THEMA: Sinn oder Unsinn des Schenkens
17 Nov 2011 18:29 #213565
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  • boris am 17 Nov 2011 18:29
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Hallo allerseits, ich wollte ja eigentlich nix schreiben, aber jetzt mach ich`s halt doch:

Wir hatten fast 15 kg Kinderklamotten dabei, die unseren Enkeln/Nichten, Neffen zu klein geworden waren. Ich hatte zuvor bei Elsie von Vreugde angefragt, ob sie etwas für die Farmkinder brauchen könnten. Reaktion: ein Foto mit ca. 100 Kindern einer Schule, die sie unterstützen.... und ein begeistertes "ja bitte". Wir haben die Kleider dann auf der Farm bei Elsie gelassen, damit sie sie verteilen kann. Einen kleineren Teil hatten wir zuvor Hannelore auf Rooiklip für den dortigen Kindergarten gegeben.
Ich denke, dass das keine schlechte Aktion war: wir konnten uns als "Spender" raushalten und die Leute dort können die Sachen mit Sicherheit viel besser verteilen.

Ach ja: Buntstifte haben wir auch dort gelassen.

LG Boris
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17 Nov 2011 23:57 #213622
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  • Erika am 17 Nov 2011 23:57
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Hallo zusammen

Um aufzuzeigen, welche Auswirkungen das Schenken ohne Gegenleistung hat, möchte ich ein paar selbst erlebte Beispiele von irgendwo in Afrika aufführen.

Wir möchten in einer touristischen Kleinstadt im einzigen Mini-Shopping Center weit und breit wieder mal unsere Vorräte auffüllen und haben noch nicht einmal richtig den Blinker gestellt, als wir von einer ganzen Horde Halbwüchsiger verfolgt werden, die uns bis zum Parkplatz nachrennen und wild gestikulierend und auf uns einquatschend alle etwas geschenkt bekommen wollen und sich dabei an unser Fahrzeug hängen und mit den Fäusten auf die Motorhaube hauen. Da es uns wegen des Tumultes zu mulmig ist auszusteigen, müssen wir unverrichteter Dinge weiterfahren.

Ein laut Reiseführer sehenswerter Wasserfall ist unser Ziel. Vom Parkplatz aus wären es auf einem markierten Weg nur ein paar Minuten zu laufen. Leider werden wir aber sofort von zahlreichen selbsternannten Tour Guides empfangen, die uns alle in Erwartung einer Entschädigung begleiten wollen und uns auch aggressiv anbetteln. Auch hier treten wir den Rückzug an, da an „in Ruhe geniessen“ nicht zu denken ist.

Wir übernachten auf einem eingezäunten Campingplatz. Am Morgen marschieren unzählige Schulkinder vorbei. Viele bleiben stehen „ give me money, give me pen, give me sweets!“ rufen sie. Als wir nicht reagieren, schmeissen sie faustgrosse Steine nach uns.

Wer schon ein paar Mal in Afrika war, könnte die Liste bestimmt beliebig verlängern. Und immer passiert es an Orten, wo sich regelmässig Touristen aufhalten, die oft wahllos Geschenke verteilen. Dort, wo praktisch niemand hinfährt, hat man seine Ruhe und kann sich ohne angebettelt zu werden die Sehenswürdigkeiten anschauen.

Erika
Meine Reiseberichte:
1971: Mit dem VW-Bus von Kapstadt bis Mombasa
www.namibia-forum.ch...ahren.html?start=120
2013: Durch den wilden Westen Tansanias (Am Anfang war die Hülle)
www.namibia-forum.ch...g-war-die-huelle.htm
2013: Nordmosambik, mal schön - mal hässlich + ein Stück Südtansania
www.namibia-forum.ch...n-mal-haesslich.html
2014: Auf bekannten und unbekannten Pfaden durch Tansania
www.namibia-forum.ch...-durch-tansania.html
2015: Eine Reise wird zum Alptraum/Kenia
www.namibia-forum.ch...rd-zum-alptraum.html
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18 Nov 2011 01:36 #213623
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  • Rocky1964 am 18 Nov 2011 01:36
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Erika schrieb:
Hallo zusammen

Um aufzuzeigen, welche Auswirkungen das Schenken ohne Gegenleistung hat, möchte ich ein paar selbst erlebte Beispiele von irgendwo in Afrika aufführen.

