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THEMA: Mpayathutlwa Symphonie
13 Feb 2020 21:54 #580057
  • ElenaHanak
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Mpayathutlwa Symphonie

Ein paar Daten zu Beginn: Mabuasehube grenzt an den Botswana Teil vom Kgalagadi Transfrontier Park. Zusammen ergibt das etwa ein Areal der Größe Slowenien. Die Bevölkerungsdichte ist 0 Einwohner/km2 und zur gleichen Zeit halten sich dort maximal 200 Besucher mit ca. 100 Autos auf, weil mehr dürfen zur gleichen Zeit nicht hinein.

Der Wagen fuhr nach oben auf die Düne und dann wieder nach unten wie auf einer Schaukel. Da und dort lagen alte Bäume und die späte Sonne zeichnete die Strukturen der Rinde in rötlichen Tönen ab und das gelbe Gras blitze auf orangenem Sand.
„Nein, nein, das ist doch nur eine normale Landschaft! Denk nicht daran dich in Mabua zu verlieben!“, dachte ich.
Aber ich aß mit den Augen diese karge, raue und fast magische Halbwüste, ich trank ihre Stille als ob es Wasser wäre und ich genoss jeden Augenblick, den ich erlebte. Es war unmöglich sich nicht in Mabuasehube oder kurz Mabua zu verlieben.





Plötzlich kamen wir zu einer riesigen Pfanne, ein von Dünen umarmtes Feld. Eine Herde von über 80 Gnus zog zum nahen Wasserloch. Wir standen oben und beobachteten sie wie von einer Theaterloge.

Diese Atemberaubende Aussicht gehörte zum Mpayathutlwa Campingplatz Nummer eins oder Mpaya-1. Außer Aussicht gab es ein A-Frame (Dach auf Stelzen) der uns während des Tages Schatten spendete. Etwas entfernt davon befand sich wie eine Festung gebaute Toilette und eine Dusche mit einem Wasserbecken. Um die Dusche herum stand ein Zaun aus Holz in grüner Farbe mit einem rechteckigen Loch.

„Das Loch ist dazu da, dass man sieht, ob die Dusche bereits von einem Löwen besetzt ist“, erklärt uns Cedric, ein Schweitzer der nach Südafrika umgezogen ist und in Mpaya-1 mit seinem Bekannten, Kameramann Rudi aus Deutschland zwei Tage vor uns war. Ich habe mir schnell die gelben Augen und große Nase des Löwen im Zaunloch vorgestellt, und mich gefragt, was ich in so einem Moment getan hätte …







Die Dusche war über 20m von A-Frame entfernt. Wir suchten ein Platz für unser Zelt. Und wir fanden ihn im Schatten eines Baumes, wo sich auch ein anderer schräg stehender Baum befand. Gegenüber dem A-Frame lag eine Vogeltränke.

„Da kommt eine Braune Hyäne am Abend zwischen zehn und elf zum Trinken“, sagte Cedric und zeigte uns ein Video, wo ein haariges Geschöpf gierig das Wasser trank. Hinter langen Haaren blitzten eine schwarze Nase und gestreifte Pfoten.

Bevor ich nach Mabuasehube kam, habe ich nie eine Braune Hyäne gesehen und auf unserem ersten Camping Platz hat sich eine nur kurz gezeigt, sodass ich kein Bild von ihr machen konnte. Ich war froh! Heute kann ich meine Trap-Camera gegenüber der Vogeltränke aufstellen und mit etwas Glück meine ersehnte Brauni ablichten!

Am Abend wurde gegrillt und ich machte ein paar Sternen-Fotos. Im Osten Richtung Gaborone sammelten sich die Wolken und es blitzte. Aufgrund der Tatsache,dass es einen Tag davor auch geblitzt hatte, aber kein Tropfen gefallen war, machte ich mir über das Gewitter keine Gedanken, obwohl es angenehm nach Regen roch.

Abends haben wir die Fenster von unserem Zelt nicht gegen Regen geschlossen. Ich hoffte, durch das Netz meine Braune Hyäne sehen zu können. Wir waren noch vor Elf im Zelt, denn ich wollte die Hyäne nicht missen.

