Tsavo Ost - Kenya
In Tsavo-Ost, Kenyas größten Nationalpark haben wir zwei Löwenrudel mehrere Tage begleitet. Hier lebten sie die “Maneater of Tsavo”. Vor über hundert Jahren, beim Bau der Eisenbahn von Nairobi nach Mombasa haben zwei Löwen (Ghost and Darkness) über hundert Bahnarbeiter getötet und zum Teil gefressen. Dieses “erlernte Verhalten” hatte seinen Ursprung in den Zeiten des Sklavenhandels. Tausende von Sklavenkarawanen zogen durch Tsavo zur Küste. Ungefähr 40.000 kranke, verletzte und tote Sklaven wurden zurückgelassen.
Tsavos Löwen haben schnell diese einfache Beute für sich entdeckt. Seit vielen Jahren gibt es keine Attacken mehr auf
Menschen. Tsavo-Ost ist wild, trocken, heiss und henseits des Galana unberührt.
Wenn der Wasserstand des Galana es ermöglicht kann der Fluss auf einer Furt bei den Lugard Falls überquert werden. Oben auf dem “Yatta Plateau” beginnt Tsavos Unendlichkeit. Safarifahrzeuge gibt es hier nicht mehr.
In Tsavo-Ost gibt es M.E. mit die grössten Löwenrudel Afrikas. Das “Voi-Rudel” neunzehn Tiere (September/Oktober 2005). Das „Aruba Rudel“ 17 Tiere. Das sind keineswegs die einzigen Rudel. Leicht erlegbare Beutetiere wie Zebras und Antilopen sind in Tsavo-Ost selten. Besonders zahlreich sind die Büffel in Herden bis zu 500 Tieren. Tsavos Löwen (Löwinnen) haben sich auf die Büffeljagd spezialisiert. Nur ein starkes großes Rudel ist bei der sehr gefährlichen Büffeljagd besonders erfolgreich. Von Mitgliedern des „Tsavo Lions Projekts“ und mit freundlicher Unterstützung der Parkverwaltung informieren wir uns über die letzten Sichtungen und Reviere der Rudel.
Diese Tsavo-Ost Karte ist fast vierzig Jahre alt. Wir benutzen sie noch immer, da sich am Pistennetz kaum etwas geändert hat. Mehr geworden sind die Camps und Lodgen.
1. Tag
Den ganzen Vormittag haben wir in der näheren und weiteren Umgebung der Voi Safari Lodge gesucht. Ab ca. 10:00 Uhr sind die Chancen gering Löwen zu entdecken, da sie den Schatten aufsuchen, dösen und schlafen.
Eigentlich entdecken wir das Rudel per Zufall. Nach dem Lunch in der Voi Safari Lodge, die unser Quartier für die nächste Woche ist, sucht John mit seinem Riesenfernglas den Busch ab - und entdeckt das Rudel in einem Buschdreieck vor der “Pipeline-Piste”. Wir beschliessen um 15:00 Uhr zum Rudel zu fahren. Vorher sprechen wir noch beim Senior Game Warden vor. Obwohl die Büsche niedrig und auseinander stehen, sind die Löwen von den Pisten aus nicht zu entdecken. Johns Augen entgeht nichts. Eine Ohrenspitze über dem Gras, nicht windgerechte Bewegungen in den Büschen - er findet sie relativ schnell. Trotz angestrengtem Suchen, Uli und ich sehen sie nicht. Das Rudel hat sich verstreut. Zwei bis fünf Tiere haben jeweils den dünnen Schatten der trockenen mannshohen Büsche aufgesucht. Alle Tiere machen einen gesunden Eindruck und sind in guter Verfassung. Indikator für den Zustand eines Rudels sind die Jungtiere. Sie sind die letzten die von der Beute fressen dürfen.
Vorsichtig nähern wir uns der ersten Gruppe von fünf Löwinnen. Dort wo die Büsche ein wenig Schatten spenden liegen weitere Löwengruppen. Das Rudel besteht aus neunzehn Tieren, die sich in einem Radius von knapp fünfzig Metern verstreut haben.
An den runden Bäuchen aller ist deutlich zu erkennen, dass sie gestern oder vorgestern einen Büffel erlegt haben müssen. Dann geben sich die Löwen erst einmal der „stillen Freude der Verdauung“ hin. Von vierundzwanzig Stunden können Löwen durchaus achtzehn schlafend oder dösend verbringen.
