Nyiragongo Fortsetzung
Wir gehen zurück zur Hütte. Unsere Kleider sind wieder durchnässt. Wir verkriechen uns fröstelnd in die Schlafsäcke. Obwohl wir Daunenjacken und Handschuhe angezogen haben, werden wir nicht richtig warm. Es ist schon etwas deprimierend, auf diesem nasskalten, düsteren und nebligen Vulkan zu sitzen. Dann müssen wir eingeschlafen sein. Plötzlich klopft es laut an der Tür. Unser Koch steht draußen und ruft aufgeregt: „Kommt raus, kommt raus, es hat geschneit, kommt hoch zum Krater man kann etwas sehen“
Wir wieder rein in unsere nasskalten Kleider und hoch zum Kraterrand. Es hat tatsächlich geschneit. Die schwarzen Lavafelsen sind von einer dünnen weißen Schneeschicht bedeckt. Der Nebel hat sich etwas gelichtet und als wir am Kraterrand ankommen, sehen wir unter uns einen zaghaften rötlichen Schein durch Rauch und Dunstschleier dringen.
Zunächst ist es nur ein vages Leuchten im wabernden Dunst. Doch sobald der Nebel sich verzieht wird die Sicht auf eine phantastische Kulisse frei. Das orangerote Licht des glühenden Lavasees beleuchtet den unteren Teil eines beinahe kreisrunden Kraters. Der Schnee auf den steil emporragenden Felswänden glänzt matt in dem Schein. Wir stehen gebannt am Kraterrand und starren auf das ständig wechselnde Schauspiel unter uns. Rauch und Nebel verziehen sich immer wieder für kurze Zeit, geben den Blick auf die Glut frei, nur um Augenblicke später abermals alles zu verhüllen.
Natürlich regnet es wieder, aber das stört uns jetzt nicht mehr, der Ausblick ist zu phantastisch um auf so Nebensächlichkeiten wie Regen oder Kälte zu achten.
Immer noch nass und frierend, aber jetzt überhaupt nicht mehr deprimiert, steigen wir zu unserer Hütte ab.
Vulkan und Schnee
Vor dem Eingang zur Hölle
Nyiragongo
Bevor der Koch zum Abendessen ruft, klettern wir noch einmal zum Kraterrand hoch. Der Regen hat nachgelassen, aber die Luft ist voller Elektrizität. Es knistert bedrohlich und blitzt immer wieder. Der Fotograf von National Geographic hat seine Kamera auf einem Stativ direkt am Kraterrand aufgebaut, darüber zum Schutz einen Regenschirm. Ich stehe etwa zwei Meter von ihm entfernt, als es plötzlich ein hässliches Geräusch gibt, etwa so als würde man Stoff zerreißen, und ich verspüre deutlich eine elektrische Entladung, die aus der Richtung des Fotografen kommt. Der hat es auch gespürt. Blitzschnell packt er seine Kamera samt Stativ und Regenschirm und sprintet in sein Hüttchen. Ich vermute, dass der Regenschirm die elektrische Ladung aufgenommen und an uns weiter gegeben hat. Ein bisschen unheimlich ist das schon. Wir steigen lieber ab. Außerdem wartet das Abendessen.
Natürlich sind wir später noch einmal hoch zum Kraterrand und dann noch einmal. Längst ist es Nacht, die Temperaturen um den Gefrierpunkt, aber in der Dunkelheit ist das Schauspiel noch eindrucksvoller. Es kann süchtig machen am Kraterrand zu sitzen und in das Höllenloch zu starren.
Nyiragongo
Nyiragongo
Morgen
Am nächsten Morgen bin ich früh wach, ich glaube es war so gegen 5 Uhr. Bis auf einen rosafarbenen Schimmer am Horizont ist es noch dunkel. Meine Frau ist auch schon wach und wir beschließen mal die Toilette aufzusuchen. Das Toilettenhäuschen liegt ein Stück vom Lager entfernt den Hang hinab. Da es dort geröllig ist und zudem ziemlich steil bergab geht, muss man sich an einem Seil runterhangeln. Das ist in der Kälte und Dunkelheit des frühen Morgen gar nicht so einfach. Erschwerend kommt hinzu, dass unsere Beinmuskeln vom gestrigen Aufstieg verkrampft sind und schmerzen.