Mein Partner Hans schlief gleich an. Es vergingen vielleicht 10 Minuten als ich Schlürfen hörte: ein Tier trank! Die Trap-Camera hatte geblitzt.
„Hans! Wach auf! Die Hyäne ist da!“, flüsterte ich ganz aufgeregt. Aber in diesem Moment hörte ich ein leises tiefes Knurren …
„Ist es…… wirklich?“, ich schob diesen Gedanke beiseite.

Hans nahm die Taschenlampe, öffnete ein bisschen den Zelteingang und leuchtete Richtung Vogeltränke. Ein riesiger Löwe saß dort, die Tränke - zwischen den Pfoten und trank.

Nachdem der Löwe sein ersten Durst gestillt hatte, begann er zu brüllen. Falls ihr nie eines wilden Löwen zwei Meter von Euch entfernt brüllen gehört habt… Es ist sehr laut und beindruckend, wenn der Löwe allen Tieren sein Anwesen und sein Anspruch auf sein Territorium verkündet. Der Löwe, im besten Alter, schön und mächtig will es auch vermitteln. Tja.. Man fühlt die Vibrationen in der Brust, im Hals, in den Haaren und in den Nagelspitzen. Man ist wie hypnotisiert.

Ich saß da und bewegte mich nicht. Wahrscheinlich atmete ich auch nicht. Plötzlich antwortete ein anderer Löwe und sie brüllten im Duett. Ich hörte wie der zweite Löwe um das Zelt kreiste und zur Tränke ging.





Inzwischen näherte sich der Sturm. Es war noch kein Donner zu hören, aber es blitze von allen Seiten. Die Dunkelheit zwischen den Blitzen kam mir noch dunkler vor. Es war wie ein schwarzes Loch unterbrochen mit von Blitzen ausgeleuchteten Bildern von Löwen. Einmal waren sie rechts. Dann war es schwarz. Und dann links… Und dann plötzlich ganz nah am Zelt. Ein Löwe ging zum schräg stehenden Baum. Es war ein Löwenkratzbaum! Wie konnte ich es übersehen? In nächster Minute hörte ich wie seine Krallen die Rinde rissen. Es blitzte and ich sah ihn als majestätische Silhouette mit prächtiger Mähne und langem Schwanz auf dem Baum stehend. Uns trennte nur 1 mm Zelttuch und 1m Luft. Ja, er war der King hier.

Wenn er zurück ging hörte ich den Sand sich unter seinen Pfoten knirschen. Ich hörte sein Atem und hatte so ein Gefühl, dass ich sein Fell mit meiner Haut spüre – so nah war er. Es war ein Moment der besonderen Intimität zwischen mir als Tier und ihm dem König, meine Sinne waren geschärft, mein Gehirn abgeschaltet und ich schwebte in der Zeitlosigkeit. Ich hatte Angst aber noch mehr war ich überwältigt von Bewunderung und Respekt.

„Du kannst nicht schlafen?“, - ich kehrte zurück vom Universe und sah vor Glück glitzernde Augen von Hans. Schlafen?? Ich hörte mein Herz rasen.
„Sie tun nichts Böses, wenn die Menschen im Zelt sind“, fuhr er fort. Ich dachte, na hoffentlich weiß das der Löwe auch.
„Und falls doch?“, dachte ich, - „sollte ich die erste sein?“ Und wie fühlt es sich überhaupt an, von Löwen getötet zu sein? Wenig beruhigend, dass unser Zelt so klein war, dass der Löwe gar nicht hinein passte.

Ich hörte ein Brüllen von fern. Unser Duo antwortete. Es war eine Löwin, die auch trinken wollte und sich den zwei anderen Löwen anschloss. Jetzt waren es drei, die unser Zelt bewachten.



„Ohh, ich mag Mabua!“, hörte ich Hans sagen.

Die ersten Tropfen fielen auf das Zelt. Ich berührte das Zelttuch. Es war kalt. Irgendwo hinter dem Tuch waren drei Löwen. Drei Killing-Machines oder doch nicht? Groß, schwer und voll von Muskeln, Krallen und Zähnen. Ich lauschte. Ich wusste nicht was unser Trio gerade tut.

Über dem Kopf explodierte der Donner. Die Tropfen starteten öfter zu klopfen. Unsere Fenster waren nur durch das Netz geschlossen, die Abdeckung war offen und erste Tropfen fielen in das Zelt herein. Ich zog die Beine an und versuchte an Regen und nicht an Löwen zu denken.

