THEMA: Namibia - Erste Reise und Eindrücke, viele Fragen
09 Mai 2018 15:20 #520881
  • joeys
  • joeyss Avatar
  • Beiträge: 7
  • Dank erhalten: 14
  • joeys am 09 Mai 2018 15:20
  • joeyss Avatar
Da es schon viele großartige Reiseberichte zu den bekannten Sehenswürdigkeiten und Orten gibt, konzentriere ich mich bei meinem Reisebericht auf unchronlogische persönliche Erlebnisse, Gefühle und eingefangene Stimmungen und auf Dinge, wo unsere Erfahrungen sich nicht mit denen aus anderen Reiseberichten deckten. Vielleicht ist das keine Ausnahme, dass wir mit mehr Fragen gegangen als gekommen sind?

Windhoek
Das Straßenleben im Zentrum von Windhoek hat ein angenehmes Kleinstadtflair. Herausgestochen hat das rege Leben vor den Geldautomaten, wo regelmäßig kleinere Gruppen standen und Schlangen von 10-15 Menschen keine Seltenheit waren. Auch waren die Banken meist belebter als die umliegenden Geschäfte. Eine Antwort darauf haben wir nicht gefunden. Werden die Tantiemen hier vielleicht täglich gezahlt? Ein erster deutlicher Unterschied zu westeuropäischen Kleinstädten wurde beim Besuch von Katutura deutlich, als wir zum ersten Mal die dicht aneinandergereihten Wellblechhütten und das sich davor abspielende Straßenleben erblickten. Hier gab es nichts mehr was an Zuhause erinnerte. Um etwas in die Kultur einzutauchen, besuchten wir einen dort ansässigen Barber-Shop Ein mit Wellblech notdürftig zusammengezimmerter, schiefer Container, auf den mit schwarzer Farbe “JAL’S BARBER SHOP” gesprüht war. Auf der Vorderseite war ein Stück aus dem Wellbech herausgeschnitten worden, dass als provisorisches Fenster diente. Im engen, heißen Innenraum saßen zwei Frauen und ein Mann, in der Ecke ratterte ein großer Ventilator. Die Frauen flochteten die Haare zwei junger Mädchen, während der Mann auf seinem Handy spielte. Meine Freundin lies sich einen Teil der Haare flechten, bei mir sollte es nur etwas kürzer werden. Erst als ich auf dem Stuhl platz nahm, bemerkte ich, dass nirgendwo Scheren lagen. Tja, wofür auch? Bei krausen Afrohaaren (nennt man das so?) sind Maschinen wesentlich praktischer. Zum Glück fand der Barber in einer der unteren Schubladen einen etwas längeren Aufsatz, vielleicht so 15mm. Wir kamen langsam ins Gespräch, vor allem die beiden Frauen waren sichtbar glücklich über unseren Besuch und wir unterhielten uns während des fast zweistündigen Aufenthaltes sehr nett und hatten nebenbei eine Menge Spaß. Und lehreich war es auch noch, so kann ich jetzt Rastazöpfe von Dreadlocks unterscheiden und weiß wie Nubian Knots gedreht werden. Die Flecht-Frisur meiner Freundin war im Ergebnis etwas ungewohnt, aber auf dem zweiten Blick schick. Bei mir sah es, nunja, wie eben nach einem 15mm Maschinenhaarschnitt aus, nicht aufregend, aber für die Hitze in den folgenden Tagen eine solide, praktische Lösung. Die Frauen verzichteten überraschend auf Geld, wollten aber Fotos machen. Wir gaben trotzdem 100 NAD, wir wussten noch nicht was üblich ist und wieviel 100 NAD sind, aber alle schienen glücklich zu sein. Und das ist die Hauptsache.


voilà - die Frisur sitzt


In Windhoek, ob auf der Indepence Avenue, in Katatura oder den anderen Randbezirken haben wir uns oft gefragt, was die (jungen) Einheimischen so in ihrer Freizeit machen? Bis auf ein paar spärlich eingerichtete Liquor-Shops mit integrierter Bar und alten Röhrenfernsehern auf denen Live-Sport, meistens Fußball oder Football, übertragen wurde, haben wir nicht viel mehr entdeckt. Auffallend war auch, dass dort, bis auf das Personal, ausschließlich schwarze Männer zu finden waren. Keine Weißen, kein frischverliebtes, sich liebkosendes schwarzes junges Päärchen, nicht einmal Rucksacktouristen. Nur Zufall? Bei den Besuch der Bars zogen wir jedenfalls staunende Blicke auf uns, als würde der Besuch eines jungen, weißen Päärchens nicht sehr oft vorkommen. Wir wurden aber immer sehr höflich behandelt. Auch wenn die namibische Höflichkeit eine ganz andere ist wie die südostasiatische, sie wirkt etwas distanzierter, hat aber etwas grundauf ehrliches.

