THEMA: Argentinien/Chile - Gletscher, Gipfel und Geysire
18 Jun 2019 14:05 #559299
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Unterwegs im Torres del Paine, Teil 2

In Hochstimmung kehren wir schließlich den "Cuernos" den Rücken und machen uns auf den Rückweg. In den Bergen hängen die Wolken fest, aber über uns scheint die Sonne.



Wir kommen nicht weit, denn die Guanacos sind auch noch da ...



... und wieder legen wir einen längeren Stopp ein. In dieser Kulisse wäre ich auch gern Zuhause.





Am Mittag sind mehr Wanderer unterwegs als bei unserem Start am Morgen. Dennoch überwiegt der Eindruck von Weite und Einsamkeit.



Neben mir raschelt es, und ich brauche einen Moment, bis ich den Verursacher identifiziere. Ein kleines Gürteltier scharrt hektisch am Boden. Wir bleiben wie angewurzelt stehen, um es nicht zu erschrecken.







Die Sorge erweist sich allerdings als unbegründet. Als es sich fast bis zu meinen Füßen vorgearbeitet hat, blickt es kurz auf, schaut gelangweilt aus der Wäsche und widmet sich dann wieder ungerührt seiner Aufgabe.



In einem kleinen Kiosk am Parkplatz ist das Angebot überschaubar, doch wir ergattern einigermaßen gekühlte Limos. Es ist richtig warm geworden und wir setzen uns in die Sonne. Die Magellan-Gänse haben Nachwuchs und versüßen uns die Pause.





Dann fahren wir ein Stück am Lago Pehoe entlang ...



... bis zum Camping Pehoe. Dort startet eine Wanderung hinauf zum Mirador Condor, die wir uns zum Abschluss vorgenommen haben. An den Hängen des Hügels rasten häufiger Kondore, und so besteht mit etwas Glück die Chance, diese riesigen Vögel bei Landung oder Aufstieg aus der Nähe zu beobachten.

Der Pfad zum Mirador führt erst sanft, dann steiler ansteigend durch eine grüne Hügellandschaft, die 200 Höhenmeter sind aber keine besondere Herausforderung. Nach etwa einer Stunde sind wir oben.





Von hier oben haben wir eine geniale Rundumsicht mit Blick auf den Pehoe-See und das Bergmassiv, und die idyllische Hügellandschaft mit den Lagunen in unserem Rücken wirkt völlig unberührt.





Drei ziemlich laute Italiener sind auf der Bergkuppe, als wir ankommen, doch sie kehren schon bald um. Es folgt ein junger Mann mit Guide, der ihm einiges über Kondore erzählt, doch sie haben keine Zeit oder keine Geduld und verschwinden nach wenigen Minuten. Wir sind ganz allein, und für einen kleinen Moment gehört mir die Welt. Ich bin rundum glücklich.





Thomas' Glück ist perfekt, als schließlich tatsächlich ein Kondor über dem Hügel seine Kreise zieht.





Auf dem Hügel bläst zusehends der Wind, und so machen wir uns nach einer guten Stunde leicht durchgefroren auf den Rückweg. Die Natur ist traumhaft, allerdings sind auch hier die Spuren des schlimmen Waldbrandes noch allgegenwärtig. Wir hoffen sehr, dass die Schutzmaßnahmen greifen. Nach knapp drei Stunden sind wir zurück am Auto.



Wir fahren gemütlich zurück zum Lago Grey, genießen dort zum letzten Mal die Abendstimmung am See. Wir hätten problemlos mehr Zeit im Torres del Paine verbringen können, wären noch zur stillen Laguna Azul gefahren oder hätten vielleicht doch an einem schmerzfreien Tag den Aufstieg zu den Torres gewagt. Doch wir sind randvoll mit einzigartigen Eindrücken und Erlebnissen und freuen uns auf die nächsten Abenteuer. Am Morgen geht die Reise weiter, die nächste Station heißt El Calafate.







Letzte Änderung: 27 Jul 2019 09:26 von Beatnick.
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20 Jun 2019 18:24 #559559
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Von Torres del Paine nach El Calafate

Am Morgen verabschieden wir uns ein bisschen wehmütig vom Torres del Paine, der uns so viele großartige Momente beschert hat.