Nach eine Stunde war es ziemlich nass im Zelt. Hans öffnete den Zip und leuchtete mit Taschenlampe raus. Es war eine dunkle schwarze Nacht im Lampenlicht reflektierten die Striche vom starken Regen. Niemand war da. Hans ging raus und schloss die Fensterabdeckungen.

Es war hell, als Hans mich aufweckte. In der Sicherheit vom Morgenlicht war es gut zu schlafen. Obwohl wer weiß, wann es im Afrikanischen Busch sicher ist?



„Wie war die Nacht?“, Cedric grinste im ganzen Gesicht.
„Ja, sie waren auch bei uns!“, saget er, „aber wo können sie jetzt sein?“

Cedric und Rudi gingen auf Pfirschfahrt, um die Löwen zu suchen. Wir untersuchten unsere Dusche und fanden Fußspuren vom Leoparden. Sie waren in den nassem Sand geprägt. Er oder sie war nach dem Regen in der Dusche trinken. Das Regenwasser ist gleich im Sand versickert, blieb aber in der Betonwanne der Dusche. Es hatte im Vorjahr sehr wenig geregnet. Die Dürre machte alles noch mehr karg und harsch und ein wenig Regen hatte nicht viel geändert.





Am Abend hatte sich der Wind gedreht und kam nun aus Süd-West, obwohl es in Richtung Gaborone noch immer blitzte. Die schwarzen schweren Wolken zogen sich von allen Seiten zusammen. Der Wind wurde so stark, dass ich dachte er reißt unser Zelt weg. Blitze tanzten über uns und alles sah so aus als ob Mpayathutlwa ein Treffpunkt von Teufeln und Göttern wäre, sie zog die schwarze Wolken mit Blitzen zu sich wie ein Strudel.





Wir haben alles befestigt und gleich die Fenster vom Zelt geschlossen. Und da lagen wir in totaler Dunkelheit. Plötzlich war der Wind still. Und diese Stille war etwas wie eine Pause vor etwas Besonderem… Wie, wenn das Publikum im Konzertsaal verstummt, sobald der Dirigent seinen Stab hebt. Alle werden wie hypnotisiert in der Erwartung eines Wunders, etwas für das es sich zu leben lohnt. Aber der Dirigent steht noch immer still und in dieser Minute denkt man an Lebenswerte und schöne Momente, man vergisst die Sorgen oder man macht den Kopf ganz frei von Gedanken. Nur der Lebensfluss bleibt. Man spürt die Zeit. Diese Minute. Die Existenz. Man ist die Zeit. Und dann macht der Dirigent eine Bewegung….

Aber dann fiel der Himmel herunter, brach auf, und hunderte Schlagzeuge galoppierten zu meinen Ohren. Blitze drängten durch die geschlossenen Fenster. Und dann wieder ein Blitz mit gewaltigem Donner. Es war als ob sich die Pforten der Hölle öffneten. „Des Teufels Hochzeit“, dachte ich. Ich spürte den Donner mit ganzem Leib und ich war in der Mitte dieses kochenden Topfs. Ich war ein Mitspieler in diesem großartigen Theaterstück, dieser Symphonie von Gott und Teufel.

„Jetzt erlebst Du ein richtiges Kalahari Gewitter“, sagte ich zu Hans, so als ob ich im nächsten Moment für diese Symphonie applaudieren wollte.
„Die Löwen waren besser.“ antwortete er leise.
„Nein, Das Gewitter ist besser!“ widersprach ich aufgeregt.
„Hast Du Angst?“ fügte ich spöttisch mit Lächeln hinzu und dachte an die Nacht davor.
Der Regen goss wie aus einem großen Kübel. Es waren keine Strahlen, es war ein Wasserfall. Ich überlegte ob unser Zelt es wohl aushält.
„Was hast Du gesagt, wie viele mm regnet es im Jahr in Kalahari?“ fragte mich Hans.
„350“, antwortete ich und dachte, dass sie alle gleich jetzt kämen.