Wir möchten in einer touristischen Kleinstadt im einzigen Mini-Shopping Center weit und breit wieder mal unsere Vorräte auffüllen und haben noch nicht einmal richtig den Blinker gestellt, als wir von einer ganzen Horde Halbwüchsiger verfolgt werden, die uns bis zum Parkplatz nachrennen und wild gestikulierend und auf uns einquatschend alle etwas geschenkt bekommen wollen und sich dabei an unser Fahrzeug hängen und mit den Fäusten auf die Motorhaube hauen. Da es uns wegen des Tumultes zu mulmig ist auszusteigen, müssen wir unverrichteter Dinge weiterfahren.

Ein laut Reiseführer sehenswerter Wasserfall ist unser Ziel. Vom Parkplatz aus wären es auf einem markierten Weg nur ein paar Minuten zu laufen. Leider werden wir aber sofort von zahlreichen selbsternannten Tour Guides empfangen, die uns alle in Erwartung einer Entschädigung begleiten wollen und uns auch aggressiv anbetteln. Auch hier treten wir den Rückzug an, da an „in Ruhe geniessen“ nicht zu denken ist.

Wir übernachten auf einem eingezäunten Campingplatz. Am Morgen marschieren unzählige Schulkinder vorbei. Viele bleiben stehen „ give me money, give me pen, give me sweets!“ rufen sie. Als wir nicht reagieren, schmeissen sie faustgrosse Steine nach uns.

Wer schon ein paar Mal in Afrika war, könnte die Liste bestimmt beliebig verlängern. Und immer passiert es an Orten, wo sich regelmässig Touristen aufhalten, die oft wahllos Geschenke verteilen. Dort, wo praktisch niemand hinfährt, hat man seine Ruhe und kann sich ohne angebettelt zu werden die Sehenswürdigkeiten anschauen.

Erika

Ja, genauso ist es!!!

Rocky

...der schon öfter 4x4 in Afrika war...

www.4x4club-leipzig.de/
www.baja-deutschland.de/
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18 Nov 2011 06:36 #213634
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ich habe mal an einer Art Berufsschule für Mädchen gearbeitet (schonmal geschrieben die Geschichte). Die liegt an der C28, wo auch immer mal wieder Touris vorbeifahren. Eines Abends war da eine der Schülerinnen, die wirklich weder arm noch super reich sind, an der Straße um bei besserem Handyempfang nach Hause zu telefonieren. Danach kam sie auf einen Tratsch zu mir.

Als sie bei mir lachend vor der Tür stand, hatte sie eine Plastiktüte in der Hand, die ihr Touristen aus einem Auto gereicht hatten. Dachten wohl das kleine Negerlein braucht "neue" T-Shirts, gebrauchte Sandalen etc. Wir haben uns amüsiert, wirkliche Abnehmer für alte Plastiksandalen der Größe 43 gesucht und uns gewundert wie wichtig einem wohl das ziellose "Ablassschenken" sein muss, dass man selbst einer Frau völlig unpassende Dinge in die Hand drückt und noch nicht mal weiß, WARUM sie gerade im Busch an der Straße steht. Ich habe mich besonders über die Campino Bonbons gefreut, nach langem endlich mal wieder (deutsche) Süßigkeiten, die nach was geschmeckt haben....
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18 Nov 2011 08:28 #213642
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Also irgendwie werde ich das schleichende Gefühl nicht los, dass hier eher berichtet wird wie „Gutmensch“ wir doch alles sind und was für tolle Erlebnisse man in den entlegensten Winkel der Welt so hatte mit unerwarteter Hilfe ohne Gegenleistung, ohne auf die Fehler die bestimmt schon jeder gemacht hat näher einzugehen.

Beispiel: wir fahren regelmäßig durch den Bwabwata. Die Kinder kommen dort an die Parkplätze wenn ein Auto hält. Aber sie betteln nie. Sie bleiben immer in einiger Reichweite stehen und warten bis man wieder losfährt. Dann springen sie in die Mülltonne. Ich habe dort einmal den Fehler gemacht nur einem der Kinder eine angebrochene Packung Kekse zu geben (in dem dummen Glauben der verteilt sie schon). Anstatt mit den anderen zu teilen gab es beinah Mord und Totschlag. Daraus lernt man.