Wir lassen es langsam angehen. Nur knapp 300 Kilometer sind es vom Lago Grey nach El Calafate, und wir haben den ganzen Tag Zeit. Die Wolken, die noch am Vortag in den Bergen festhingen, haben sich fast aufgelöst und das Panorama präsentiert sich zum Abschied von seiner besten Seite. Auch der Gipfel des Cerro Paine Grande, auf den wir bis dato nur einmal richtig freie Sicht hatten, blitzt noch einmal hervor.





Die Torres, die dem Park seinen Namen geben, haben wir bislang nur aus großer Entfernung gesehen. Nun zeigen sich die Granitnadeln, die sich bei unserer Ankunft im Dunst versteckt hatten, in ihrer ganzen Pracht.



Auch jenseits der Parkgrenze legen wir immer wieder Stopps ein. Wüssten wir nicht, dass wir den Nationalpark verlassen haben, würden wir es wohl auch ziemlich lange nicht merken. Denn es bleibt einsam und reich an Natur.

Guanaco beim Frühsport ...äh, Staubbad.


"Irgendwann muss es doch mit dem Sixpack was werden."




So sieht sie wohl aus, die reine Glückseligkeit.


An einem See parken wir und gehen ein Stück spazieren. Wetter und Umgebung sind zu schön, um im Auto zu sitzen. Wolken wie an diesem Tag habe ich noch nie gesehen, sie sehen aus wie aufeinandergestapelte Pfannkuchen.





Das Land um uns herum wird weit und flach, und es gibt immer was zu sehen. Wir kommen nur im Schneckentempo voran, aber das ist eigentlich auch egal. :)







In Grenznähe verwandelt sich die Straße wieder vorübergehend in eine holprige Schotterpiste. Die Beamten sind freundlich, die Stimmung ist entspannt und die Wartezeit kurz. Ich hatte mir die Grenzübergänge irgendwie komplizierter vorgestellt - wie so vieles andere auch. Aber sie sind überhaupt kein Problem.

Kurz hinter der argentinischen Grenze gehen mir die Augen über, wir fahren kilometerlang durch ein einziges Blumenmeer. Irgendwann fahre ich rechts ran, denn ich kann nicht anders: Ich muss da einmal durchlaufen und fühle mich wie ein Kind.







Wieder gleiten wir auf dieser Fahrt von einer Traumkulisse in die andere, immer begleitet von Kondoren, die hoch über uns kreisen. Die Gebirgszüge der Anden bei El Calafate können wir über die flachen Ebenen schon von Weitem sehen, die Vorfreude auf die nächsten Tage steigt.



El Calafate ist nicht besonders groß, aber eine stetig wachsende Kleinstadt und als Ausgangspunkt für Besuche im Los Glaciares Nationalpark fest in touristischer Hand. Die Hauptstraße ist gesäumt von Restaurants, Hotels und Tour-Anbietern, doch die Atmosphäre ist gelassen und gefällt uns.

Unser motelähnliches Hotel, das völlig in Ordnung ist, aber keinen besonderen Charme versprüht, liegt ruhig in einer Nebenstraße, aber fußläufig zum Stadtzentrum. Wir finden es ziemlich toll, abends zur Abwechslung nicht auf ein einziges Restaurant angewiesen zu sein, sondern eine Auswahl zu haben. Besonders gut gefällt es uns in der bunten, lässigen Pura Vida Resto Bar, einer Empfehlung unseres Hotels. Herausragend ist aber einmal mehr die Lage des Städtchens am Südufer des türkisblauen Lago Argentino, dem größten See Argentiniens, mit Blick auf die Anden. Hier werden wir es bestimmt gut aushalten!

Letzte Änderung: 21 Jun 2019 08:31 von Beatnick.
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21 Jun 2019 20:47 #559673
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Auf Bruce Chatwins Spuren

Als Jugendliche mochte ich Bruce Chatwin. Sein Buch "In Patagonien" hat bei mir allerlei Kopfkino ausgelöst, außerdem Fernweh und den damit verbundenen, wenn auch irgendwie kaum greifbaren Gedanken, diesen entlegenen Sehnsuchtsort irgendwann einmal selbst zu erkunden. Während unserer Reise muss ich immer wieder daran denken, aber an diesem Tag ganz besonders.



