Ein Paradies im Busch
Die Nacht ist kurz, um Sieben werden wir abgeholt. Ein schnelles Frühstück, schon sind wir abfahrbereit. Vor dem Hotel treffen wir erstmals unseren Driverguide Ones. Er wirkt sehr sympathisch und ist überdies mit Abraham befreundet, unserem Superguide 2016 in Tansania. Damit sind ihm sämtliche Vorschusslorbeeren gewiss. Etwa 280 Kilometer sind es bis in die Masai Mara, Ones setzt dafür sechs Stunden an. Wir kommen gut voran, die Straße ist in Top-Zustand und relativ frei.
Einen ersten Stopp gibt’s am Riftvalley, dem Großen Grabenbruch. Wir steigen aus und bewundern den imposanten Anblick, in Nairobi war es bewölkt, hier kommt die Sonne durch. Bei etwa 20 Grad fröstle ich fast, im deutschen Supersommer bin ich wohl verweichlicht. Zum Abkühlen nach Afrika, das hatten wir auch noch nicht. In der Masai Mara, weiß Ones zu berichten, sei es immer ein paar Grad wärmer und außerdem trocken. Zumindest mit Teil zwei seiner Prognose liegt er leider falsch.
Ein zweiter Kaffee-Stopp liefert erste Hinweise, dass wir in der Mara keineswegs allein sein werden: Es reiht sich Jeep an Jeep, hauptsächlich Asiaten, durch den obligatorischen Mundschutz bestens geschützt vor Staub, Sonne und Angriffen ferner Galaxien. China ist ohnehin omnipräsent. Sämtliche Baustellen – ob Bahn oder Straße – sind fest in chinesischer Hand, und war die Straße bis hierhin ein Traum, ist damit nun Schluss. Der Asphalt endet, geht über in eine staubige, aber brauchbare Pad, bis wir schließlich in der Baustelle landen.
Mehr als zwei Stunden brettern wir über Stock und Stein, die eigentliche Hauptstrecke, die irgendwann im kommenden Jahr fertig sein soll, ist oft gesperrt und wir müssen auf Fahrrinnen rechts und links davon ausweichen. Ones wie sämtliche Jeep- und LkW-Fahrer zeigt sich unbeeindruckt von den Tücken der rumpligen Behelfspiste und bleibt oft voll auf dem Gas. In den Staubwolken sehen so gut wie nichts, doch mein Vertrauen in Ones‘ fahrerischen Fähigkeiten wird belohnt. Ordentlich durchgerüttelt, aber wohlbehalten bringt er uns an den Eingang der Masai Mara. Ein paar Formalitäten noch, und wir sind drin.
Prompt folgt ein Szenenwechsel, auf den weiten Grasflächen weiden Zebras und Antilopen, so viele Topis haben wir noch nie auf einem Haufen gesehen. Mein Herz hüpft, endlich wieder Safari!
Eine Stunde später ist das Mara Bush Camp die Endstation. Es macht seinem Namen alle Ehre, liegt inmitten der Mara mitten im Busch. Wir werden herzlich begrüßt, freundlich-familiär und so gar nicht aufgesetzt, und fühlen uns auf Anhieb sauwohl. Auch von unserem Zelt sind wir hin und weg. Schon Luxus, aber für unseren Geschmack nicht zuviel davon (nur W-Lan hätte ich im Busch nicht gebraucht...).
Der Knaller aber ist die Lage direkt am Fluss, der in einer Schleife um das Camp herumführt. Der Wasserstand ist trotz einer intensiven Regenzeit niedrig, was sich in einem penetranten Geruch äußert. Dessen Verursacher sind nicht weit:
Als Kind des Ruhrgebiets habe ich schon in den 1970er-Jahren gelernt, dass Geruch eine Frage der Gewöhnung ist. So auch hier. Bei jeder Anfahrt bemerken wir die herbe Note von Neuem, zehn Minuten später ist keine Rede mehr davon. Viel wichtiger ist ohnehin, dass Wasser stets spannende Nachbarn mit sich bringt. Wie diesen hier, der sich erst tagelang nicht von der Stelle rührt und schließlich unbekannt verzieht.
Es zwitschert um uns herum, doch ein durchdringendes Krächzen weckt meinen Forscherdrang. Endlich entdeckt, versetzt mich der Verursacher in Erstaunen. Ich kenne diesen Vogel nur in der Theorie und unter dem Namen Knysna Lourie, hier firmiert er unter Turaco, ist zahlreich vertreten und für uns eine erfreuliche Erstsichtung. Leider wohnen diese Vögel per se im Penthouse der allerhöchsten Bäume und sind so nur schwer zu erwischen. Beim Mittagessen können wir aber immer wieder ihre knallroten Unterfedern (heißt das so?) im Flug bewundern.
Wir essen mit Blick auf den Fluss und seine Bewohner, werden umschwirrt von Vögeln und Schmetterlingen. Was kann es Schöneres geben? Wir sind einfach nur glücklich, dass wir eine ganze Woche in diesem Paradies verbringen werden.
Um 16 Uhr starten wir mit Ones zu unserem ersten richtigen Gamedrive in der Mara, leider hat sich die Sonne verzogen, das Licht ist schlecht. Aber egal, wir sind im Gegensatz zu dieser Dame...
... sowas von motiviert!
Wir sind schon eine Weile unterwegs, da sehen wir etwas unverhofft auf einen Schlag ziemlich viele Autos, dort muss also etwas Besonderes sein. Es soll sich im Laufe der Reise als Fluch und Segen zugleich erweisen, dass der Blick in den freien Flächen der Mara sehr weit reicht. Eine Sichtung bleibt von anderen selten unentdeckt. Diese einzelne Cheetah schon gar nicht. Ein ganzer Blechtross folgt dem Tier dicht auf den Fersen, wir reihen uns hinten ein. Ein Spaß ist das aber nicht, ich bin verwirrt. Nicht so Thomas. "Das fühlt sich falsch an", sagt er. Recht hat er, wir brechen ab - und fühlen uns gleich besser. Ein Abendhoch mit schönstem Licht hilft uns aus der vorübergehenden Tristesse.
Zurück im Camp gönne ich mir am Lagerfeuer auf die Ankunft, den Schreck, den Urlaub und überhaupt alles einen Amarula. Das Essen ist wie schon mittags ein Hammer, gegen Neun lassen wir uns von einem jungen Masai, unserem nächtlichen Wächter für die nächsten Tage, zum Zelt begleiten. Drei Moskitos erlege ich noch, diese Exemplare sind die einzigen Insekten, von denen wir während der gesamten Woche in unserem Interims-Zuhause behelligt werden. Dann singen mich die Hyänen in den Schlaf.