Aber: wenn man mal so eine (bestimmt nicht fundierte) Rechnung aufstellt: Jedes Jahr kommen einfach gerechnet eine Millionen Touristen ins Land. Viele sind jedoch nur „ Papiertouristen“: Angolaner und Südafrikaner auf „Geschäftsreise“. Die fallen nämlich auch oft mit in die Statistik (und nicht in die der Geschäftsreisenden), wie man dem Tourism Board entnehmen kann. Viele kommen auch gar nicht in Kontakt mit der Bevölkerung. Sagen wir also hoch geschätzt eine Viertelmillionen verteilt zweimal etwas (und die meisten sind ja zu zweit oder dritt oder viert unterwegs), dann sind das pro Jahr vielleicht ein „Geschenk“ pro Kind in Namibia (ich glaube jedoch eher viel weniger). Davon kann sich doch keine lebenserhaltende Industrie entwickeln. Abgesehen vielleicht von ein paar Dutzend Kindern, die an den einschlägigen Touristen Hotspots darauf warten. Aber davon gibt es in diesem Land doch auch nicht allzu viele, oder?

Ich habe in über einem Jahr nun recht viel vom Land gesehen und mir fallen nur ein paar Orte ein, wo die Kinder wirklich aufdringlich betteln. Und wer dort was gibt, der weiß es eben nicht besser. Und in die bevölkerungsreichen Regionen des Nordens fahren ja onehin viel weniger Touristen.

Mein Fazit: das Wasser hier wird nicht so heiß getrunken wie gekocht. Wenn jemand wirklich ein nachhaltiges Problem sieht, ist er vielleicht noch nicht allzu oft auf die Dörfer gefahren.

Die Mentalität (ich kann hier nur für den Caprivi sprechen) ist in allen Altersgruppen sowieso vielmehr auf „nehmen“ als auf „geben“ ausgerichtet (natürlich mit vielen Außnahmen). Und dafür kann ich dutzende Beispiele aus dem Alltag nennen. Gerade hier wo der Chief noch solche Macht hat. Nicht umsonst hat z.B. der Craft Market in Kongola noch immer nicht wieder geöffnet. Aber das ist eine lange Geschichte die nicht hierher gehört. Gibt wirklich größere Probleme hier in diesem Land zu bewältigen.

Also sage ich: Schenken? ja unbedingt, aber wo und was ist die Frage (Kugelschreiber braucht keiner der sie sich nicht auch selber besorgen kann, Fußbälle schon. Und die alten Kinderklamotten geben wir im örtlichen Waisenhaus ab, davon gibt es mehr als genug im Land).

Gruß aus Katima
Kowo
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18 Nov 2011 08:40 #213644
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  • TanjaH am 18 Nov 2011 08:40
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Hallo zusammen!

Ich seh überhaupt nicht ein, warum ich irgendjemandem auf Straße irgendetwas schenken sollte. So völlig grundlos, im Vorbeifahren. Und welcher Teufel mich reiten müsste, für Beamte, die ohnehin keine schlechten Jobs haben, Geschenke mitzubringen.

Ein paar Beispiele von sinnvoller Hilfe wurden hier ja genannt. Zum Beispiel Buntstifte und Kleidung bei einer Stiftung oder über einheimische "Mittelsmänner", die sich auskennen, bei Schulen abzugeben. So nach dem Motto: Kinder, wenn ihr in die Schule geht, lernt ihr was und es rentiert sich auch noch anders. Oder eine Familie, ein Patenkind bewusst und gezielt unterstützen.

Was wir heuer gemacht haben: Wir hatten an unserem letzten Tag im KTP noch ein paar Lebensmittel (Nudeln, Cornflakes und Tütensuppe) übrig. Die hab ich auf dem Küchentisch drappiert und einen Zettel geschrieben, dass sie gerne genommen werden können, weil wir das nicht mit nach Europa nehmen können. Das hätte ich aber in einem Ferienhaus in Europa genauso gemacht, weil ich gute Lebensmittel nicht grundlos in die Tonne werfen will.

Was anderes ist es, wenn jemand nett und unaufdringlich (!!!) seine Hilfe anbietet und man dann ein Trinkgeld gibt, falls man sie annimmt. Aber das ist auch kein Schenken...

LG aus Österreich,

Tanja
Letzte Änderung: 18 Nov 2011 08:41 von TanjaH.
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