Um kurz nach acht werden wir am Hotel von einem kleinen Bus eingesammelt, die "Schrottkarre" darf parken, denn wir haben für die nächsten Tage Ausflüge gebucht. Heute fahren wir zur Estancia Cristina, was auch immer das ist, bei El Calafate denkt der gemeine Tourist in aller Regel zuerst an den berühmten Perito Moreno Gletscher - so auch ich. Die Agentur hatte uns diesen Ausflug allerdings sehr ans Herz gelegt. Ausreichend Zeit war da und das Geld konnten wir auch noch zusammenkratzen, warum also nicht? Es war eine eher spontane Entscheidung - und wir sollten sie nicht bereuen.

Die längere Busfahrt endet in Punta Bandera am Lago Argentino, wo wir an Bord eines Schiffes gehen. Als wir losschippern, ist das Wetter durchwachsen. Und weil ich darüber hinaus so gar nicht im Bilde bin, was eigentlich auf uns zukommt, bewegt sich der Level meiner Euphorie auf einem insgesamt überschaubaren Niveau.



Das ändert sich allerdings schlagartig, als nicht nur die Lichtverhältnisse wechseln, sondern auch die ersten Eisberge in Sicht kommen.







Ich bin wie verzaubert und werde nur vom Bordfotografen aus meinen Tagträumen gerissen. Er will mich zu "lustigen" Fotos inspirieren, ich soll mich so hinstellen, dass es aussieht, als klebe meine Nase an einem Eisberg fest oder als lege ich meine Hand auf dessen Spitze. Und dann natürlich das Ergebnis käuflich erwerben. Er will es zuerst nicht glauben, aber nichts von alledem kommt für mich in Betracht, und so gehen wir ziemlich schnell und ziemlich konsequent getrennte Wege.







Wir gleiten am riesigen Upsala-Gletscher entlang, und plötzlich hören wir wieder dieses tiefe Rumpeln und Grollen, das wir schon am Lago Grey erlebt haben: Ein großer Eisberg kippt vor uns spektakulär um und offenbart seine nicht minder spektakuläre Unterseite. Sie besteht aus blankem Eis und ist deshalb leuchtend blau - eine beinahe unwirkliche Farbe.







Die Bootsfahrt ist schlichtweg großartig und dauert zwei Stunden, dann sind wir da. Die Estancia Cristina inmitten des Los Glaciares Nationalpark wurde 1914 von Auswanderern gegründet, ist nur mit dem Boot zu erreichen und die traumhafte, unberührte Natur sowie die Abgeschiedenheit nehmen mich sofort gefangen. Es muss fantastisch sein, in dieser wilden, stillen Umgebung wenigstens eine Nacht oder auch mehrere Tage zu verbringen - was einige der anderen Gäste tun, denn die Ranch ist eine Lodge und vermietet schöne Cottages.



Für uns geht es per Jeep über eine steile, ruppige Schotterstraße hinauf in die Berge, zuletzt führt ein kurzer, leichter Spaziergang durch eine von Gletschern geprägte, dramatische Landschaft zu einem Aussichtspunkt.









Dort verschlägt es uns den Atem. Nicht nur wegen des imposanten Ausblicks auf Gletscher, Anden und türkisblaues Wasser.







Sondern auch, weil uns der patagonische Wind erstmals voll erwischt. Er bläst so heftig und konstant, dass er mich wie ein Luftkissen trägt.



Wir verbringen eine ganze Zeit hier oben, staunen und können uns kaum sattsehen.







Zurück auf der Estancia sind wir von all den Eindrücken schier erschlagen. Wir haben auf das Drei-Gänge-Menü verzichtet, das wir im Vorfeld hätten bestellen können, und gönnen uns stattdessen im schönen, hellen Restaurant der Ranch nur einen Snack. Auch der Besuch eines kleinen Museums findet ohne uns statt. Ich habe die Historie allerdings später nachgelesen und sie ist hochspannend! Wie es wohl gewesen sein muss, an solch einem Ort zu leben? Auf jeden Fall nicht immer leicht. Wir laufen noch ein wenig herum, saugen Atmosphäre auf und sinken schließlich erschöpft auf eine Bank, wo wir einträchtig einschlummern.