Das Toilettenhäuschen ist zur Talseite hin offen, man hat quasi einen Logenplatz um die Landschaft zu genießen. Als wir dort ankommen hat sich der Horizont orangerot verfärbt und die ersten Sonnenstrahlen beleuchten die umliegenden Berggipfel. Mit jedem Strahl, der durch die Wolkendecke dringt, wird der Anblick atemberaubender. Zwischen den Nachbarvulkanen und bis hin zu den Bergketten Ruandas ziehen sich Dunstfelder. Der Kivu-See, selbst noch in Dunkelheit, reflektiert die Farbtöne des Himmels. Ich wage mal zu behaupten, auf dem Nyiragongo befindet sich die Toilette mit der eindrucksvollsten Aussicht Zentralafrikas.
Diesem Schauspiel kann sich niemand entziehen. Jeder der schon wach ist, Tourist, Ranger oder Träger, starrt schweigend Richtung aufgehende Sonne. Sogar der National Geographic Fotograf hat seine Kamera vom Krater weg Richtung Sonnenaufgang geschwenkt.
Sonnenaufgang über dem Kongo
Sonnenaufgang
Sonnenaufgang
Sonnenaufgang
Natürlich klettern wir vor dem Abstieg ein letztes Mal zum Kraterrand hoch. Doch im Morgenlicht sieht der Kratersee lange nicht so dramatisch aus, wie in der Nacht. Gemächlich qualmt er vor sich hin, als könne er kein Wässerchen trüben. Kaum zu glauben, dass er 2002 halb Goma in Schutt und Asche gelegt hat. Vor etwa neun Jahren soll hier eine chinesische Touristin abgestürzt sein, als sie Fotos vom Krater knipste. Sie konnte nur noch tot geborgen werden.
Abstieg
Die Ranger drängen zum Aufbruch, wir müssen noch packen und frühstücken, dann geht’s bergab.
45° Gefälle
Abstieg am frühen Morgen
Runter geht’s schneller als rauf – alte Bergsteigerweisheit…
Den Abstieg machen wir in rekordverdächtiger Zeit von dreieinhalb Stunden. Ich wäre ja lieber langsamer gegangen, hätte mehr die Natur genossen, hier und da ein Foto gemacht, aber wenn man in einer Gruppe unterwegs ist, bleibt einem nichts anderes übrig, als sich dem Tempo der Gruppe anzupassen.
Die Sicht ist gut, wir haben tolle Ausblicke auf die Virunga Vulkane. Je tiefer wir kommen umso wärmer wird es. Wir ziehen einen Pulli nach dem anderen aus und gegen Ende schwitze ich schon wieder ganz ordentlich. Gegen halb elf Uhr erreichen wir den Rangerposten und damit ist die Nyiragongo Tour beendet. Ich würde diese Tour, so anstrengend sie war, jederzeit noch einmal machen.
Eigentlich wollten wir direkt nach Ruanda zurückfahren, aber Jean Bosco macht uns ein verlockendes Angebot. Er sagt, es gäbe aktuell eine „special offer“ des Virunga Nationalparks für Gorillatrekking, das Permit koste nur 200 USD statt der 400 USD Normalpreis. Wenn wir wollen, würde er das für uns organisieren.
Und ob wir wollen. Ein Gorillabesuch steht schon lange auf meiner Afrikawunschliste. 200 USD für ein Gorillapermit ist günstig. In Uganda und Ruanda werden 500 - 750 USD für ein Permit verlangt.
Also fahren wir zurück nach Goma, erstmal Geld besorgen. In Goma kann man tatsächlich USD direkt aus den ATM‘s ziehen - insofern sie funktionieren. Wir drehen ein paar Runden durch Goma bis der dritte oder vierte ATM endlich funktioniert und USD ausspuckt.
Wir brauchen auch noch ein Hotel. Jean empfiehlt das Hotel Centre d'Accueil Caritas. Das Hotel ist bei Mitarbeitern von Hilfsorganisationen beliebt, die hier absteigen, wenn sie in Goma zu tun haben. Das Hotel ist ganz hübsch, die Zimmer haben Balkon und Blick auf den Kivusee. Drinnen ein Doppelbett, ein kleiner Fernseher und viele Moskitos. Ein schöne Garten reicht bis zum Seeufer. Allerdings würde ich von einem 75 USD Hotel erwarten, dass es eine warme Dusche gibt, was zumindest in unserem Zimmer nicht der Fall war. Da stand tatsächlich ein Eimer im Bathroom…