Die Löwen ignorieren uns völlig. Sie öffnen nicht einmal die Augen. Wer nicht schläft schmust ein wenig.
Sie ist die Größte, die Kräftigste, die Alpha-Löwin, die Rudelführerin. Trotz der Hitze geht sie hin und wieder zu allen Gruppen und tauscht Berührungen, Zärtlichkeiten aus. Die übrige Zeit liegt sie allein, das sind Beobachtungen die wir jeden Tag machen konnten.
Dann kommt die Alpha-Löwin zu unserem Fahrzeug. Ca. zwei Meter entfernt legt sie sich hin.
Sie ist wunderschön.
Top fit. Wir schauen uns lange sehr lange durch die Seitentür an. Ich würde zu gern wissen, was in ihrem Kopf vor sich geht. Nur ihre Augen bewegen sich. Das Fotografieren stört sie nicht im geringsten. In ihrem Gesicht, ihrem Verhalten ist nicht das Geringste von Agression. Ich würde ihr gern das Fell kraulen, ein Küßchen auf den Kopf. Geht nicht, wäre sicherlich der letzte Versuch? Löwen sind ähnlich wie unsere Hauskatzen verschmust. Da sie, ausser sich selbst, niemand sonst zum Schmusen haben, kuscheln sie sich aneinander. Von der ganzen Kuschelei und Schmuserei hält sie sich fern. Etwas lebhafter sind die Halbstarken. Die ein wenig herumtollen. Für uns gibt es keinen Schatten. Obwohl das Hubdach aufgestellt ist und alle Fenster offen sind, wird es im Auto lebhaft warm. Ist das gefährlich? Absolut nicht. In Botswana, Zambia, Südafrika wird schon seit Jahrzehnten in völlig offenen Fahrzeugen zu den “Big Cats” gefahren. Linderung bringt eine leichte Brise.
Ich glaube, wer selbst zu Hause Katzen hat, hat ein anderes Verständnis, Feeling für die “Big Cats”. Manchmal denke ich, die wissen das.
Nach Sonnenuntergang verlassen wir das Rudel.
2. Tag
Sie sind in der Nacht weiter gezogen. Nun müssen wir nach Spuren suchen. Auf dem teilweise betonharten Boden ist das sehr schwer, doch dann entdecken wir Prints an den Pfützen der Pipeline-Road. Sie haben dort getrunken und sind in Richtung des Kanderi Swamp gezogen. Dort wo sie die Piste verlassen haben ist der Boden steinhart. Nun wird es schwer. Nach wenigen Minuten hat John Spuren gefunden. Seinen Augen entgeht nichts. Wenige umgeknickte Grashalme, verschobene trockene Blätter, ein paar Kratzer im Boden. Die Löwen haben sich gradlinig auf die Sumpfregion zu bewegt.
Diese Sumpfregion trocknet nur in sehr regenarmen Jahren völlig aus. Dort gibt es immer grünes Gras und teilweise Wasser. Der Sumpf wird von Elefanten besonders, aber auch von anderem Wild gern aufgesucht.
Etwa beim Abzweig 162 beim trockenen Voi River überscheiden sich die Reviere des “Voi” und des “Aruba” Rudels. Das ist ein Konfliktbereich.
Gegen Mittag finden wir sie. Das Bild ist tagsüber fast immer das Gleiche. Dösend, schlafend im Schatten. Für uns bedeutet das, warten und warten, bis eine den Kopf hebt und die Augen öffnet. Nur so können wir die Fotos schießen, die wir für einen exakten Vergleich/Zählung brauchen. Zum Glück sind sie heute nicht so träge wie am Vortrag.
Blick in den Kanderi Sumpf. Der Boden im Vordergrund bis zu der Baumlinie ist sehr trügerisch und trägt nicht. Die Bäume im Hintergrund sind durch zu hohen Grundwasserstand abgestorben.
Der kleine “Benjamin”. das jüngste Rudelmitglied. Gut genährt, quicklebendig, aber ein wenig schüchtern. Was man hier deutlich sieht, bei jungen Löwen stimmen die Körperproportionen noch nicht. Die Pfoten sind in der Relation zum Körper viel zu groß. Gleichaltrige Spielkameraden hat er nicht. Ist er der einzige Überlebende aus einem Wurf im Rudel? Warum und ob, dass so ist können wir nicht in Erfahrung bringen. Im Rudel sind drei Generationen. Mehrere junge Löwenmänner, die voraussichtlich im nächsten Jahr vertrieben werden, deshalb sind Bestandsschwankungen in den Rudeln völlig normal.