Ich weiß, was ihr jetzt denkt. Aber nein, wir haben die Abfahrt des Katamarans nicht verschlafen. Auch wenn ich wirklich unglaublich gerne dort übernachtet hätte. :)


Das Boot macht zurück richtig Tempo, nur durch den engen "Teufelsschlund" fast am Ziel kriechen wir regelrecht hindurch. Mit der Sonne ist es vorbei. Der Wind heult und wirft das Boot in den hohen Wellen hin und her, doch schließlich ist es geschafft. Wir krabbeln von Bord und in den Bus, elf Stunden nach unserer Abfahrt sind wir wieder am Hotel. Noch ein schnelles Abendessen, dann fallen wir ins Bett. Es war ein langer, ereignisreicher Tag, der all meine Vorstellungen von Patagonien übertroffen hat. Mein Kopfkino hat Hochkonjunktur. Ganz so, wie es Bruce Chatwin gefallen würde.

Letzte Änderung: 23 Jun 2019 15:36 von Beatnick.
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23 Jun 2019 19:53 #559808
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Aufs Glatteis geführt

Reisen macht süchtig, das wissen wir alle nur zu gut. Ich bin schon ziemlich lange abhängig, und die Enttäuschungen hielten sich in all den Jahren sehr in Grenzen. Eine der wenigen erlebten wir 2015 auf einer Neuseeland-Rundreise. Da waren wir schon in voller Montur auf dem Weg zum Helikopter, der uns auf dem Fox-Gletscher absetzen sollte, als der Trip wetterbedingt buchstäblich in letzter Sekunde gecancelt wurde - aus der Traum vom Gletscher-Trekking. Ich war daher gleich doppelt froh, dass es auf dem Perito Moreno vergleichbare Touren gibt.

Unsere Wahl fiel auf das "Mini Trekking", quasi die kleine Schwester der "Big Ice Tour", bei der zwar doppelt so lange gewandert wird, die allerdings auch doppelt so viel kostet. Wieder werden wir morgens am Hotel abgeholt, und per Bus geht es in den rund 50 Kilometer entfernten Los Glaciares Nationalpark. Dort fahren wir weitere 20 Kilometer durch einen schönen Wald, in dem ich sogar einen Fuchs erspähe, bis sich uns der erste Blick auf den berühmten Perito Moreno eröffnet.



Das Wetter macht auf Diva, ist launenhaft und unberechenbar, zuweilen aber schön. Der Bus stoppt an einer kleinen Anlegestelle, von hier schippert uns ein Boot über einen Seitenarm des Lago Argentino hinüber zur anderen Seite, wo die Gletscherwanderung startet.

Es ist nur eine kurze Fahrt, aber sie ist spektakulär. Fast auf Tuchfühlung gleiten wir an der Gletscherzunge vorbei und die zerklüfteten Eismassen ragen riesig über uns auf.









Wir laufen zuerst zu einer rustikalen Hütte, denn wir sollen nur das Nötigste mitnehmen und unser Gepäck in den Schließfächern zurücklassen. Ich streife vorsorglich meine Regenhose über und tue gut daran, denn als wir ein kurzes Stück am Strand entlang und durch ein Waldstück wandern, beginnt es zu nieseln.

Am äußersten linken Rand des Gletschers liegt das Perito Moreno Base Camp, wo unsere kleine Gruppe mit Steigeisen ausstaffiert wird.





Im empfinde die sperrigen Dinger nur im ersten Moment als Klotz am Bein, schnell kommen wir gut zurecht. Wie die Lemminge gehen wir in einer langen Linie hintereinander auf den schmalen Gletscherpfaden. Es läuft sich erstaunlich leicht auf dem Eis, und ich kann es kaum abwarten, weiter hinaufzusteigen.