Meine Freundin zog viele Blicke auf sich. Wenn ich nicht dabei war, im Supermarkt oder wenn sie an der Tankstelle mal auf das stille Örtchen musste, wurde sie oft von jungen Männern angesprochen und nach der Telefonnummer gefragt. Aber nur einmal kam es zu einer unangenehmen Situation, wo im Supermarkt ein junger Mann beim Vorbeigehen über die Arme meiner Freundin streichelte. Sie fühlte sich insgesamt nicht so sicher, dass sie alleine losgehen wollte. Bei mir entwickelte sich ein mulmiges Gefühl erst zu Beginn und dann zunehmend im Zeitschritt mit der Abenddämmerung. Auf unserer kleinen Erstreise erlebten wir aber nie eine wirklich brenzlige oder kritische Situation (mit Menschen). Im Supermarkt wurde meine Freundin von einem Mädchen angesprochen, die unbedingt ein Foto mit ihr wollte. Doch dabei blieb es nicht, es entwickelte sich schnell ein kleines Shooting. Nachdem alle Familienmigliedern aller Familiengenerationen ihr persönliches Foto gemacht hatten, ging es weiter. Lag es an der außergewöhnlichen neuen Frisur oder habe ich einfach eine verdammt hübsche Freudin? Wohl beides :-)

Ich weiß nicht ob es nur an mir liegt, aber ich konnte mich an die normale Begrüßungsformel “how are you?” nicht so richtig gewöhnen. Ich tat mich echt schwer darauf eine passende Antwort zu finden. Anfangs war´s dann einfach ein “very well, and u?”. Das wirkte aber immer so aufgesetzt und künstlich. Später wurde ich etwas kreativer und es gab den ein oder anderen authentischeren Kontakt. (Ich mag auch das deutsche “wie gehts dir?” zu Begrüßung nicht, mir ist da ein schlichtes “Hallo” lieber - oder eben ein echtes “wie gehts dir?” - dann aber wahlweise mit Rotwein oder einem kühlen Hellen und etwas Zeit :-)

Diese Boys, die beim Parken auf dich zukommen um dein Auto zu bewachen, wirkten anfangs sehr nervig. Auch weil ich das Gefühl hatte, dass sie mehr am Autoinneren interessiert waren, als auf die Sicherheit des Autos selbst. Nach einigen Tagen hatte ich aber den Bogen raus und ich gab mir Mühe, diese nervige, eintönige Angelegenheit etwas interessanter zu gestalten. Nach dem Aussteigen, steckte ich vor den offenen Augen des Parkboys selbst kleine zusammengerollte Zettel hinter die Windschutzscheibe, darauf mehr oder weniger lustige Sprüche wie “CIA watched car”, “Only fools do read this”, “Paid already - Robert Mugabe”. Die Parkboys waren neugierig nahmen die Zettelchen und so entwickelten sich einige abwechslungsreichere Gespräche, die manchmal in herzlichen (beiderseitigen!) Lachanfällen endeten. Kleingeld habe ich dennoch immer gegeben. Oft waren die Parkboys aber nur an meinen T-Shirts interessiert. Vielleicht merkwürdig: Mir ist auch aufgefallen, dass wenn beide herzhaft lachen, ein freundlicher Klaps auf den Nacken des Gegenüber sehr warmherzig aufgenommen wird, das scheint zu schmeicheln (Ohne Gewähr!)