3. Tag
Wieder sind sie abgewandert. Ihr Revier ist für Tsavo relativ klein. Ihre Spuren zu finden ist nun besonders schwer, da die Elefanten alle Spuren vernichtet haben. Wir umfahren den letzten Standort und vergrößern den Radius. Irgendwann müssen wir Spuren finden. Am späten Nachmittag treffen wir auf einer Piste Ranger die das Rudel vor einigen Minuten gesichtet haben. Die Löwen haben, wenige Kilometer entfernt die Piste überquert und sind Richtung Norden gezogen. Die weitere Suche macht keinen Sinn mehr. Die Sonne steht schon dicht über dem Horizont. Nachdem Frühstück und Lunch (wie fast immer) ausfielen, freuen wir uns auf das Dinner und eine (oder zwei) gut gekühlte “Nedderborg Rose” aus Südafrika.
4. Tag
Wo sie sich heute aufhalten werden, können wir nur vermuten. John meint sie sind in etwa an den Platz zurückgekehrt, wo wir sie am ersten Tag fanden, da sie in den nächsten Tagen in ihrem Revier jagen werden. Nach wenigen Kilometern auf der Piste zur Kreuzung 148 finden wir ihre Spuren. Sie haben die Piste von Ost nach West gekreuzt und sind vermutlich ziemlich gradlinig nach Westen gezogen. Gegen Mittag spüren wir sie in Sichtweite der Voi Safari Lodge auf. Da sie in der Tageshitze den Platz nicht wechseln werden, fahren wir zum Lunch in die Lodge.
Nach einem kleinen Mittagsschläfchen sind wir gegen 15:00 Uhr wieder bei ihnen. Im Wesentlichen ist das Bild immer das Gleiche. Sie liegen in kleinen Gruppen im geringen Schatten der Büsche.
Wir haben das Gefühl, diesmal nehmen sie Notiz von uns. Erkennen sie uns? Eine Löwin kommt direkt zum Fahrzeug. Heute sind sie, trotz gleicher Temperaturen wie in den Vortagen nicht so schläfrig. Irgendwie ist Unruhe im Rudel.
Der Ausblick von der Voi Safari Lodge in Tsavos Unendlichkeit ist traumhaft schön. Der Betonkasten ist die erste Lodge welche in Tsavo-Ost gebaut wurde und findet sicherlich nicht die Zustimmung aller. Für uns liegt sie ideal um das “Voi und Aruba Rudel” zu beobachten. Da wir ohnehin nur zum Dinner und Schlafen die Lodge aufsuchen, haben wir keine Probleme mit etwas mehr Betrieb.
Das Revier des Voi Rudels ist das wildreichste in Tsavo. Büffelherden bis zu fünfhundert Tieren sind sehr häufig an den Wasserlöchern zu beobachten.
Noch 4. Tag
Direkt neben der Pipeline-Road leben schon seit Jahren ein paar alte sehr kräftige Büffelbullen. Aufgrund ihrer Größe und Kraft werden sie offensichtlich vom Voi-Löwenrudel nicht gejagt.
5. Tag
Es ist noch dunkel als wir aufbrechen. Doch auf der Pipeline Road und den Wasserlöchern hat sich nichts getan. Wir waren ziemlich sicher das Rudel mit einem gerissenen Büffel zu finden. In der Nacht sind sie nur wenige Kilometer nach Norden gezogen. Auf der Piste können wir deutlich ihre Spuren sehen. Dann haben sie Richtung Norden die Piste verlassen. In Sichtweite der Piste finden wir sie. Über den Tag können wir unsere “Löwenkartei” fotografisch vervollständigen. Am Nachmittag kommen alle Erwachsenen Löwinnen zu unserem Auto. Bei uns entsteht der Eindruck, eine gewisse Vertrautheit stellt sich ein. Die schon am Vortag beobachtete Unruhe im Rudel kommt am Nachmittag wieder. John meint in dieser Nacht passiert es.
Fortsetzung folgt - Die Jagd