Ich dachte, dass die Löwen während Gewitter nicht kommen. Stimmt, sie waren nicht da. Was für eine Katze geht raus bei so einem Wetter? Eure? Aber das Gewitter hatte eine oder zwei Stunden vor Morgendämmerung aufgehört und dann hörte ich dieses Solo: „Urrrha, urrr, urr, ur, ur“. Was wäre es für ein Konzert ohne Arie der Diva? Die Löwin vom Vortag war wieder da. Was für ein perfekter Abschluss! Ihre Stimme stand den Männern nicht nach. Sie haben etwas ähnliches, etwas Gemeinsames - die Kalahari Löwen und das Kalahari Gewitter.



Als die Sonne ihre ersten Strahlen zeigte, kamen wir aus dem Zelt. Die ganze Mpayathutlwa Pfanne, dieses Feld war voll vom Wasser. Drei Kudus gingen durch die Pfanne und brachen ihr Spiegelbild im Wasser in tausende Diamanten, die in der Sonne glitzerten. Für sie waren es die richtigen, die echten, die teuersten von allen Diamanten - Wasser.
Mein Herz füllte sich mit Freude.
In zwei Tagen wird die nun geflutete Pfanne ein riesiges grünen Feld. Ich dachte an den Springbock, der die nur drei Tage bis diesen schönen Moment nicht überlebte. Aber das ist schon eine andere Geschichte.

Letzte Änderung: 14 Feb 2020 21:50 von ElenaHanak.
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14 Feb 2020 07:07 #580070
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Wunderschön geschrieben! Danke schön!!
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14 Feb 2020 07:21 #580072
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Danke für diesen wunderbaren Bericht!

Und ja, ich weiß, wie es sich anfühlt Löwen direkt neben sich zu hören und zu spüren: beängstigend, berauschend - einfach wundervoll.

LG
Jambotessy
Nur im Vorwärtsgehen gelangt man ans Ende der Reise.
(Sprichwort der Ovambo)

1x Togo + Benin (mit TUI), 1x Ruanda + Zaire ( mit Explorer Reisen), 3x Kenia (in Eigenregie mit dem Bodenzelt), 19 x südl. Afrika (in Eigenregie Namibia, Botswana, Zimbabwe, Sambia, Südafrika/ 17x mit dem Dachzelt und 2x ohne Dachzelt)
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14 Feb 2020 12:47 #580097
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  • Cruiser am 14 Feb 2020 12:47
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Sehr schön geschrieben. Danke. B)

Wir waren dort, gleiche Campsite, Anfang Januar für 6 Nächte und hatten jeden Tag Löwen im Camp und der Gegend.
Mit die beste Campsite in Mabua, dafür aber schwer zu bekommen.

Sind wieder dort im September.
Best Regards
Adolf
Conservation is our passion!

Trustee, Sponsor & SA Contact for 'Desert Lion Conservation'!
Sponsor of Desert Elephant Conservation.
Hobby: Land Cruiser Touring Vehicles. Member of the LCCSA.
Slogan: Tread lightly, leave nothing but your foot prints!
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14 Feb 2020 12:51 #580098
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  • fidel am 14 Feb 2020 12:51
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Hallo,
vielen dank für die wundervolle Erzählung, sehr spannend zu lesen und toll bebildert.

Nur aus Neugier: die "Vogeltränke" von der du schriebst, musste vermutlich aktiv mit Wasser gefüllt werden um "Vögel" anzulocken?

In diesem Fall ist das m.E. ein absolutes No-Go bewusst Wasser für Löwen, Hyänen etc. einzulassen. Genauso wie die Dusche laufen zu lassen, damit sich Wasser im Auslauf sammelt und Löwen etc. anlockt - auch wenn das scheinbar verbreitet ist. Das führt über kurz oder lang zu massiven Problemen und wird über kurz oder lang mit schweren Verletzungen o. Tod für Mensch, insbesondere aber Tier enden. Siehe auch hier. Derart unverantwortliches Verhalten dann in einem Forum zu bewerben, wäre mehr als nur verantwortungslos.

Sofern das bei euch nicht der Fall war, sondern es sich um eine vom DWNP mittels Pumpe etc. betriebenes Wasserloch handelt, beachte meinen Einwand bitte als gegenstandslos - ich war noch nie auf dieser Campsite, daher mein Interesse.


Viele Grüße
fidel
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14 Feb 2020 12:55 #580099
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  • Mabe am 14 Feb 2020 12:55
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Ganz tolle Bilder und eine so erfrischende Art der Schilderung!

Danke

Mabe
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