Doch daraus wird so bald nichts, denn eine einzelne Dame legt den Laden völlig lahm. Sie hat nicht nur ganz offensichtlich während der Einweisung die Ohren auf Durchzug gestellt und rutscht nun trotz der Steigeisen immer wieder nach hinten ab, sondern bleibt zudem alle zwei Meter stehen, um sich von ihrem jugendlichen Lover in Gipfelpose ablichten zu lassen. :pinch:

Vom Fleck sind wir noch nicht gekommen und die nachfolgende Gruppe rückt schon spürbar nah. Ein Hoch auf den Guide, denn er fackelt nicht lange. Er klemmt sich Madame halb unter den Arm und schleift sie regelrecht den Gletscher hoch. Thomas und ich ergreifen zudem weitere Vorsichtsmaßnahmen und lassen uns ganz ans Ende der Gruppe zurückfallen. So können wir im Rahmen des Erlaubten zumindest ein kleines bisschen selbstbestimmt gehen.







Es ist eine leichte Wanderung und - daran habe ich keine Sekunde auch nur den geringsten Zweifel - völlig ungefährlich. Und so können wir uns vollständig auf die zerklüftete Gletscherlandschaft mit tiefen Spalten und kleinen Tümpeln, in denen sich knallblaues Wasser gesammelt hat, konzentrieren.





Um uns herum schimmert es weiß, türkis und blau, es ist eine bizarre Kulisse mit von der Natur modellierten Eisskulpturen. Einfach toll! Längst hat die Sonne den Regen abgelöst.







Die Zeit vergeht wie im Flug, schließlich steigen wir nach etwas mehr als einer Stunde zu einer improvisierten Bar hinab, wo (laut Thomas nicht besonders guter) Whiskey mit Gletschereis auf uns wartet. Das von meiner Oma zeitlebens hochgeschätzte vormittägliche "gute Tröpfchen für den Kreislauf" erzielt bei mir allerdings seit jeher das genaue Gegenteil und so verzichte ich in Anbetracht der frühen Stunde dankend. :blink:





Zurück am Camp geben wir unsere Steigeisen ab und laufen gemächlich durch den Wald zurück zur Hütte.







Dort brennt nun im offenen Kamin ein Feuer, an dem wir unsere durchfeuchteten Sachen trocknen, es ist urgemütlich. Zwei Französinnen gesellen sich zu uns, die eine hat Geburtstag und packt standesgemäß eine Flasche Schampus aus. Schon wieder so ein früher Tropfen, also diese Franzosen, sie haben schon irgendwie Stil...

Nach einer ausgiebigen Pause geht es zurück aufs Boot ...





... und schließlich per Bus zu einem sechs Kilometer entfernten Parkplatz. Hier ist es ziemlich trubelig, denn wir sind ganz in der Nähe der Gletscherbalkone. Von (barrierefreien) Wegen und Aussichtsplattformen bietet sich aus verschiedensten Perspektiven ein fantastischer Blick auf den Perito Moreno, der allerdings an diesem Tag im hinteren Bereich ziemlich verhangen ist.



Der Perito Moreno ist weder der größte noch der höchste Gletscher Patagoniens, aber dennoch der bekannteste. Denn er ist nicht nur schön und extrem leicht zugänglich, sondern auch einer der wenigen Gletscher der Erde, der nicht schrumpft. Regelmäßig "kalbt" er in den Lago Argentino, und die uns vom Guide vorgegebene Stunde ist schon beinahe um, da werden wir Zeuge dieses imposanten Naturspektakels: abgebrochene Eismassen, groß wie ein Häuserblock, stürzen unter lautem Getöse ins Wasser.









Wir sind froh, auch diesmal wieder großzügig geplant zu haben, denn am nächsten Tag werden wir auf eigene Faust noch einmal wiederkommen. Mit eigenem Auto, ganz viel Zeit und ohne großen Plan. Es ist unser "Bonustag" in El Calafate. Wir nehmen's, wie's kommt - und auf jeden Fall gelassen.

Letzte Änderung: 23 Jun 2019 20:36 von Beatnick.
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In der Ruhe liegt die Kraft

Es ist unser letzter voller Tag in El Calafate, und nach zwei gebuchten Touren in Folge freuen wir uns, relativ planlos unterwegs zu sein. Dennoch machen wir uns mit der gut erholten "Schrottkarre" bewusst früh auf den Weg, um der Masse vorweg zu fahren. Das hat sich bisher auf all unseren Reisen rentiert und so ist es auch diesmal.

