Dann entdeckte sie talabwärts plötzlich etwas und ging in den Pirschmodus über.
Wir konnten dort nichts erkennen, auch nicht mit dem Fernglas. Ihre Augen waren jedoch ganz klar auf einen einzelnen Punkt fixiert. Langsam schlich sie Richtung Beute, wechselte dann in diesem unverkennbaren, geduckten Gang einer Katze-auf-Killerkurs die Uferseite. Und landete damit direkt vor unserer Nase.
Dort versteckte sie sich hinter einem dicken Ast. Die beiden Cubs hinter ihr. Inzwischen konnte wir in weeeeeiter Ferne einen einzelnen, durch das Hitzeflimmern verzerrten Springbok erkennen. Er hielt sich lange am Batulama-Wasserloch auf, wahrscheinlich, weil es dort einen Salt Lick gibt. Hanri hatte sich inzwischen sogar wieder aufgesetzt und wartete geduldig darauf, dass es weiterging. Nach einer gefühlten Ewigkeit brach der Bock dann auf und trottete weiter, Richtung Cheetah. Aber er war sehr vorsichtig. Wir dachten, vielleicht haben die Beutetiere inzwischen gelernt, dass ein Dutzend weiße Autos die Anwesenheit eines Raubtiers bedeutet…? Man weiß es nicht.
Es war also eine Art High-Noon-Situation. Der Springbok tappte langsam aber sicher in die Falle. Die Kulisse: Hinten durch die Düne klar begrenzt, nach links und rechts das bis ins Unendliche offene Flussbett. Wo sollten wir uns positionieren? Bei Hanri standen inzwischen wirklich viele Autos, einige davon mit Anhänger - denen gelang das Rangieren nicht so gut, sie blockierten sich laufend gegenseitig. Entweder aus Selbstsucht oder Ahnungslosigkeit. Richtung Springbok waren deutlich weniger Autos, darunter auch die Fotografin, die uns vor ein paar Tagen auf den Meerkat-Bau mit den Jungen aufmerksam gemacht hatte. Vielleicht wusste sie aus Erfahrung, dass die Antilope in die entgegengesetzte Richtung fliehen würde - also weg von der Katze statt an ihr vorbei - und ihr damit direkt vor die Linse? Wir beschlossen genau in der Mitte zwischen Raubkatze und Beutetier stehen zu bleiben. Das war eine sehr gute Entscheidung.
Wir warteten. Und warteten. Motor aus. Klima aus. Strumpfhose zu dick. Alles heiß. Schweißhände. Ich legte die Kamera ab - die Jagd wollte ich live erleben, nicht durch den Sucher. Hanri und die Cubs hatten sich inzwischen wieder unsichtbar gemacht. Schritt für Schritt näherte sich der Springbok der Gepardenfamilie. Blieb immer wieder stehen. Ging dann langsam weiter. Blieb stehen. Ging weiter. Und PENG - da schoß Hanri aus dem Gebüsch hervor! Zeitgleich machte der Springbok eine 180-Grad-Drehung und sprintete mit gigantischen Sätzen davon. Unfassbar, wie schnell dieses Tier war. Die lang gestreckten, schlanken Beine katapultierten ihn derartig durchs Flusstal, dass ich seine Geschwindigkeit nicht wirklich verarbeiten konnte. Aber die Katze - unglaublich, unfassbar, ich bekomme immer noch Gänsehaut - war schneller. Viel schneller. Da wir genau mittig standen, konnten wir die Verfolgungsjagd direkt von der Seite beobachten und sehen, wie der Vorsprung der davon zischenden Antilope mit konstanter, unaufhaltsamer, gruseliger Gewissheit auf nichts schrumpfte. Hanri war nach zwei, drei Atemzügen nur einen knappen Meter hinter dem Bock. Da lief er die steile Dünenwand hoch. Und sie brach die Jagd ab.
Wir waren fix und fertig. Plakativer kann eine Demonstration der Schnelligkeit dieser Tiere nicht sein. Ich kann es immer noch nicht ganz fassen - es wirkte fast wie ein Spezialeffekt beim Film. Ebenso plakativ war, dass Hanri die Geschwindigkeit nur kurz halten und ihr Limit nicht mal um einen einzigen Meter überschreiten konnte. Denn am Ende haben nur ca. 50 cm gefehlt, um sich und ihren beiden Jungen eine stattliche Mahlzeit zu bescheren. Sie ging leer aus. Wir definitiv nicht.
Nach dem Spektakel legte sie sich gemächlich in den Schatten eines Baumes mit ihren Cubs. Der Springbok stand zitternd weit hinter Batulama und schnaubte laute Warnrufe Richtung Norden. Wir kehrten verschwitzt, durstig, hungrig und überglücklich nach Urikaruus zurück.