Von Enten und Eisbergen
Am Morgen werden wir vom Regen geweckt, der energisch aufs Dach prasselt. Wir drehen uns noch einmal um. Kein Grund zum Aktionismus bei diesem Schietwetter! Viel später laden wir nach einem faden Frühstück unser Gepäck ins Auto, rollen die paar Meter von unserer Bleibe zur Rezeption - und dann öffnen sich die Schleusen, wie ich es selten erlebt habe. Wir sind gefangen in der "Schrottkarre". Ein Kingfisher wartet direkt neben uns ebenfalls auf bessere Zeiten. Ich öffne das Fenster einen Spalt und will mit ihm zu plaudern, doch er hat keine Lust auf Smalltalk und zeigt mir die kalte Schulter.
Während einer der seltenen Regenpausen begleicht Thomas unsere Rechnung und durch den Südzugang (Serrano) sind wir ruckzuck zurück im Park, denn das Dreitagesticket behält auch seine Gültigkeit, wenn man ihn zwischendurch verlässt. Es bleibt verregnet, und auf dem kurzen Weg zum Hotel Lago Grey ist vom Panorama nichts zu sehen.
Im Hotel können wir schon am späten Vormittag unser Zimmer beziehen, was sehr erfreulich ist. Die Standard-Variante ist ein ganz anderer Schnack als unser Superior-Zimmer in der ersten Nacht. Kein Panorama-Blick, viel kleiner, viel schlichter, keine Extras, kein Chichi. Doch ich bleibe dabei, dass ich mich hier wohlfühle. Das Flair passt für uns, und den Großteil der Zeit sind wir ohnehin unterwegs oder relaxen im Cafe/Barbereich mit dem gigantischen Ausblick.
Mittags reißt der Himmel auf. Für die geplante Tour quer durch den Park mit einigen kleineren Wanderungen ist es uns zu spät. Wir hoffen auf bessere Bedingungen am nächsten Tag, der unser letzter im Torres des Paine sein wird. Ohnehin ist uns an diesem Tag nach den vielen bisherigen Erlebnissen und Eindrücken gemütlich zumute, der Kopf kommt nicht hinterher. Wir entscheiden uns für eine Wanderung zu einem Aussichtspunkt am Lago Grey, die direkt am Hotel beginnt und als Loop etwa zwei Stunden dauert.
Der Weg führt zunächst am Fluss entlang, wir sind fasziniert von einer kleinen Ente, die sich tapfer gegen den reißenden Strom stemmt und immer wieder blitzschnell abtaucht. Sturzbachenten (Torrent Duck) sind, so lernen wir später auf Nachfrage, nicht nur ziemlich eigenbrötlerisch, sondern auch Zeichen eines intakten Ökosystems. Das ist ja mal eine gute Nachricht!
Durch den Wald, den wir schon vom Vortag kennen, geht es hinunter zum Strand, die Gäste vom Vormittags-Bootstrip sind gerade auf dem Rückweg.
Mittlerweile ist es sonnig und angenehm warm - und herrlich, einfach so die Zeit zu vertrödeln.
Am Ende des Beach Trails liegt rechts das Boot, doch wir biegen nach links ab zum Aussichtspunkt.
Der Blick über den See und auf den Gletscher in der Ferne ist fantastisch. Im Wasser treiben große, blaue Eisblöcke. Was für eine Kulisse!
Die Grey III fährt an uns vorbei, der Nachmittagstrip hat begonnen. Er ist an diesem Tag - anders als bei uns, als morgens die Sonne schien und es später nieselte - die deutlich bessere Wahl.
Ich träume vor mich hin und genieße die Stille, ...
... bis sie plötzlich von einem tiefen, fremdartigen Grollen durchbrochen wird. Ein Erbeben? Ich klammere mich vorsorglich am Boden fest. Dem Grollen folgt ein Knacken und Krachen, und ich bin erst im Bilde, als der Eisberg direkt vor uns erst wie in Zeitlupe kippt und dann regelrecht kollabiert. Wow, was für ein Getöse, das hätten wir uns im Traum nicht vorstellen können!
Als der Wind heftiger wird, schlendern wir langsam zurück. Am See entlang, durch den kleinen Wald, über eine Hängebrücke und dann parallel zum Fluss bis vor die Haustür.
Im Hotel lassen wir es uns gutgehen. Wir holen unserer Bücher, erobern ein Sofa mit Ausblick im Barbereich und bedauern einen Reiseleiter, der verzweifelt versucht, die unterschiedlichen Befindlichkeiten seiner Gäste bei der Essensauswahl zu berücksichtigen. Wir freuen uns auf den nächsten Tag, denn da wollen wir früh raus und in ganz andere Bereiche des Parks vorstoßen - wenn bloß das Wetter mitspielt!