Kurz hinter der Stadtgrenze ist das Vogelreservat Laguna Nimez, das wir schon aus dem Busfenster erspäht hatten, unser erster Stopp. Dort sind viele Wasservögel beheimatet, darunter Flamingos, sie sind allerdings scheu und bleiben auf Distanz.





Der Lago Argentino taucht seine Umgebung in ein unwirkliches Blau und das Wetter verspricht nochmal besser zu werden als am Vortag.



Kurz nach Öffnung des Nationalparks um 8 Uhr sind wir am Eingang, bezahlen den Eintritt (ca. 20 Euro p.P.) und rollen gemächlich durch den stillen Wald mit einigen schönen Aussichtspunkten.



Das Boot, das uns am Vortag zum Ice Trekking gebracht hat, ist schon wieder fleißig bei der Arbeit. :)


An einem Picknickplatz entdecken wir einen jungen Caracara, er plärrt nach Futter und die Eltern wirken leicht gestresst. ;)







Die großen Parkplätze am Ende der Straße sind noch menschenleer, und auch auf den Wegen und Aussichtsplattformen mit Blick auf den Perito Moreno sind wir fast allein.



Es ist herrlich still, nur von Zeit zu Zeit kracht und knarzt es im Eis. Platzt ein großes Stück ab, klingt es jedes Mal wie eine heftige Detonation.









29 Kilometer ist der Perito Moreno lang und 5 Kilometer breit, die Wege führen auf unterschiedlichen Ebenen und im Zickzack an der Front des gigantischen Gletschers entlang. Der höchste Punkt ragt 75 Meter aus dem Wasser heraus.





Der Ausblick von den "Balcones" ist schlichtweg imposant. Wir betrachten die jahrtausendealte Eiswüste aus allen möglichen Winkeln ...







... und werden auch abseits davon bestens unterhalten.







Am Mittag wird es spürbar voller, ganze Busladungen ergießen sich auf die Plattformen. Ein Platzproblem gibt es nicht, denn die Balkone sind riesig, doch mit der ganz großen Ruhe ist es vorbei. Nach drei Stunden ohnehin vom auffrischenden Wind durchgepustet, brechen wir schließlich auf.





Auch auf dem Rückweg lassen wir uns wieder viel Zeit. Der junge Caracara tyrannisiert weiter seine Eltern und wagt erste Flugversuche, jedoch ohne weit zu kommen.









Zurück in El Calafate bummeln wir durch den Ort, machen einige Besorgungen, besuchen ein Cafe und später ein Restaurant - kurzum, lassen es uns gutgehen. Wäre ich nicht schon ein Fan großzügiger Zeitpläne, dann wäre ich es auf dieser Reise geworden: Wir müssen zwischenzeitlich zwingend entschleunigen, um nicht von den vielen Eindrücken erschlagen zu werden. Zumal das nächste große Kapitel auf uns wartet: Am nächsten Tag geht es weiter nach El Chalten.

Letzte Änderung: 25 Jun 2019 14:09 von Beatnick.
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Im Rausch der Farben

El Chalten macht mich glücklich, bevor wir auch nur annähernd da sind.
Viel Regen, viele Stürme, wenige Sonnenstunden - nicht nur, aber auch das hatte ich im Vorfeld über den Ort gelesen. Die bange Frage lautete also: Würden wir den berühmten Fitz Roy überhaupt zu sehen bekommen? Die Antwort fällt erfreulich aus und wird zudem völlig unerwartet schon während der Fahrt geliefert.

Nur rund 215 Kilometer sind es von El Calafate nach El Chalten. Einst muss die Strecke eine echte Herausforderung gewesen sein, heute ist die schlechte Schotterpiste längst einer Asphaltstraße gewichen, die nicht nur makellos ist, sondern auch wenig befahren.
Die Strecke führt zunächst am Lago Argentino entlang und dann Richtung Norden.