Tolle Aussicht vom Waterberg


Die “höre ich da etwa meine Sprache?” - DDR -Jungs in der Nähe der Christuskirche haben uns auch gefunden. Glücklicherweise kannte ich die Geschichte schon aus dem Forum und habe deshalb gebeten, dass wir die imaginäre Planung der Kunstaustellung einfach überspringen und sie mir von ihrem jetzigen Leben was erzählen. Das war nett und interessant. Hauptthema war die Apartheid und wie sie aktuell politisch modifiziert wurde (kann man das so sagen?). Ich erzählte dann auch etwas über Südost-Asien und warum ich die dortige Kultur so liebe, die beiden Jungs zeigten überrascht viel Interesse und stellten einige unerwartet gute Fragen. Ich wollte zum Abschluss mit 100 NAD danken, doch die Jungs wollten lieber mein T-Shirt. Okay. Dennoch vermieden wir es weiteren DDR-Kids eine Gesprächsgrundlage zu bieten, indem wir in uns in der Nähe der Christuskirche nur noch laut in einer nicht existenten Fabelsprache unterhielten.

Ein bisschen was Allgemeines:

Joes Bierbar in Windhoek hat einen tollen Charme und eine schöne Atmosphäre, von einem kulinarischen (Geheim-)Tip ist es unserer Meinung nach aber weit entfernt. Da es in Windhoek aber nicht soviel Nacht- bzw. Barleben gibt und hier wohl oft und zu fast jeder Tagezeit was los ist, trotzdem einen Stopp wert.

Das Urban Camp in Windhoek hat uns super gefallen, eine wirklich tolle Atmosphäre und unser Tipp für den Beginn einer Nambia-Reise.

Das war Windhoek. Grandios!
Letzte Änderung: 10 Mai 2018 00:04 von joeys.
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
Folgende Benutzer bedankten sich: casimodo, Lotusblume, chamäleon2011, Logi, Old Women, Fortuna77, fiedlix, hhdkram, Rockshandy, 4nachnamibia
09 Mai 2018 15:31 #520882
  • travelNAMIBIA
  • travelNAMIBIAs Avatar
  • Beiträge: 30378
  • Dank erhalten: 28205
  • travelNAMIBIA am 09 Mai 2018 15:31
  • travelNAMIBIAs Avatar
Hi joeys,
Eine Antwort darauf haben wir nicht gefunden. Werden die Tantiemen hier vielleicht täglich gezahlt?
Gehälter werden für ungelernte Arbeiter meist wöchentlich, ansonsten wie auch z.B. in Deutschland üblich, monatlich ausgezahlt. Deshalb siehst Du zwischen dem monatlichen Pay-Day (25. eines jeden Monats) bi etwa Ende der ersten neuen Monatswoche viele Leute an ATMs, in den Einkaufszentren und auch die Restaurants sind deutlich belebter. Die anderen 2-3 Wochen des Monats geht es viel ruhiger zu, da die meisten/viele ihren Monatslohn bereits ausgegeben haben.
Ich weiß nicht ob es nur an mir liegt, aber ich konnte mich an die normale Begrüßungsformel “how are you?”
Ist eine einfache Floskel die keiner Antwort bedarf oder Du kannst einfach mit "How are you?" zurückantworten. Wir sagen das hier eben jedem und überall (in z.B. Deutschland würde man der Kassierin um Supermarkt eher nicht mit "Wie geht es Ihnen?" begegnen... hier schon).

Viele Grüße aus Windhoek
Christian
Vom 27. April bis 23. Mai 2024 nicht im Forum aktiv!
Letzte Änderung: 09 Mai 2018 15:32 von travelNAMIBIA.
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
Folgende Benutzer bedankten sich: Logi
09 Mai 2018 16:11 #520887
  • BikeAfrica
  • BikeAfricas Avatar
  • Beiträge: 6758
  • Dank erhalten: 7029
  • BikeAfrica am 09 Mai 2018 16:11
  • BikeAfricas Avatar
joeys schrieb:
Da es schon viele großartige Reiseberichte zu den bekannten Sehenswürdigkeiten und Orten gibt, konzentriere ich mich bei meinem Reisebericht auf unchronlogische persönliche Erlebnisse, Gefühle und eingefangene Stimmungen

... mir persönlich gefallen solche Erfahrungsberichte viel besser als die "normalen" Reiseberichte und wenn ich Deine Zeilen so lese, glaube ich, ich habt Namibia bereits viel intensiver kennengelernt als viele, die schon 10 mal dort waren.

