbar. 40 Straßenblockaden auf dem 95 km Weg von Kigali.
Dian Fossey war gerade erst 5 Jahre zuvor ermordet worden. Der Film Gorillas im Nebel erst 3 Jahre alt. Die Grabstätte fand touristisch nicht statt. Ruanda schmückte sich damals nicht mit dieser einsamen alten merkwürdigen Frau.
Die Hauptbesucher Amerikaner und Belgier. Man musste antreten, wurde auf Fieber und Erkältungskrankheiten befragt und angeschaut, Nasen-Mundschutz gab es noch nicht. Wer hustete, blieb unten und hatte in den nächsten Tagen Gelegenheit noch einen freien Platz zu bekommen.
Maximal 10 Personen pro Besuchsgruppe.
Damals waren erst 3 Gruppen für Besuche mit Touristen habitiert. Heute sind es 70% der Berggorillas, die gelegentlich einen Menschen zu Gesicht bekommen.


Eine Linkskurve in der man rechts abbiegen möchte

Ruanda hat in den letzten Jahren massiv Tee für den Export und Reis für den Eigenbedarf angebaut.
"Grün sehen" ist für einen in Namibia Lebenden eine viel zu seltenes Hobby.


Abwarten und Tee trinken ist durchaus eine afrikanische Verhaltensweise. Tipp: Einen vierminuten-Tee acht Minuten ziehen lassen und dann richtig ungeduldig eskalieren an der Grenze.

Selbstfahrer können für einige Tage Ihr Fahrzeug z.B. im „Discover Rwanda Gisenyi Beach Hostel“ oder beim „Palmgarden Hotel“ abstellen, wenn man nur einen 2-5 Tagesausflug in den Congo macht.

Der Grenzübergang „Grande Barriere“
Der Grenzübergang darf natürlich nicht von außen und innen photographiert werden. Aber unser Abholerfahrzeug, welches keine Straßen braucht, stand bereit.

Bereits außen vor sind Handwaschbecken mit desinfiziertem Wasser. Auch olfaktorisch gewinnt man. Beim Betreten des Gemeinschaftsgrenzübergangsgebäudes wird man mit einem Wärmemeßgerät geprüft. Gleich rechts ist dann das Ausstempeln aus Ruanda und danach in die nächste Warteschlange beim Congo-Eintritt einreihen.
Beim Ausstempeln aus Ruanda wurden bei anderen Reisenden das Ostafrikavisum entwertet, so dass man an der Grenze zu Ruanda bei der Rückreise ein neues Visum kaufen musste.
Ein Meter Abstand zwischen den Personen war befohlen. Wenn man in der Schlange steht. Eher Diskretions- als Gesundheitsabstand.
Dann Gelbfieberimpfung im Impfpass über die Theke und das Genehmigungsschreiben aus Kinshasa für das vorab bezahlte Sondervisum.
Jean Bosco hat sie besorgt und uns gegeben. Wir haben das Dokument dann gleich photographiert mit Handykamera und richtiger Kamera, falls es mal „verloren geht“. Wir photographieren jedes Dokument und laden es gleich in die Cloud hoch.

Man zittert immer ein wenig, wenn man ein Dokument im Congo vorholt.
Vielleicht war auch nur meine Erinnerung ein wenig verschwommen.
Im Grenzgebäude ist auch ein Büro des Virunga Nationalparks. Hier wird man auch in Listen erfasst, Namen verglichen, und es wird ein permit gemalt. „Ausgestellt“ beschriebe nicht angemessen die Geschwindigkeit dieses Vorgangs.
Nun noch unser Gepäck komplett kontrollieren lassen. Es wurde durch ein Röntgengerät gefahren und es musste von uns geöffnet und zum Teil ausgeräumt werden. Wenigstens hier traut man uns Waffenschmuggel zu.
Raus aus dem Gebäude und wir waren im Congo.
„Demokratische Republik Kongo“
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