Wir sind noch nicht lange unterwegs, da erspähe ich eine Silhouette am Horizont, die mir irgendwie bekannt vorkommt. Als der Groschen fällt, bin ich ganz aufgeregt, denn vor uns - wenn auch noch zig Kilometer entfernt - sehen wir den Gipfel des Fitz Roy in den blauen Himmel ragen. Meine Angst ist so groß, dass er im unbeständigen patagonischen Wetter plötzlich auf Nimmerwiedersehen verschwindet, dass Thomas alle paar Kilometer Fotos machen muss. :S

Die Befürchtung erweist sich allerdings als unbegründet, denn das Wetter wird immer besser. Auch landschaftlich ist die Fahrt, die erst am Lago Argentino und dann am Lago Viedma entlangführt, eine Sensation.





Der Blick über die Gletscherseen ist spektakulär.





Wir kommen wieder einmal nur langsam voran, denn an den Aussichtspunkten legen wir viele längere Stopps ein und versuchen die Eindrücke in uns aufzusaugen.







Kaum ein anderes Auto begegnet uns auf dem Weg durch die unendliche Weite der patagonischen Steppe: Die Provinz Santa Cruz ist eine der am dünnsten besiedelten Regionen der Welt.



Schließlich führt die Straße schnurstracks auf die Berge zu. Ich platze fast vor Euphorie, schaue rüber zu Thomas und sage nur: "Happy Betti!" Unser Code dafür, dass mein Stimmungsbarometer am obersten Limit angekommen ist - mehr geht nicht.







Kurz vor El Chalten, nach rund dreieinhalbstündiger, gemächlicher Fahrt, sind wir wieder im Los Glaciares Nationalpark - allerdings ein ganzes Stück nördlicher als zuvor bei El Calafate.



El Chalten ist ein kleines Dorf mit nur knapp 2.000 Einwohnern, die im Einklang mit der Natur und vom Tourismus leben. Seine exponierte Lage mitten im Bergmassiv und der direkteste Zugang zum Cerro Torre und Fitz Roy machen den Ort zum Wanderparadies. Fast ausschließlich Individualtouristen und Einheimische, die sich aus bergverliebten Kletterern, Wanderern und Aussteigern zusammensetzen - ich mag die Atmosphäre sofort.



Unser Hotel direkt am Ortseingang ist schnell gefunden, uns gefällt der rustikale, urige Stil mit viel Holz und gemütlicher Sofaecke im Erdgeschoss. Sie erweist sich in den nächsten Tagen - ähnlich wie Lagerfeuer in den Camps in Afrika - als sozialer Treffpunkt, hier kommen wir abends mit den anderen Gästen ins Gespräch und erhalten manch wertvollen Tipp.

Am frühen Nachmittag nehmen wir eine ersten kleine Wanderung in Angriff, die unweit unseres Hotels am Besucherzentrum startet. Sie ist nur wenige Kilometer lang und führt zu zwei Aussichtspunkten. Das Wetter ist weiterhin so gut, dass wir vom "Mirador Los Condores" nicht nur die namensgebenden Andenkondore vor den Granitfelsen des Fitz Roy beobachten können, ...





... sondern sich sogar der "Cerro Torre" zeigt. Ein seltenes Vergnügen, er soll so gut wie immer verborgen sein. Selbst an diesem herrlichen Tag präsentiert er sich immer nur minutenweise, um dann gleich wieder zu verschwinden.



Der Cerro Torre mit seiner berühmten Eiskappe. Unter Bergsteigern gilt der über 3.000 m hohe Berg mit seinen steil aufragenden, glatten Granitwänden und dem vereisten oberen Bereich als einer der schwierigsten und zugleich schönsten Gipfel der Welt.


Es ist nicht sehr weit bis zum zweiten Aussichtspunkt. Der "Mirador Aguilas" eröffnet den Blick wie von einem natürlichen Balkon in die entgegengesetzte Richtung. Der Gegensatz könnte krasser nicht sein, doch auch die Aussicht auf das karge Umland, den Lago Viedma und die grünen Berge besitzt einen ganz eigenen Reiz.





Es ist ein perfekter Start in El Chalten und wir hoffen, dass das Wetter auch in den nächsten Tagen einigermaßen durchhält.



Meinem Bein geht es besser, die Wanderpumps stehen bereit - am nächsten Tag steht die erste längere Tour auf dem Programm.

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