Ich weiß nicht ob es nur an mir liegt, aber ich konnte mich an die normale Begrüßungsformel “how are you?” nicht so richtig gewöhnen. Ich tat mich echt schwer darauf eine passende Antwort zu finden. Anfangs war´s dann einfach ein “very well, and u?”. Das wirkte aber immer so aufgesetzt und künstlich. Später wurde ich etwas kreativer und es gab den ein oder anderen echten Kontakt. (Ich mag auch das deutsche “wie gehts dir?” zu Begrüßung nicht, mir ist da ein schlichtes “Hallo” lieber - oder eben ein echtes “wie gehts dir?” - dann aber wahlweise mit Rotwein oder einem kühlen Hellen und etwas Zeit :-)

... ein "I'm fine" ist z.B. häufig üblich, aber im Grunde ist es ziemlich egal. Wichtig ist, dass Du es höflich und mit Respekt rüberbringst und das scheinst Du ja zu können. Ein wortloses "Daumen hoch" mit freundlichem Gesichtsausdruck ist sicherlich auch ok.

In anderen Ländern sind solche Begrüßungsfloskeln z.T. noch viel umständlicher. Da willst Du evtl. nur jemandem nach dem Weg fragen und siehst Dich erst einmal einer ganzen Reihe Fragen ausgesetzt. Wie gehts?, wie heißt du?, woher kommst du?, wohin willst du?, bist du verheiratet?, hast du Kinder?, wie geht es der Familie? ...
Dein Gegenüber erwartet dann natürlich auch, dass Du zumindest nach seinem Namen fragst und empfindet es ggf. als unhöflich, wenn man das unterlässt. Das ganze wird begleitet von einer regional manchmal ungewöhnlichen Art des Händeschüttelns. Bis Du dazu kommst, nach dem Weg zu fragen, hast Du schon ein fünfminütiges Gespräch hinter Dir.

Gruß
Wolfgang
Mit dem Fahrrad unterwegs in Namibia, Zambia, Zimbabwe, Malawi, Tanzania, Kenya, Uganda, Kamerun, Ghana, Guinea-Bissau, Senegal, Gambia, Sierra Leone, Rwanda, Südafrika, Eswatini (Swaziland), Jordanien, Thailand, Surinam, Französisch-Guyana, Alaska, Canada, Neuseeland, Europa ...
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
Folgende Benutzer bedankten sich: Logi
09 Mai 2018 22:35 #520923
  • chamäleon2011
  • chamäleon2011s Avatar
  • Beiträge: 2417
  • Dank erhalten: 3065
  • chamäleon2011 am 09 Mai 2018 22:35
  • chamäleon2011s Avatar
Dein Bericht gefällt mir, er ist absolut unterhaltsam und ich finde Euch ganz schön experimentierfreudig (wenn nicht gar mutig). Ich freue mich auf mehr. :laugh:

Liebe Grüße
Karin

P.s. Und ein Foto von Deiner hübschen Freundin mit Flechtfrisur wäre natürlich die Krönung. :woohoo:
Würde sollte niemals ein Konjunktiv sein.

Namibia 2016: Infos zu Auto+Camps+die "Jahrhundertsichtung"
Namibia 2015: Namibia - Mein Seelenland
Namibia und Botswana 2014: Überraschungstour Namibia und Botswana mit Guide
Namibia 2013: Drei Heidjer in Namibia - Guck mal, Elefanten!
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
Folgende Benutzer bedankten sich: Logi
10 Mai 2018 00:15 #520925
  • hhdkram
  • hhdkrams Avatar
  • Beiträge: 469
  • Dank erhalten: 380
  • hhdkram am 10 Mai 2018 00:15
  • hhdkrams Avatar
Ein "gefällt mir" für Dich und Deinen persönlichen Bericht und natürlich ein "gefällt mir" für die junge Dame mit der tollen Frisur! :laugh:
Bin gespannt auf Deine hoffentlich noch folgenden Eindrücke!
Gruß,
Dieter
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
10 Mai 2018 10:20 #520934
  • chamäleon2011
  • chamäleon2011s Avatar
  • Beiträge: 2417
  • Dank erhalten: 3065
  • chamäleon2011 am 09 Mai 2018 22:35
  • chamäleon2011s Avatar
Nun sind die Fotos da, danke. Ich hoffe auf mehr von Deinem Bericht. :cheer:

Liebe Grüße
Karin
Würde sollte niemals ein Konjunktiv sein.

Namibia 2016: Infos zu Auto+Camps+die "Jahrhundertsichtung"
Namibia 2015: Namibia - Mein Seelenland
Namibia und Botswana 2014: Überraschungstour Namibia und Botswana mit Guide
Namibia 2013: Drei Heidjer in Namibia - Guck mal, Elefanten!
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.