Der Aufstieg
Vollmond über dem Erta Ale
Vom Basislager bis zum Kraterrand braucht man, wenn man nicht allzu viele Pausen macht, etwa dreieinhalb Stunden.
Im Licht unserer Taschenlampen liefen wir, zunächst ebenerdig, eine Stunde über sandigen Boden. Die Lufttemperatur war in der Nacht immer noch warm, aber nicht mehr extrem. Das dunkle vulkanische Gestein strahlte eine deutlich spürbare Wärme ab, kein Wunder bei der intensiven Sonnenbestrahlung tagsüber.
In der Ferne sah man immer wieder den rötlichen Schein des Vulkanfeuers. Über uns war der Himmel sternenklar und wir hatten Glück, dass ein strahlender Vollmond die düstere Landschaft erhellte.
Dann ging es über Lavafelder stetig nach oben. Der Aufstieg war technisch recht einfach, es gab keine überdurchschnittlich schwierige oder steile Abschnitte. Lediglich auf das Lavageröll musste man aufpassen um nicht zu stolpern. Verglichen mit dem Nyiragongo Vulkan (D.R.Kongo), den ich 2016 bestieg und der ein ganz anderes Kaliber war, ist der Aufstieg zum Krater des Erta Ale fast ein Spaziergang.
Aufstieg zum Krater
Kurz vor dem Gipfel mussten wir anhalten. Wir sahen, nur noch durch ein letztes Lavafeld getrennt, glühende Gaswolken aus dem Berg lodern. Unser Vulkan-Guide erklärte, dass der Wind momentan ungünstig stünde und es wegen giftiger Dämpfe zu gefährlich wäre weiterzugehen.
Voller Ungeduld warteten wir etwa eine Stunde, bis das OK zum Aufbruch kam. Immer wieder wurde das Atmen durch die vulkanischen Dämpfe erschwert. Um mich herum in der Dunkelheit hörte ich die anderen hüsteln und husten.
Um direkt zum Kraterrand zu gelangen, mussten wir ein frisches Lavafeld überqueren. Dieses Lavafeld entstand im Januar 2017, als der Erta Ale eine beträchtliche Menge Lava ausspuckte. Dabei wurde ein Übernachtungslager in der Nähe des Kraterrandes zerstört.
Unser Guide ging voran und wir mussten hinter ihm in einer Reihe laufen. Unter den Sohlen knirschte es bei jedem Schritt und es bestand ständig die Gefahr irgendwo einzubrechen.
Am Kraterrand
Und dann standen wir plötzlich am Rand dieses mächtigen, brodelnden Kessels.
Welch überwältigender Anblick!
Unter uns kochte, glühte und dampfte es. Zeitweise war der Rauch so stark, dass man kaum etwas erkennen konnte. Dann lichtete er sich und man hatte freien Blick in das Inferno. Immer wieder wehten übelriechende, ätzende Gase aus dem Höllenschlund, die uns für Minuten das Atmen schwermachten. Unser Vulkan-Guide rief uns dann zu, wir sollten uns ducken oder flach auf den Boden legen.
Aber nicht nur der Spektakel im Krater war faszinierend, von hier oben konnten wir weit in die vom Vollmond beschienene Danakilebene blicken. Nirgendwo ein Zeichen von Leben oder Zivilsation, nur Sand, Steine und die düsteren Schatten ferner Berge. Wieder hatte ich das Gefühl, auf einem anderen Planeten, oder weit zurück in der Erdgeschichte zu sein.
Die Nacht verbrachten wir in einem Lager unter freiem Himmel, ein paar hundert Meter vom Krater entfernt. Man hatte das Geröll ein wenig auf die Seite geräumt und Matratzen auf den Boden gelegt. Während ich einschlief wehten immer wieder schweflige Dämpfe zu uns herüber.
Der Abstieg erfolgte frühmorgens, vor Sonnenaufgang.